Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 209 St. Stephani, Grabkapelle auf dem ehem. Friedhof 1663
Beschreibung
Grabplatte der Anna Kunigunde Eichel. Sandstein. Im Fußboden des oberen Kapellenraums rechts vom Eingang liegend. Seit wann die Platte in der Familienkapelle (zum Bau vgl. Nr. 236) aufbewahrt wird, ist nicht bekannt. Meier erwähnt sie 1896 nicht in seiner Aufzählung der Grabmale in der Kapelle1). Hochrechteckige Schriftplatte, in den oberen Ecken je ein Engelskopf, dazwischen, von Rankenwerk eingerahmt, zwei Vollwappen, darunter die eingehauene Inschrift.
Maße: H.: 148 cm; B.: 75 cm; Bu: 2,5–4,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.
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HIC SITAE . SUNT . EXUVIAE . / SCITAE . ET . OPTIMAE . PUELLAE . / ANNAE . KUNIGUND AE . / D(OCTORIS) . IOHANNIS . EICHELII . P(ROFESSORIS) . P(UBLICI) . A(SSESSORIS) . V(ICE)C(ANCELLARII) . S(AXONICI) . C(ONSILIARII) . W(OLFFENBYTTELENSIS) . / ET . ANNAE . SOPHIAE . HAHNAE . FILIAE . / D(OCTORIS) . HENRICI . HAHNII . COD(ICIS) . P(ROFESSORIS) . SEN(IORIS) . ASS(ESSORIS) . / ET . ANNAE . MARIAE . PFEIFFERIAE NEPTIS / NATAE . ANNOS . IV . MENSES . VII . DIES . XVI . / XVI . AUG(USTI) . ANNO . MLXIIa) . INTRA . SECUNDAM . / ET . TERTIAM . MATUTINAM . / VARIOLIS . EXTINCTAE . / FORM(A) . INDOLE . MODESTIA . PROFECTU . / RUDIMENT(ORUM) . LING(UAE) . LATINAE . AETAT(EM) . SUPER[A]BAT . / PURAM . ET . INTAMINATAM . ANIMULAM . COELUM . HABET / CUIUS . PIIS . ET . INNOCENTIBUS . MANIBUS . / AETERNUM . BENE . SIT . / MOESTI . PARENTES . HOC . MONUMENTUM . PONI . / CURARUNT . / XX . FEBRUARII / ANNO MDCLXIII
Übersetzung:
Hier liegen die sterblichen Überreste des lieblichen2) und besten Mädchens Anna Kunigunde begraben. Sie ist eine Tochter des Doktors Johann Eichel, öffentlichen Professors, Assessors, sächsischen Vizekanzlers und Wolfenbütteler Rates, und der Anna Sophia Hahn, ferner eine Enkelin des Dr. Heinrich Hahn, Professors des Codex, Seniors und Assessors, und der Anna Maria Pfeiffer. Im Alter von vier Jahren, sieben Monaten und sechzehn Tagen wurde sie am 16. August im Jahre 1662a) zwischen der zweiten und dritten Stunde in der Frühe von den Pocken dahingerafft. An Schönheit, Begabung, Bescheidenheit und beim Erwerb von lateinischen Grundkenntnissen war sie ihren Altersgenossen weit voraus. Ihre reine und unbefleckte kleine Seele hat nun der Himmel. Möge es dem frommen und unschuldigen Wesen auf ewig wohl ergehen. Die traurigen Eltern ließen dieses Denkmal am 20. Februar im Jahre 1663 setzen.
Eichel3), Hahn4) |
Textkritischer Apparat
- MLXII] Irrtümlich für MDCLXII. Neulateinische Zahlzeichen.
Anmerkungen
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 73f.
- „liegen–lieblich“: Das Wortspiel SITAE / SCITAE ist im Deutschen nur schwer wiederholbar.
- Wappen Eichel: zwei geharnischte Arme, die Pfeil nach oben umfassen.
- Wappen Hahn: Hahn.
- Programma in funere .. Annae Kunigundae et Johannae .. Johannis Eichelii .. filiarum, Helmstedt o. J. (1662). Die übrigen biographischen Angaben ebendaher.
Nachweise
- Schultz, Grabmale 1964, S. 6.
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 209 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0020906.
Kommentar
A ist mit stark gebogenem linken Schaft gearbeitet. Diese Besonderheit und eine Vorliebe des Steinmetzen für Ligaturen lassen sich auch auf der gleichzeitig gesetzten Grabplatte für die Schwester (Nr. 210) beobachten.
Zu der in der Inschrift genannten Verwandtschaft des verstorbenen Mädchens vgl. die Gedenkinschriften für den Vater Johann Eichel und den Großvater Heinrich Hahn (Nr. 236) und die Grabinschrift der Anna Maria Pfeiffer (Nr. 193). Anna Kunigunde, geboren am 31. Dezember 1657, wurde zusammen mit ihrer jüngeren Schwester am 26. August 1662 beerdigt5), vermutlich, da um diese Zeit die Familiengrabkapelle noch nicht erbaut war, auf dem Friedhof. Beider Inschriften gehören zu den wenigen, die Auskunft geben über die Zeitspanne zwischen Todesfall und Fertigstellung des Inschriftenträgers. Hier sind es etwa sechs Monate. – Die Lateinkenntnisse der vierjährigen Anna Kunigunde – nach Auskunft des Funeralprogramms las sie nicht nur lateinische Texte, sondern sie vermochte sich bereits in dieser Sprache auszudrücken, – haben auch in der Inschrift Erwähnung gefunden. Als bemerkenswert empfunden wurden sie im Funeralprogramm wegen des Alters, nicht des Geschlechts des Kindes.