Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 190 St. Stephani 1656

Beschreibung

Epitaph des Friedrich Anton Schacht. Holz, farbig gefaßt. Im Mittelschiff am zweiten Pfeiler von Südwesten. Nach Böhmer befand es sich auch 1710 im Schiff1). Zweigeschossig unter gebrochenem Giebel, der bekrönt wird von der Figur des Auferstandenen zwischen zwei Engeln. Im oberen Geschoß Porträt des Verstorbenen zwischen zwei Säulen, im unteren eingelassenes, großes Inschriftfeld, flankiert von den Figuren der Hoffnung links und des Glaubens rechts, die jeweils zwischen zwei Säulen in entsprechend den Umrissen des Pfeilers abknickende Nischen gestellt sind. An den Seiten reiches Rankenwerk mit je einem Engelskopf. Die Säulen gedreht und bekränzt, das Ganze verziert mit Putten und Engelsköpfen, Früchten und Muscheln. Unter der Inschrifttafel Vollwappen. Inschrift gemalt, goldgelb auf schwarzem Grund.

Maße: H.: ca. 450 cm; B.: ca. 300 cm; Bu.: ca. 3–5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. D(EO). O(PTIMO). M(AXIMO). S(ACRUM). / HEIC. SITUS. EST. / STUDIOSUS. IUVENIS / GENTE. AC. MENTE. NOBILISSIMUS / FRIDERICUS. ANTONIUS / SCHACHTIORUM. ANTIQUUSa). SANGUIS. / EILARDI. PRINCIPALIS. IN. AULA. CIMBRICA. SECRETARII / FILIUS. / GEORGII. VERDENSIUM. SENATORIS / NEPOS. / HERMANNI. WALINGAE2). PRAEFECTI / PRONEPOSb) / QUI. A. MATRE. SUA. ANNA. COCHIA / HONESTISSIMA. FOEMINA / IN. HANC. LUCEM. ANNO. M. DC. XLI. PRID(IE). NON(AS). FEBR(UARII)3) / EDITUS / PATRITAE. AVITAE.QUE. PIETATIS. CAETERARUMQUE. VIRTUTUM / HAERES. FACTUS / STUDIIS. LITERARUM. DOMI. INNUTRITUS / UT. DECIMO=OCTAVO. AETATIS. ANNO. CUM. NERVA. FILIO4)./ PUBLICE. DE. IURE. RESPONSITARE. POSSET / DECIMO=QUINTO. IN. ACADEMIAM. MISSUS / SED. EHEU. CUM. CONTINUO. DISCENDI. ARDORE. FLAGRARET / TANDEM. CONTINUÂ. FEBRI. CORREPTUS / POST. LONGAM. EXIGUI. TEMPORIS. USURAM5) / ANNO. M. DC. LVI. VII. EID(US). DECEMB(RIS)6). IN. ALMAE. IULIAE. GREMIO / PLACIDÈ. MORTUUS / VEL. POTIUS. SOMNO. CONSOPITUS. EST / SI. AETATEM. VIDEAS. ADOLESCENS / SIN. SCIENTAMc). AC. PRUDENTIAM. ADULTUS. IMÒ. SENEX7) / MULTIS. VETERANIS. IN. HOC. POTIOR. TIRO / QUOD. IMPERATOREM. SUUM. GEMENS. SECUTUS. NON. EST / SED. À. S(UA). COENÂ. LAETUS / SURREXIT / ET. LICET. PEREGRE. OCCUMBENDUM. FUERIT / UNDIQUE. TAMEN. AD. COELUM. TANTUNDEM. VIAE. RATUS / NON. CUM. GEMITU. SED. CANTU. EX. HAC. VITÂ. TANQUAM. È. CON/VIVIO8). DISCESSIT / ATQUE. AD. SUPEROS. MIGRAVIT.

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Hier liegt ein junger Student, höchst edel von Geschlecht und Gesinnung, Friedrich Anton, altes Geblüt der Schacht, Sohn von Eilhard, Fürstlichem Sekretär am schleswigschen Hof, Enkel von Georg, Ratsherrn in Verden, Urenkel von Hermann, Amtmann in Wahlingen. Er wurde von seiner Mutter Anna Koch, einer sehr ehrbaren Frau, im Jahre 1641 einen Tag vor den Nonen des Februar ans Licht dieser Welt gebracht, erwies sich als Erbe der Frömmigkeit und der übrigen Tugenden seiner Väter und Vorväter, wuchs daheim auf in ständigem Umgang mit den Wissenschaften und wurde im fünfzehnten Lebensjahr auf die Universität geschickt, damit er im achtzehnten mit Nerva dem Sohn öffentlich eine juristische Disputation durchführen könne. Aber weh! Da er von unaufhörlichem Lerneifer glühte, wurde er schließlich von einem ebenso unaufhörlichen Fieber dahingerafft und starb nach langer Nutzung seiner kurzen Zeit im Jahre 1656 am 7. Tag vor den Iden des Dezember sanft im Schoß der Alma Julia oder besser, versank in Schlaf. Betrachtest du sein Alter, war er ein Knabe, nach seinem Wissen und seiner Klugheit jedoch ein Erwachsener, ja ein Greis. Wiewohl Rekrut, war er darin souveräner als viele Veteranen, daß er seinem Feldherrn nicht mit Seufzen folgte, sondern sich fröhlich von seiner Tafel erhob. Hieß es für ihn auch, in der Fremde zu fallen, entfernte er sich doch im Glauben, daß von überall her der Weg zum Himmel gleich lang sei, nicht mit Gestöhn, sondern mit Gesang aus diesem Leben gleichsam wie aus einem Gastmahl und begab sich auf den Weg zu den Himmlischen.

Wappen:
Schacht9)

Kommentar

Zur Biographie des Verstorbenen vgl. Nr. 189. Das Epitaph wird Hermann Scheller aus Braunschweig zugeschrieben10).

Textkritischer Apparat

  1. ANTIQUUS] I klein unter dem Balken des T.
  2. PRONEPOS] E klein zwischen N und P.
  3. SCIENTAM] Für SCIENTIAM.

Anmerkungen

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 12 IN SINV TEMPLI mit S. 17f.
  2. Wahlingen, ehemaliges Lehensgut der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg im heutigen Kirchwahlingen, Gemeinde Böhme, Kreis Soltau-Fallingbostel.
  3. 4. Februar.
  4. M. Cocceius Nerva, Vater und Sohn, waren zwei bedeutende Juristen aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert.
  5. Nach Cicero, De lege agraria 3,2 parvam exigui temporis usuram.
  6. 7. Dezember.
  7. Topos, so auch im ersten der unter dem Namen des Ambrosius überlieferten Briefe, PL 17, Sp. 735, vgl. das Zitat bei J. Hildebrandt, Abdanckung, Bl. F, im Anhang zu B. Cellarius, An dem Begräbnis Tage Des .. Friderici Antonii Schachten, Helmstedt 1657 Wir können billich von ihm sprechen, was der heilige Ambrosius von der Gottseligen Jungfrawen Agneten schreibet: in annis adolescentia, in mente senectus erat immensa (nach den Jahren war sie jung, aber unermeßlich alt im Geist).
  8. Hinweis auf Gesang und Vergleich mit Gastmahl auch in der Beschreibung seines Sterbens im Funeralprogramm, vgl. Programma in funere .. Friderici Antonii Schachtii, Helmstedt 1657 quin et sublata ut poterat voce hymnum canere deo creatori (ja, er sang mit erhobener Stimme, so gut er konnte, Gott, seinem Schöpfer ein Loblied) und aequo animo et velut e convivio digressurus gratias coram egit (mit ruhigem Gemüt und sich gleichsam wie aus einem Gastmahl entfernend sagte er öffentlich Dank).
  9. Wappen Schacht: gekreuzte Hämmer.
  10. Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 451. Zu Hermann Scheller (1637–1679) vgl. Thieme/Becker, Bd. 30, S. 21 (Verfasser P. J. Meier). Das Helmstedter Epitaph ist dort nicht genannt.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 17f.
  2. Querner 1, S. 17.
  3. Henze, Helmstedt, S. 30.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 190 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0019008.