Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 50 Am Ludgerihof E. 15. Jh.–M. 16. Jh.?

Beschreibung

Fragment eines Steines unbekannter Funktion. Sandstein. In Fachwerkscheune im Nordwesten des ehemaligen Wirtschaftshofes des Klosters St. Ludgeri. Der plattenähnliche Stein dient zur Ausfachung des nördlichsten Gefachs der Ostwand. Er liegt dem Balken der Grundschwelle auf und ist rechts abgeschrägt, da das Gefach hier von einer Strebe begrenzt wird. Die Inschrift verläuft quer am schmaleren oberen Rand. Sie ist oben und unten von je einer eingetieften Linie eingefaßt und eingehauen. Als Worttrenner ist eine Raute gesetzt1).

Maße: H.: ca. 50 cm; B.: 42 cm (oben), 61 cm (unten); Bu.: 8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

  1. [ – – – ]IGEa) · P(RAE)P(OSI)T(V)S

Übersetzung:

[...] Propst.

Kommentar

Die Bogen-, Schaft- und Balkenenden bei den Buchstaben ebenso wie bei den Kürzungszeichen sind durch meist dreieckige Sporen besonders gestaltet. Der Bogen des P setzt erst weit unter der Mitte am Schaft an. Vergleichbare Merkmale finden sich in keiner der sonst im Bereich von St. Ludgeri verwendeten jüngeren Kapitalisschriften. Die hier als epsilonförmiges E und eingerolltes G gelesenen Zeichen (vgl. Anm. a) weisen auf eine frühhumanistische Kapitalis. Für die Datierung eröffnet sich damit eine weite Spanne, da diese Schrift im Helmstedter Bestand in ausgeprägter Form nicht vorkommt2).

Die Scheune, in die der Stein in Zweitverwendung eingebaut wurde, ist nicht datiert. Sie dürfte nach ihrer Ähnlichkeit mit einem Klosterfachwerkbau von 1763 (Nr. 491) während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. IGE] Über E ein Kürzungsstrich. Die Lesung ist unsicher. Der Schaft des hier als I wiedergegebenen Zeichens ist nur im unteren Teil erhalten, es könnte sich also auch um eine 1 handeln. Ebenso läßt sich das dritte Zeichen, hier als epsilonförmiges E gelesen, auch als spiegelverkehrte 3 deuten. Das mittlere Zeichen, hier als G wiedergegeben, könnte in einem Zahlenzusammenhang für eine 6 stehen. Versteht man die Zeichen als Zahlen, ergibt sich die Folge 163(3). Für eine Verdoppelung einer Zahl, hier der 3, mit Hilfe eines Kürzungsstriches hat sich allerdings kein weiteres Beispiel finden lassen. Eine Deutung der Zeichen als Buchstaben ist daher wahrscheinlich. Eine sinnvolle Erklärung für die Buchstabenfolge, etwa als letzter Teil eines Propstnamens, läßt sich freilich nicht bieten.

Anmerkungen

  1. Kaum als Reste von Buchstaben zu deuten sind Eintiefungen am rechten Rand der Platte. Hier erzeugen Einlagerungen von Schmutz und durch chemische Prozesse ausgelöste Farbveränderungen im Stein den Eindruck inkrustierter Linien.
  2. Vgl. dazu S. 53 der Einleitung.

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 50 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0005006.