Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 231† St. Stephani 1668

Beschreibung

Grabdenkmal des Enoch Gläser. Es wird von Ludewig und Querner unter den „Leichensteinen“ aufgeführt1). Nach Böhmer befand es sich 1710 im Chor2). Querner hat es um 1850 noch in der Kirche gesehen.

Inschrift nach Böhmer.

  1. D(eo) o(ptimo) m(aximo) s(acrum) Hoc saxo iacent reliquiae corporis quod inhabitauit olim anima proba candida scientiae capax omnis ENOCHI GLAESERI Is patriae Silesiae decus familiae suae nobilitatis primus auctor iuuenis a Musarum choro vir factus a Themide coronam meruit inclytam in hac illustri Iulia Academia iuris ciuilis per decennium professor magna cum vtilitate publica sua aeterna cum gloria collegas amore discipulos diligentia & fide humanitate & candore omnes prouocauit Pro-Rector academiae prima vice magistratum prudenter gessit quem cum vita deposuit primo vltimoque honori immortuus anno Christi MDCLXIIX prid(ie) eid(us) Septembr(is)3) natus annos XL Vidua moestissima Anna Sophiaa) Rinkia cum tribus filiabus relicta coniugi bene de se merito magni adfectus memor grato animo sed contra votum h(oc) m(onumentum) p(oni) c(urauit)

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Unter diesem Stein liegen die Überreste des Leibes, den einst die rechtschaffene, reine und zu jeder Erkenntnis befähigte Seele des Enoch Gläser bewohnte. Jener, die Zier seiner Heimat Schlesien, war der erste Begründer des großen Rufes seiner Familie. Zum Jüngling gemacht vom Chor der Musen, zum Mann von Themis, der Göttin des Rechts, hat er den ruhmreichen Ehrenkranz an dieser berühmten Academia Julia erworben (= promoviert). Zehn Jahre lang Professor für Zivilrecht, forderte er zum großen Nutzen für die Allgemeinheit und zu eigenem ewigen Nachruhm seine Kollegen mit seiner Liebe, die Studenten durch seine Gewissenhaftigkeit und zuverlässige Art, seine Mitmenschen insgesamt durch seinen freundlichen und lauteren Charakter zum Wettstreit heraus. Als Prorektor der Hochschule verwaltete er umsichtig sein Amt, das er zum ersten Mal übernommen hatte und zusammen mit seinem Leben ablegte, über dem ersten und zugleich letzten Ehrenamt hinwegsterbend im Jahre Christi 1668 am Tag vor den Iden des September im Alter von 40 Jahren. Die tieftraurige Witwe Anna Sophia Rinck, zurückgelassen mit drei Töchtern, ließ dem um sie wohlverdienten Gatten im Gedenken an ihrer beider große Zuneigung dankbaren Herzens, aber gegen ihren Willen dieses Denkmal setzen.

Kommentar

Enoch Gläser gehört zu den wenigen deutschsprachigen Barockdichtern im Umfeld der Helmstedter Universität. Geboren am 2. März 1618 in Landeshut, Schlesien4), erhielt er nach Studien in Wittenberg und Helmstedt, Reisen als Hofmeister und privaten juristischen Vorlesungen in Helmstedt 1658 eine Berufung zum außerordentlichen öffentlichen Professor, ein Datum, auf das die Inschrift Bezug nimmt. Nach seiner ein Jahr später erfolgten Promotion – auch darauf weist die Inschrift mit coronam meruit inclytam hin – und der Eheschließung mit Anna Susanne Rinck, adoptierter Binnius (vgl. Nr. 220), wurde Gläser 1661 ordentlicher Professor und nach dem Tode seines Schwiegervaters 1665 dessen Nachfolger als Institutionum et Criminalium professor. Im Juli 1668 wurde er zum Prorektor gewählt. In diesem Amt verstarb er kurz darauf am 12. September 1668, wohl an Schwindsucht. Sein poetisches Werk5) entstand hauptsächlich während seiner Studienjahre in Wittenberg und Helmstedt und fand zu seiner Zeit die besondere Anerkennung von Schottelius, Harsdörffer, Rist und Philipp von Zesen.

Textkritischer Apparat

  1. Die Ehefrau Gläsers hieß Anna Susanne, vgl. z. B. B. Cellarius, Bey .. Begräbnis des .. Enoch Gläsers, o. O. und J. (1669).

Anmerkungen

  1. Ludewig, Geschichte, S. 174, Querner 1, S. 20.
  2. Böhmer, Inscriptiones, S. 1 IN CHORO mit S. 3f.
  3. 12. September.
  4. Lebensdaten bei Kundert, Katalog, S. 133 und Ahrens, Lehrkräfte, S. 89f. Vgl. auch die in Anm. a angegebene Leichenpredigt und Meier, Monumenta, S. 174ff.
  5. Vgl. Literaturlexikon, Bd. VI, S. 359f. – Auszüge aus seinem Werk bei R. Kleinert, Lyrik in Helmstedt, als Typoskript vervielfältigt, Bd. 2, Helmstedt 1987, S. 5–45.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 3f.
  2. Querner 2.
  3. R. Kleinert, Lyrik in Helmstedt, als Typoskript vervielfältigt, Bd. 2, Helmstedt 1987, S. 17.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 231† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0023101.