Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 236 St. Stephani, Grabkapelle auf dem ehem. Friedhof 1669, 1683, 1688
Beschreibung
Bau- und Gedenkinschriften an der Grabkapelle der Familie Hahn/Eichel/Böckellen. Im nördlichen Teil des ehemaligen Friedhofes an der Stadtmauer. Steinbau, verputzt, ursprünglich zweigeschossig, Untergeschoß zugeschüttet, 1896 noch zugänglich1). Außen im halbkreisförmigen Giebel Inschrift A über Figur des Auferstandenen. Daneben jeweils in Kartusche links zwei, rechts drei Vollwappen nebeneinander. Neben dem rundbogigen Eingang zwei Kartuschen mit links Inschrift B, rechts Inschrift C. Die je drei Kartuschen an den Seitenwänden des Gebäudes sind ohne Inschriften. Im schmiedeeisernen Gitter des linken Eingangsflügels auf dem oberen Rahmen und dem mittleren Querriegel die eingetieften und goldfarben gefaßten Inschriften D und E. Inschriften A–C eingehauen.
Ergänzungen von B2) und C nach Böhmer.
Maße: Bu: ca. 10 cm (A), 3–4 cm (B), 3,5 cm (C), 3 cm (D, E).
Schriftart(en): Kapitalis (A–D), Kapitalis mit Minuskel (E).
- A
ANNO MDCLXXXIII
- B
[GESTORBEN DEN 2 AUG(USTI) 1688]a) / I[O]HAN EICHEL / [E]DL[ER] V(ON) RAUTENKRON UF / NAEDLIZ BORN(UM)b) HONSLEB(EN)c) / ERBHER . F(ÜRSTLICH) BRAUNS(CHWEIGISCH) [LU]N(EBURGISCHER) / AUCH F(ÜRSTLICH) NID(ER)SAX(ISCHER) GEHEIM/RATH VND RESP(ECTIVE) V(ICE) CANZL(ER) / UFd) F(ÜRSTLICHER) IUL(IUS) UNIV(ERSITÄT) PROF(ESSOR) [I(URIS)]e) PRIM(ARIUS) DES / F(ÜRSTENTUMS) W[O]LFEN(BÜTTEL) ASS(ESSOR)f) SE(NIOR)g) DES STIFFTS ZU / W[ – – – ]h) C[AN](ONICUS)
- C
HEIC / EXPECTAT RESURR(ECTIONEM) MORTUORUM / HEINRICUS HAHN I(URIS)C(ONSUL)TUS / COD(ICIS) PROF(ESSOR) ORD(INARIUS) ET ASSFS(SOR)i) / DICAST(ERII) [GUEL]FICI HILDESIAE / NATUS MD[C]Vj) XXIIX / AUGUST(I) HELMSTAD(II) DENAT(US) MDCLXIIXj) XXIV FEBR(UARII) AETAT(IS) LXIV / ANN(ORUM) VI · MENS(IUM) III DIER(UM)k) ET V HOR(ARUM)
- D
ANNA SOPHIA HANIN: SOLI DEO GLORIA
- E
IOAN EICHEL · D(OCTOR) I(URIS) Et PROFESSOR 1669
Übersetzung:
Hier erwartet die Auferstehung der Toten der Rechtsgelehrte Heinrich Hahn, ordentlicher Professor für den Codex und Assessor am welfischen Gericht, geboren in Hildesheim 1605 am 28. August, gestorben in Helmstedt 1668 am 24. Februar im Alter von vierundsechzig Jahren, sechs Monaten, drei Tagen und fünf Stunden. (C)
Gott allein die Ehre. (D)
Eichel3), Hahn4); Pfeiffer5), Hahn4), Arends?6) |
Textkritischer Apparat
- Der Stein bietet für diese Zeile zu wenig Platz. Zum Problem vgl. Anm. 2.
- BORN(UM)] Bornumb vnd Böhmer, Querner. Dafür kein Platz auf dem Stein.
- HONSLEB(EN)] Hoensleben Böhmer, Querner.
- UF] vnd Böhmer, Querner.
- [I(URIS)]] Iuris Böhmer, Querner.
- ASS(ESSOR)] Hoffger(ichts) Ads(essor) Böhmer in den Nachträgen, Querner. Dafür kein Platz.
- SEN(IOR)] vnd Senior Böhmer, Querner. Dafür kein Platz.
- W[ – – – ] Walb(ec)k Böhmer. Die zerstörte Buchstabenfolge ist von Ornament aus dem Kartuschenrahmen unterbrochen.
- ASSFS(SOR)] Für ASSES(SOR).
- Neulateinische Zahlzeichen.
- III DIER(UM)] III dies Böhmer.
Anmerkungen
- Vgl. Meier, Kunstdenkmäler, S. 73.
- Die zusätzliche Textüberlieferung von Böhmer und Querner könnte den Gedanken nahelegen, daß Inschrift B an einer unbekannten Stelle der Grabkapelle, möglicherweise an dem im Untergeschoß jetzt unzugänglichen Sarg des Johann Eichel, eine erweiterte zweite Ausführung erfahren hat. Dagegen spricht, daß Böhmer sonst keine Inschriften aus dem Inneren der Kapelle überliefert, er die Kapelle also nicht betreten hat. Querner dürfte mit seinen Lesungen von Böhmer abhängig sein.
- Wappen Eichel: zwei geharnischte Arme, die Pfeil nach oben umfassen. Neben Pfeilspitze je ein Eichenblatt.
- Wappen Hahn: Hahn.
- Wappen Pfeiffer: wachsender Löwe.
- Wappen Arends?: Meerjungfrau.
- Nach Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 452 soll der gesamte obere Raum 1683 errichtet sein. Dagegen spricht die an dessen Gittertor angebrachtet Inschrift E, es sei denn, die beschrifteten Teile des Gitters stammen von einer ersten Bauausführung und sind hier wiederverwendet worden.
- Eine der Platten ist von einem Sarg zugestellt und konnte daher nicht bearbeitet werden. Die Namen der in beiden Räumen Beigesetzten bei Meier, Kunstdenkmäler, S. 73 und – mit Abweichungen – bei Schultz, Grabmale 1964, S. 5ff.
- Lebensdaten nach J. E. Bußmann, Als .. Johann Eichel Edler von Rautenkrohn .. beygesetzet, Helmstedt o. J. (1688) und Programma memoriae .. Ioannis Eichelii, o. O. und J. (Helmstedt 1688). Vgl. auch Kundert, Katalog, S. 129f. und Ahrens, Lehrkräfte, S. 66f.
- Zu NAEDLIZ: Es handelt sich um Nedlitz, Landkreis Zerbst, vgl. C. Evenius, Bey .. Leich=Begängniß Der .. Augusten Sophien Charlotte von Haken, gebohrnen Eichelin, Zerbst 1700. – Die Kanonikerstellen des ev. Stiftes Walbeck, Ohrekreis, wurden bis zu seiner Aufhebung 1810 an verdiente Beamte vergeben, vgl. Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 11, Provinz Sachsen/Anhalt, 2. Auflage, Stuttgart 1987, S. 477f.
- Kundert, Katalog, S. 130.
- Kundert, Katalog, S. 136 mit weiterweisender Literatur und den Daten der beruflichen Karriere. Zu korrigieren ist hier der Todestag 24. April. Hahn starb am 24. Februar.
- B. Cellarius, Bey .. Begräbnis Deß .. Heinrici Hahnen, Helmstedt 1668 und Programma ad exequias .. Henrici Hahnii, Helmstedt o. J. (1668).
- Zu ihr A. Fröling, Bey .. Leich=Bestattung Der .. Hedewig Arends, Helmstedt 1675.
Nachweise
- Böhmer, Inscriptiones, S. 107 mit Korrekturen, letzte Seite (B, C).
- Querner 2 (B).
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 73. (A, D, E).
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 236 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0023606.
Kommentar
Die Errichtung der Grabkapelle wurde nach dem Tode des Heinrich Hahn von dessen Schwiegersohn Johann Eichel und seiner Frau Anna Sophia Hahn begonnen und im unteren Bereich nach Inschrift E 1669 abgeschlossen. Die Giebelausgestaltung erfolgte nach Inschrift A erst 16837). Im zugeschütteten Untergeschoß stehen u. a. die Särge Heinrich Hahns und des Erbauerehepaares. Der ursprünglich wohl als Betkapelle genutzte obere Raum enthält heute vier Särge und drei Grabplatten von weiteren Familienmitgliedern (Nrr. 209, 210, 361, 375, 381 und 451)8).
Der in den Inschriften B und E genannte Johann Eichel wurde am 16. September 16219) in Heldburg, Landkreis Hildburghausen, als Sohn eines frühverstorbenen Lehnschulzen geboren. Nach dem Studium in Helmstedt wurde er am 23. Oktober 1655 zum Doktor der Rechte promoviert und heiratete am selben Tag die Tochter seines Lehrers Heinrich Hahn. Seine Lehrtätigkeit zunächst als Professor der Moral, dann der Rechtswissenschaft verband er mit umfänglichen Nebentätigkeiten. Seit 1654 war er als Rat von Haus aus, seit 1657 als Geheimer Rat und Vizekanzler für den Herzog von Sachsen-Lauenburg tätig. 1655 wurde er zum Assessor am Hofgericht in Wolfenbüttel ernannt – nach der Inschrift starb er als dessen Senior – und 1674 zum Geheimen Rat und Leiter einer Kommission zur Entschuldung der Stadt Braunschweig. Die ihm zugewiesenen und in der Inschrift genannten Pfründen lassen sich nur zum Teil eindeutig bestimmen10). Der erbliche Adel wurde ihm 1680 verliehen bzw. erneuert, nun mit dem Zusatz „von Rautenkron“. Er soll ihn als Professor nicht geführt haben11). Zeugnis des von ihm teils erheirateten, teils selbst erworbenen Vermögens ist neben der Grabkapelle sein Haus Bötticherstr. 51 (Nr. 213). Eine der St. Stephanigemeinde gestiftete Oblatendose trägt seinen Namen (Nr. 423).
Inschrift C gilt dem zu seiner Zeit bekannten Sachenrechtler Heinrich Hahn12). Die angegebenen Lebensdaten entsprechen denen von Leichenpredigt und Funeralprogramm13). Die in der Inschrift vorgenommene Lebensalterberechnung – vierundsechzig Jahre, sechs Monate, drei Tage und fünf Stunden – ist nicht nachvollziehbar. Hahn lebte zweiundsechzig Jahre, fünf Monate und siebenundzwanzig Tage. Zum ordentlichen Professor zunächst der Institutionen an der Universität Helmstedt wurde Hahn 1641 ernannt. Wann er die Beisitzertätigkeit in Wolfenbüttel antrat, ließ sich aus den Trauerschriften nicht ermitteln. Hahn wurde knapp sechs Wochen nach seinem Tode am 5. April 1668 in seiner zubereiteten Ruhekammer beigesetzt. Hahns 1657 verstorbene erste Ehefrau Anna Maria Pfeiffer (vgl. Nr. 193) ist noch auf dem Friedhof bestattet. In zweiter Ehe war Hahn seit 1658 verheiratet mit Hedwig Arends, verwitwete von Vechelde14), deren Wappen außen am Gebäude zu sehen ist.