Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 124† St. Stephani 1613

Beschreibung

Grabdenkmal des Johannes Caselius, von Ludewig unter den „Leichensteinen“ aufgeführt1). Nach Böhmer befand es sich 1710 im Kirchenschiff2). Um 1850 hat Querner es noch in der Kirche gesehen3).

Inschrift nach Böhmer.

  1. D(eo) o(ptimo) m(aximo) s(acrum) Exuuias IOANNIS CASELII Viri summi et ob animi ingeniique dotes cum aliis bonis4) doctisque tum magnis principibus in primis cari Saxoniae adeoque Germaniae nostrae Phoenicis iam octuagenarii et vel ob aetatem venerandi sub hoc lapide condiderunt amici superstites moestissimi quum potiorem eius partem ac diuiniorem ad se reuocasset atque in templa aeternitatis transtulisset immortalis Deus ad IX April(is) MDCXIII Ipsum e monumentis ingenii plurimis et nobilissimis certius lector nosce et te breui cogita futurum quod hic est

Übersetzung:

Gott, dem Besten und Größten, geweiht. Die sterblichen Überreste des Johannes Caselius, einer großen Persönlichkeit, ob seines Charakters und seiner Geistesgaben von anderen Redlichen und Gebildeten, so besonders von der hohen Fürstlichkeit geschätzt, unseres Sachsens, richtiger, unseres Deutschlands Phönix, eines bereits achtzigjährigen Mannes, der allein schon seines Alters wegen verehrungswürdig ist, dessen sterbliche Überreste also haben die hinterbliebenen Freunde tieftraurig unter diesem Stein beigesetzt, nachdem der unsterbliche Gott ihn am 9. April 1613 in seinem wesentlicheren und göttlicheren Teil zu sich gerufen und in die Gefilde der Ewigkeit überführt hatte. Ihn selbst, Leser, lerne näher kennen aus den außerordentlich zahlreichen und sehr berühmt gewordenen Zeugnissen seines Geistes und bedenke, daß du selbst in Kürze das sein wirst, was er jetzt ist.

Kommentar

Die Inschrift gilt einem der bedeutendsten Helmstedter Professoren. Sie ist vom Freundeskreis verfaßt und zeichnet sich durch sparsame Verwendung biographischer Einzelheiten und den völligen Verzicht auf Titulaturen aus. Johannes Caselius5), geboren am 18. Mai 1533 in Göttingen, studierte in Wittenberg bei Melanchthon, in Leipzig, Frankfurt/Oder und in Rostock. 1566 erwarb er in Pisa den juristischen Doktorgrad. Nach Tätigkeiten als Prinzenerzieher und Professor der Beredsamkeit in Rostock kam er 1590 der Bitte des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel nach, Mitglied der philosophischen Fakultät der Universität Helmstedt zu werden. In dieser Stellung wurde er Mittelpunkt eines Kreises von Studenten und jungen Gelehrten, darunter zahlreiche Adelige. Er gewann über seine Schüler größten Einfluß auf die weitere Entwicklung der Helmstedter Hochschule, insbesondere in Theologie und Staatsrechtslehre6). Das in der Inschrift für Caselius verwendete Symbol des Phoenix spricht – nach den Eigenschaften dieses mythischen Vogels – das hohe Alter des Philosophen, seine Einzigartigkeit in ganz Deutschland und seine Unsterblichkeit an. Das gleiche Epitheton phoenix Germaniae ist Caselius auch auf dem Epitaph seines Vaters in Göttingen beigegeben7). – Ein Porträt des Caselius hängt im Juleum (Nr. 62).

Anmerkungen

  1. Ludewig, Geschichte, S. 174.
  2. Böhmer, Inscriptiones, S. 12 IN SINV TEMPLI mit S. 19.
  3. Querner 1, S. 20.
  4. Zu boni vgl. S. 37f. der Einleitung.
  5. Lebensdaten bei Zimmermann, Album, S. 430f. und in NDB 3, S. 164.
  6. Vgl. dazu H. Dreitzel, Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat. Die „Politica“ des Henning Arnisaeus (ca. 1575–1636), Wiesbaden 1970, S. 46f.
  7. Vgl. DI 19 (Stadt Göttingen), Nr. 121. Es heißt dort in der kopial überlieferten Inschrift von dem 1580 verstorbenen Vater Matthias Johannis Caselii Phoenicis Germaniae Göttingae nati Parens – (Vater des in Göttingen geborenen Johannes Caselius, Deutschlands Phönix). Der Zusatz fehlt in Teilen der kopialen Überlieferung. Bereits F. Koldewey, Matthias Bracht von Kessel, der Vater des Humanisten Johannes Caselius, in: Zs. der Gesellschaft für nieders. Kirchengeschichte 6, 1901, S. 63, hatte aus dieser Formulierung geschlossen, daß dieser Teil der Göttinger Inschrift später hinzugefügt sei. Koldewey bezieht sich nicht auf den Text der Helmstedter Inschrift. Seine Vermutung kann dahingehend erweitert werden, daß die Göttinger Inschrift mit Phoenicis Germaniae den Text der Helmstedter Inschrift zitiert.

Nachweise

  1. Böhmer, Inscriptiones, S. 19f.
  2. C. Horneius, Vita Ioannis Caselii. Vor: J. Caselius, Opera politica (Hg. C. Horneius), Frankfurt 1631.
  3. Klippel (ohne Vornamen), Leben und Schicksale des .. Johannes Caselius. In: Neues vaterländisches Archiv 1824, II, S. 264f. (nach Horneius).
  4. Querner 2.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 124† (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0012401.