Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 205† St. Stephani 1662

Beschreibung

Grabdenkmal des Johannes Friedrich Rangeus. Nach Böhmer befand es sich 1710 unter den Steinen im nördlichen Teil des Friedhofes1).

Inschrift nach Böhmer.

  1. Fatalem sub hoc saxo capiunt quietem ossa IOANNIS FRIDERICI RANGEI nati Hannouerae VI Non(as) Iulii2) anno MDCXXXVIII patre viro amplissimo D(omi)n(o) Ioanne Rangeo ser(enissi)mi Principis G(eorgii) W(ilhelmi) Ducis Br(unsuicensis) et Lun(eburgensis) Secretario matre femina honestissima Elisabetha Woltorfin iuuenis vere pii in studiis humaniorum artium sapientiae vtriusque iuris solertissimi Helmstadii in illustri Iulia in qua ipsos IV annos feliciter vixerat atque adeo inter ipsos Musarum amplexus febre petechiali vti vocant exstincti die memoriae nati Seruatoris sacro anno MDCLXII cuius animam Iesum eiusque cunas prius exosculatam ad supremam academiam caelestes transtulerunt Camenae Corpus heic exspectat tubam principis angelorum nouumque sui cum b(eata) anima coniugium Hoc te volui3) quisquis es tu habita tecum4) et mortem quae contingere potest vt hodie etiam ante phoebi occasum immo citius momento te subruat pie cogita

Übersetzung:

Unter diesem Stein genießen ihre schicksalsbestimmte Ruhe die Gebeine des Johannes Friedrich Rangeus. Er wurde am sechsten Tag vor den Nonen des Juli im Jahre 1638 in Hannover geboren. Sein Vater, ein hochachtbarer Mann, ist Herr Johannes Rangeus, des durchlauchtigsten Fürsten Georg Wilhelm Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg Sekretär, seine Mutter die höchst ehrbare Frau Elisabeth Woltorf. Er war ein wahrhaft frommer junger Mann, sehr erfolgreich im Studium der humanistischen Disziplinen, der Philosophie und beider Rechte. In Helmstedt in der berühmten Julia, in der er genau vier Jahre glücklich, ja was noch mehr ist, in den Armen der Musen selbst gelebt hatte, wurde er von dem sogenannten petechialischen Fieber dahingerafft am Tage, der dem Gedenken an die Geburt des Heilandes gewidmet ist im Jahre 1662. Seine Seele, die zuvor noch ihren Jesus und seine Wiege inbrünstig geküßt hatte, trugen die himmlischen Musen in die höchste Akademie hinauf, sein Körper erwartet hier den Trompetenschall des Engelsfürsten und eine erneute Vereinigung mit der geheiligten Seele. Das wollte ich dir, wer immer du auch seist, sagen: Kehre in dich und bedenke in Gottesfurcht den Tod, der (so) geschehen kann, daß er dich heute noch vor Sonnenuntergang, ja in weniger als eines Augenblicks Geschwindigkeit dahinsinken läßt.

Kommentar

Den Hintergrund dieser und der folgenden Inschrift bildet eine Fleckfieberinfektion im Hause des Professors Gebhard Theodor Meier (vgl. Nr. 325), die unter den dort wohnenden Studenten drei Todesopfer forderte. Die Kommentierung des Ereignisses in den begleitenden Funeralschriften und im Inschriftentext zeigt eine diagnostische Verarbeitung der Krankheit auf terminologisch professionellem Niveau. Das Auftreten der Krankheit selbst wirft ein Licht auf die in Kleidung und Wohnverhältnissen herrschende Hygiene.

Johannes Friedrich Rangeus, Sohn des hannoverschen Hofgerichtsassessors Johannes Rangeus5), studierte seit dem 2. Mai 16596) bis zu seinem Tod am 25. Dezember 1662 in Helmstedt Philosophie und Rechtswissenschaft. Die Inschrift rundet seinen Studienaufenthalt zu vier Jahren – ipsos IV annos – auf. Die Gefahr der Krankheit wurde von Rangeus – so das Funeralprogramm7) – zu spät erkannt, so daß er verstarb, ohne seine Eltern noch einmal gesehen zu haben. Sie waren auch nicht anwesend, als er am 4. Januar 1663 mit akademischen Ehren beigesetzt wurde8).

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 46 LAPIDES IN PARTE COEMITERII anteriore mit S. 70f.
  2. 2. Juli.
  3. Die gleiche Formel auch in Nr. 206.
  4. Vgl. Persius 4,52 tecum habita.
  5. Lebensdaten bei B. Cellarius, Bey der Begräbnis des .. Johannis Friderici Rangei, Helmstedt 1663.
  6. Matrikel Helmstedt, Bd. 2, S. 133.
  7. Progamma ad exsequias .. Johannis Friederici Rangei, Helmstedt o. J. (1663).
  8. Vgl. J. Saubert, Abdanckung nach verrichteter Leichbestattung , o. O. und J.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 70f.
  2. Nieders. Landesbibliothek Hannover, Cm 192, Trauerschriften J. Fr. Rangeus, unter dem Titel Inscriptio sepulchralis nach Beitrag J. Saubert, Abdanckung nach verrichteter Leichbestattung, o. O. und J.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 205† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0020501.