Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 141† St. Stephani 1621
Beschreibung
Grabdenkmal des Cornelius Martini. Nach Böhmer befand es sich 1710 unter den Denkmälern und Steinen an den Außenmauern der Kirche1).
Inschrift nach Böhmer.
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Cognosce lector cuiuscunque es ordinis cur huic saxo haec inclusa sit lamina iuxta eam situs est terrena sui parte CORNELIVS MARTINVS Antwerpius vir magnus philosophus summus sacrarum litterarum peritissimus in omni eleganti doctrina nemini cedens veritatis indagator et vindex acerrimus inscitiae et malitiae hostis vehemens academiae Iuliae XXX annis decus primarium Eum quam diu vixit amarunt omnes boni2) magnifecerunt plurimi Germaniae principes admirati sunt qui docentem audierunt et post fata quoque admirabuntur quibus scriptis suis innotescet Amissum frustra lugemus et reposcimus neque enim si liceat huc reuerti velit Quum decessisset die XVII Decembr(is) anno MDCXXI aetatis suae LIV exuuias ipsius iuxta cineres matris carissimae Margarethae Paulli quindecim annis ante filium defunctae recondidit germana soror Margaretha Martinia et fratri amantissimo ac bene merito hoc monumentum posuit vt debiti amoris et gratae memoriae signum esset certissimum Tu lector hominem te esse cogites et pius esto
Übersetzung:
Erkenne, Leser, welchen Standes du auch seist, warum diesem Stein diese Platte eingefügt ist: Nahe bei ihr ruht mit seinem irdischen Teil Cornelius Martini aus Antwerpen, ein großer Mann, bedeutender Philosoph, hervorragender Kenner der Hl. Schrift, in jeder humanistischen Disziplin von niemandem übertroffen, ein Erforscher und leidenschaftlicher Anwalt der Wahrheit, ein heftiger Feind von Unwissenheit und Bosheit – dreißig Jahre lang die vornehmste Zierde der Academia Julia. Ihn liebten, solange er lebte, alle Redlichen, ihn schätzten die meisten Fürsten Deutschlands, ihn bewunderten, die ihn lehren hörten, und nach seinem Tode werden ihn auch die bewundern, denen er durch seine Schriften bekannt wird. Den Dahingegangenen betrauern und fordern wir vergeblich zurück. Er dürfte nämlich, selbst wenn es ihm erlaubt wäre, nicht willens sein, wieder hierher zurückzukehren. Nachdem er am 17. Dezember im Jahre 1621 im 54. Lebensjahr verschieden war, bestattete seine leibliche Schwester Margarethe Martini seine sterbliche Hülle nahe der Asche der teuersten Mutter Margarethe Paulli, die fünfzehn Jahre vor ihrem Sohn verstorben war, und errichtete dem heißgeliebten und wohlverdienten Bruder dieses Denkmal, damit es ein unübersehbares Zeichen sei für geschuldete Liebe und dankbares Erinnern. Du, Leser, bedenke, daß du ein Mensch bist, und sei fromm!
Anmerkungen
- Böhmer, Inscriptiones, S. 30 MONVMENTA LAPIDESQVE parietibus templi externis adfixi mit S. 35.
- Zu omnes boni vgl. S. 37f. der Einleitung.
- Lebensdaten in NDB 16, 1990, S. 296f. und bei Zimmermann, Album, S. 432. Vgl. auch Ahrens, Lehrkräfte, S. 150f.
- M. Wundt, Die deutsche Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts, Tübingen 1939, S. 98.
- Zur theologiegeschichtlichen Bedeutung Martinis vgl. Mager, Lutherische Theologie, S. 85ff. Vgl. auch Nr. 146.
Nachweise
- Böhmer, Inscriptiones, S. 35.
- Koch bei Meier, Monumenta Julia.
- Querner 2.
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 141† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0014102.
Kommentar
Cornelius Martini3), geboren 1568 in Antwerpen, folgte nach Studien in Rostock und einer Privatlehrertätigkeit seinem Rostocker Freund Caselius (vgl. Nr. 124) 1591 nach Helmstedt. Noch bevor er im April 1592 den Magistertitel erworben hatte, wurde ihm die Logikprofessur übertragen, die er bis zu seinem Tode am 17. Dezember 1621 innehatte. Gestützt auf die Interpretation der Aristotelischen Metaphysik, wurde er zum „eigentlichen Neubegründer der Metaphysik innerhalb des deutschen Luthertums“4). Wenn ihn die Inschrift als veritatis indagator et vindex acerrimus bezeichnet, so erinnert sie damit an Martinis Kritik am Ramismus und seine Verwicklung in den die Universität Helmstedt um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert erschütternden sog. Hofmannschen Streit. Es war dies der vergebliche Versuch der lutherischen Orthodoxie, den Einfluß der humanistisch-aristotelischen Philosophen auf die Theologie zurückzudrängen5).
Martini hat nicht geheiratet, sondern sein gastfreundliches Haus von seiner unverheirateten Schwester Margarethe führen lassen. Seine Mutter Margarethe Paulli hatte bis zu ihrem Tode gleichfalls bei ihm gewohnt.