Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 102 St. Stephani 1596
Beschreibung
Epitaph des Siegmund Julius Mynsinger von Frundeck. Holz, farbig gefaßt. Innen an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs. In fünf Geschossen von unten nach oben (1) Kruzifix mit Titulus A zwischen den Kreuzen mit den Schächern, davor kniend der Verstorbene in Rüstung, (2) Grablegung Christi zwischen Kreuzabnahme und Auferstehung, (3) „Noli me tangere“, (4) Himmelfahrt und (5) Dreieinigkeit. Alle Szenen im Relief, der Verstorbene und einzelne Figuren als Vollplastik gearbeitet. Darstellungen jeweils getrennt durch Gebälk und eingefaßt von Säulen. Im 3. Stock figurenbesetzte Nischen. An den Seiten Engel und reiche Renaissanceornamentik, oben gebrochener Giebel als Abschluß. Am Architrav des untersten Geschosses Wappenfries mit einer ursprünglich sechzehnteiligen Ahnenprobe, von der noch fünfzehn Vollwappen erhalten sind. Sie sind von innen nach außen in aufsteigender Linie angeordnet. Unter (1) zwischen Konsolen Tafel mit Inschrift B. Inschriften aufgemalt, A schwarz auf weißem, B weiß auf schwarzem Grund. 1896 war Inschrift B „fast erloschen“1).
Maße: H.: ca. 700–800 cm; B.: ca. 400 cm; Bu.: ca. 1,5 cm (A), ca. 2 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis (A), Fraktur (B), Jahresdatum in Kapitalis.
- A
I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM)2)
- B
ANNO MDLXXXXVIa) / am Tage S(ancti) Galli3) starb auf das lamb Gottes, das der welt Sünde traegt4), / der edele, gestrenge, Ehrenveste Siegmundt Julius Minsinger von Frondeck, / Erbkammerer des Fürstenthums Braunschweig, auf seinem Pfandhaus Alsleben an der Bodt, / wardtb) hie folgendts am Tage Simonis und Judae5) zur erden bestattet.
Mynsinger von Frundeck6) | Oldershausen7) |
Breuning8) | Bülzingsleben9) |
Kuhn10) | Spade11) |
Enker12) | ?13) |
?14) | Mandelsloh15) |
[?]16) | Goldacker17) |
?18) | Bortfeld19) |
?20) | Saldern21) |
Textkritischer Apparat
- Neulateinische Zahlzeichen.
- wardt] wurdt Böhmer, Ludewig, Querner, Meier, ward Oeynhausen.
Anmerkungen
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 67.
- Io. 19,19.
- 16. Oktober.
- Nach Jh. 1,29 Siehe, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.
- 28. Oktober.
- Wappen Mynsinger von Frundeck: quergelegter Stamm, darauf zwei Falken. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, 2. Abt., ND Bd. 23, S. 136.
- Wappen Oldershausen: quadriert, 1. und 4. dreimal drei Rosen?, 2. und 3. leer. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 7, 1. Abt., ND Bd. 23, S. 38.
- Wappen Breuning: geteilt, auf der Teilungslinie Krone, durchstochen von drei Rohrkolben. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, 2. Abt., ND Bd. 23, S. 152.
- Wappen Bülzingsleben: Löwe, der Helm mit sieben Fähnlein trägt. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, 2. Abt., 1. Teil, ND Bd. 14, S. 103.
- Wappen Kuhn: steigender Löwe nach l. Vgl. Ludwig, Joachim Münsinger, S. 132 mit Anm. 126.
- Wappen Spade: zwei Spaten. Vgl. Kneschke, Adels-Lexicon, Bd. 8, S. 537.
- Wappen Enker: Anker. Vgl. Ludwig, Joachim Münsinger, S. 132f. und Nr. 91, Anm. 4.
- Wappen ?: fünf Raben, 2:2:1.
- Wappen ?: Steinbock nach l.
- Wappen Mandelsloh: umwundenes Jagdhorn. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, 11. Abt., ND Bd. 19, S. 91.
- Das hier ursprünglich vorhandene Wappen ?: Gemse mit Halsband nach l., auf Stein, hat sich in der Ahnenprobe der Familie an der Kanzel erhalten, vgl. Nr. 103, Anm. 18.
- Wappen Goldacker: geteilt, oben wachsender Steinbock, unten gespalten. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 2, 3. Abt., ND Bd. 21, S. 29.
- Wappen ?: zwei Balken.
- Wappen Bortfeld: gekreuzte Lilienstäbe. Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 18.
- Wappen ?: quadriert, 1. und 4. Stier, 2. und 3. Berg.
- Wappen Saldern: Rose. Vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 6, 11. Abt., ND Bd. 19, S. 6.
- Nach Zimmermann, Album, S. 68, Anmerkungen war er im Januar 1588 einundzwanzig Jahre alt.
- Angaben nach L. Scheurlin, Bey der Begrebnuß des .. Sigmund Juliussen Mynsingern von Frundeck, Magdeburg 1597, Stadtbibliothek Hannover, Bibl. St. Crucis Nr. 125. Seine häufigen Aufenthalte in Helmstedt belegt bei Zimmermann, Album, S. 10, Anmerkungen. Zu seiner Rangplazierung unter den adeligen Helmstedter Studenten ebenda, S. III.
- Eintrag in das Kirchenbuch von St. Stephani, zitiert von Zimmermann, Album, S. 10.
Nachweise
- Böhmer, Inscriptiones, S. 5f.
- Ludewig, Geschichte, S. 175.
- Querner 1, S. 13.
- Oeynhausen, Grabinschriften, Bl. 112.
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 67.
- Schultz, Grabmale 1963, S. 102.
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 102 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0010205.
Kommentar
Der Verstorbene war der jüngere Sohn des Erbkämmerers Joachim Mynsinger von Frundeck (vgl. Nrr. 90 und 91) und dessen zweiter Frau Agnes von Oldershausen. Geboren ist er 1566/156722). Er hatte an mehreren Universitäten, u. a. in Helmstedt, Sprachen und Rechtswissenschaft studiert und verwaltete als rechte christliche Obrigkeit 23) bis zu seinem plötzlichen und frühen Tod den vom Vater ererbten Besitz in Großalsleben, Bördekreis. Beigesetzt wurde er in einem Gewölbe auffm Chor S. Stephan24) in Helmstedt, vermutlich in der Familiengruft (vgl. Nr. 90). Für die Stephanikirche hatten er und seine Familie gerade die Stiftung einer neuen Kanzel vorbereitet. Das in der Inschrift zitierte Johanneswort vom Lamm Gottes war auch Textgrundlage der Leichenpredigt und nach deren Aussage Lieblings- und Trostspruch des Verstorbenen. Seine bildliche Darstellung füllt das zentrale Brüstungsfeld am Korb der gestifteten Kanzel (vgl. Nr. 103).