Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 65 St. Marienberg 1569–1570

Beschreibung

Kanzelkorb. Eiche, Füllungen Birn- und Pflaumenholz1). Ebenerdig vor dem südöstlichen Vierungspfeiler. Ursprünglich am südwestlichsten Pfeiler des Vorchores angebracht und über eine Treppe erreichbar2). 1893 an das damalige Herzogliche Museum, das heutige Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, abgegeben3), seit 1962 wieder in St. Marienberg4), zunächst im Kloster, seit 1996 in der Kirche. Korb bestehend aus vier Seiten eines Polygons, links anschließend zweiseitiger, rechtwinkliger Zugang der nicht mehr vorhandenen Treppe. Auf dessen beiden Feldern unter Arkaden Christus und Johannes der Täufer, gemalt, auf den vier Feldern des Korbes, ebenfalls unter Arkaden, in Einlegearbeit abwechselnd stilisierte Blumen in je einer Vase und Architekturornamente. Im Hauptfeld des Korbes zusätzlich Vollwappen. Über alle sechs Felder durchlaufend oben unter der Brüstung bzw. unten über dem Sockel Inschrift A und B, dunkel auf hellem Grund und dunkel gerahmt. Als Worttrenner sind Rauten gesetzt. Einlegearbeit.

Maße: H.: 117 cm; Bu.: 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    POSVI · VERBA / MEA · IN · ORE · TVO / ET · VMBRA · MAN(VS) / MEAE · P(RO)TEGO · / TE · VT · PLAN/TES · COELOa)5) ·

  2. B

    IN · MEMO/RIAM · D(OMI)NI / RVTGERI / ELIAE · P(RAEPOSITI) · HO/C · SVGGEST/VM · FACTVM

Übersetzung:

Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und bedecke dich mit dem Schatten meiner Hand, auf daß du den Himmel pflanzest. (A)

Zum Andenken an Herrn Rutger Elias, Propst, ist diese Kanzel angefertigt worden. (B)

Wappen:
Elias6)

Kommentar

Die in Helmstedt seltenen sechseckigen O und die us-Haken als Kürzungszeichen sind auch auf der Grabplatte für Rutger Elias Nr. 63 verwendet. P mit einem dem Schaft links unten vorgesetzten offenen Bogen für PRO erscheint hier zum einzigen Mal in einer Helmstedter Inschrift.

Die Datierung der Inschrift ist eng verknüpft mit den Umständen bei der Nachfolge des katholischen Propstes Rutger Elias. Dieser verstarb am 2. Mai 1569 (vgl. Nr. 63). Das Kloster hatte bereits zu Lebzeiten des katholischen Herzogs Heinrich des Jüngeren († 1568) den Vetter des amtierenden Propstes, Johannes Elias, zum Propst-Elekt berufen. Der lutherische Nachfolger Heinrichs des Jüngeren, Herzog Julius, zwang das Kloster 1570, den Protestanten Matthias Bötticher als Propst zu akzeptieren7). Die Kanzel, ein Memorienmal für den Katholiken Rutger Elias, vielleicht finanziert durch eine Stiftung des Verstorbenen, dürfte kaum unter dem protestantischen Propst Matthias Bötticher in Auftrag gegeben sein. In Frage kommt dafür die Zeit der Auseinandersetzung um die Einsetzung des vom Kloster gewünschten katholischen Johannes Elias, also der Zeitraum zwischen dem Tod des Rutger Elias im Mai 1569 und dem Amtsantritt des Matthias Bötticher im Laufe des Jahres 1570.

Der Bibelspruch in Inschrift A spricht den Verstorbenen direkt an und bezieht sich auf dessen geistlichen Auftrag. Er entstammt dem Vulgatatext. Die Lutherbibel stützt sich an dieser Stelle auf eine andere Textüberlieferung und bietet ein Priesterverständnis, das sich von dem der Inschrift unterscheidet8).

Textkritischer Apparat

  1. COELO] Für COELOS, vgl. Anm. 5.

Anmerkungen

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 42.
  2. Vgl. NStA Wolfenbüttel K 20036, Nr. 1 Grundriss von der Kirche zu Kloster Marienberg mit Nr. 2 Durchschnitt über den Priechen von der Kloster Kirche zu Marienberg und Erklaerung der Buchstaben von den Grundriss der Kirche zu Kloster Marienberg, angefertigt 1792 von Johann Martin Schüttelöffel.
  3. Meier, wie Anm. 1.
  4. Frdl. Auskunft von Herrn Dr. M. Wandersleb, Helmstedt.
  5. Nach Is. 51,16 posui verba mea in ore tuo et in umbra manus meae protexi te ut plantes caelos.
  6. Wappen Elias: Hausmarke (Anhang 2, H1).
  7. Strauß, Marienberg, S. 70, S. 104.
  8. Die Lutherübersetzung lautet: Ich lege mein Wort in deinen Mund und bedecke dich unter dem Schatten meiner Hände, auf daß i c h den Himmel pflanze.

Nachweise

  1. Meier, Kunstdenkmäler, S. 43.
  2. Lutz, Marienberg, S. 27.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 65 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0006507.