Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 61: Stadt Helmstedt (2005)
Nr. 35(†) St. Walpurgis 2. H. 15. Jh., 1739
Beschreibung
Altarretabel, sog. Schusteraltar. Holz, farbig gefaßt. Der Flügelaltar hängt an der Ostwand des südlichen Querhauses. Im Mittelteil des Schreins plastische Figuren der gekrönten Gottesmutter mit Kind, auf der Mondsichel, zu ihren Seiten Crispinus und Crispinianus mit Schuh und Messer in den Händen. Auf den Flügeln innen jeweils vier plastische Heiligenfiguren paarweise untereinander. Sie waren 1896 nach der Beschreibung Meiers1) durch Inschriften bezeichnet. Wo genau sich die Inschriften befunden haben, teilt Meier nicht mit. Zu seiner Zeit waren die Figuren wie folgt angeordnet: links oben Walburg (A) neben Johannes Evangelista (B), darunter Christophorus (C) neben Erasmus (D). Auf dem rechten Flügel oben Stephanus (E) neben der 1894 ergänzten, früher gemalten Anna2) (F), darunter Ludger (G). Die achte Figur bei Meier nicht genannt. Der Altar erfuhr 1965/66 eine umfassende Restaurierung. Dabei wurde die für 1896 bezeugte Reihenfolge der Heiligenfiguren verändert3). Der jetzige Zustand: Links Ludger und Erasmus, darunter Christophorus und Walburg, rechts gepanzerte männliche Figur über Drachen (Georg?), wohl neu, und Anna, darunter Johannes Evangelista und Stephanus. Mit der Umstellung der Figuren verbunden ist der optische Verlust der Inschriften. Die Nimben, in denen sie vermutlich ihren Platz gehabt haben, sind einfarbig – gold – übermalt. – Da die beiden Seitenflügel fest in der Wand verankert worden sind, kann die auf ihre Rückseiten gemalte Verkündigungszene derzeit nicht eingesehen werden. Vorhandene Photos4) zeigen, daß die Malereien nur noch in geringen Teilen erhalten sind5). Von dem auf dem rechten Seitenflügel dargestellten Engel sind außer Gewandfalten die Flügel und der zur Mitte erhobene rechte Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger erkennbar. Vor ihm steht zur Mitte hin eine Blumenvase, über ihm verläuft ein (?) doppelt gebogenes Band mit Buchstabenresten (H). Auf der linken Tafel kniet (?) Maria vor einem im linken Bildrand zu erkennenden Pult. Über ihr ein zweiteiliges, gewundenes Band mit Buchstabenresten (I). Auf einem Schild, angebracht auf der Seitenleiste am Mittelteil des Schreins, Inschrift J6). Inschriften H–I gemalt, dunkel auf hellem Grund.
Inschriften A–G nach Meier, H–I nach Photos Hannover, J nach Helmstedter Kreisblatt.
Maße: H.: 113 cm; B.: 100 cm (Schrein).
Schriftart(en): Gotische Minuskel (H–I).
- A
S(anc)t(a) Walborch
- B
S(anc)t(us) Iohannes
- C
S(anc)t(us) Christophusa)
- D
S(anc)t(us) Erasmus
- E
S(anc)t(us) Stephanus
- F
S(anc)t(a) Anna
- G
S(anc)t(us) Ludgerus
- H
[ – – – ]a [ – – – ]b)
- I
[ – – – ] fi[....]ich[.] // [ – – – ]c)
- J
Dis ist reparieret und zu dieser stelle gesetztet anno 1739. Herr J(ohann) W(ilhelm) Wunnenburgd) und Herr Herbst. Regierung bei der Kirche.
Textkritischer Apparat
- Christophus] Für Christophorus.
- Der vorhandene Platz erlaubt, als Inschrifttext eine Form von Lc. 1,28 have gratia plena Dominus tecum benedicta tu in mulieribus anzunehmen. a wäre dann der letzte Buchstabe von plena.
- Die erkennbaren Buchstabenreste dürften nach Lc. 1,38 ecce ancilla Domini fiat mihi secundum verbum tuum zu fiat michi zu ergänzen sein.
- J(ohann) W(ilhelm) Wunnenburg] G. W. Wurmberg Helmstedter Kreisblatt. Eine Familie Wurmberg ist in den Bürgerlisten nicht belegt. Es kann sich nur um Johann Wilhelm Wunnenburg handeln, vgl. Kommentar. Der Vater des Genannten auch in Nr. 353.
Anmerkungen
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 77. Das Folgende ebenda.
- Die Figur der Anna trägt einen Hinweis, daß sie 1894 von Bildhauer M. Gruttke geschnitzt wurde, vgl. Art. „Aufschlußreiche Restaurierung“ in: Helmstedter Kreisblatt vom 12. 1. 1966, abgedruckt bei Kleinert, Walpurgis, S. 53. Meier, wie Anm. 1, berichtet, daß sie „einst“ nur gemalt war.
- Ein Bericht über die unter Leitung des Restaurators Herzig, Amt für Denkmalpflege Braunschweig (vgl. Art. „Aufschlußreiche Restaurierung“, wie Anm. 2), vorgenommenen Restaurierungen scheint nicht vorhanden zu sein – so die schriftliche Auskunft des Baureferats der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, Wolfenbüttel vom 29. 7. 1997 und der Oberen Denkmalschutzbehörde bei der Bezirksregierung in Braunschweig unter Einbeziehung des Nieders. Landesamts für Denkmalpflege Hannover und der Außenstelle in Braunschweig vom 14. 10. 1997. Nach Kleinert, Walpurgis, S. 86 sind die Veränderungen bei der Restaurierung 1966 erfolgt.
- Photos Hannover, Niedersächs. Landesmuseum, Landesgalerie, E 9248, E 9249.
- „Verkündigung“ als Bildthema ist sicher bezeugt von Meier, wie Anm. 1.
- Sie konnte aus technischen Gründen nicht eingesehen werden.
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 74f.
- Schaper, Bürgerbuch 5, S. 1258.
- Schaper, Bürgerbuch 2, S. 435.
Nachweise
- Meier, Kunstdenkmäler, S. 77 (A–G).
- Photos Hannover, Niedersächs. Landesmuseum, Landesgalerie, E 9248, E 9249 (H–I).
- „Aufschlußreiche Restaurierung“, in: Helmstedter Kreisblatt vom 12. 1. 1966, abgedruckt bei Kleinert, Walpurgis, S. 53 (J).
Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 35(†) (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0003509.
Kommentar
Die hier wiedergegebenen Buchstaben der Inschriften H–I sind nur fragmentarisch erhalten. Das in Inschrift H einigermaßen gut zu lesende doppelstöckige a ist kastenförmig. In dieser Form erscheint es auch auf dem Marienaltar in St. Walpurgis (Nr. 36), den Meier in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert.
Das Heiligenprogramm des Altars erklärt sich z. T. aus den besonderen Patronatsverhältnissen der Kirche. Neben Walburg, Inhaberin des Patroziniums, erscheinen Ludger, Hinweis auf das Ludgerikloster als ersten Inhaber des Patronats über die Kirche, sowie die Schutzheiligen der Schustergilde, Crispinus und Crispinianus. Das Patronat der Kirche ist in früher Zeit vom Ludgerikloster an die Schustergilde übergegangen; der Altar gilt als das älteste Zeugnis für die engen Beziehungen der Gilde zur Kirche7).
Die Restaurierungsinschrift J nennt zwei Kirchenvorsteher von St. Walpurgis aus dem Jahre 1739, den Obermeister der Schustergilde Johann Wilhelm Wunnenburg (1698–1766)8) und den Lederhändler und Schuhmachermeister Johann Heinrich Herbst (1681–1750)9).