Inschriftenkatalog: Stadt Helmstedt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 61: Stadt Helmstedt (2005)

Nr. 28 St. Marienberg E. 15. Jh.

Beschreibung

Kruzifix, Nadelholz1), farbig gefaßt. In der Kirche an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs. Das Kruzifix stammt aus der nach 1322 errichteten Kapelle des Hospitals St. Georg in der Helmstedter Vorstadt Neumark2). Nach der endgültigen Säkularisierung der Georgskapelle 19513) im Kreis- und Universitätsmuseum, seit 2004 in der Kirche St. Marienberg. Korpus mit auf der Brust verschränkten Armen. Kreuz mit quadratisch vergrößerten Balkenenden und quadratisch herausgearbeiteter Vierung; auf den Querbalken zwischen Vierung und Kreuzesenden oben und unten je zwei herausragende Halbkreise, desgleichen auf dem unteren Teil des Längsbalkens. Diese Halbkreise sind Teile von fünfblättrigen, aufgemalten Rosetten. Das ganze Kreuz ist dunkelgrün bis schwarzfarbig grundiert, mit breiter, roter Einfassung der Balken und der Quadrate an den Balkenenden und in der Vierung. Im Vierungsbereich ursprüngliche, hellgrüne Grundierung erhalten. Im Vierungsquadrat rotgrundiges, schwarz konturiertes Lilienkreuz auf hellgrünem, rot eingefaßtem Grund, jetzt verdeckt von der Figur des Gekreuzigten4). In den Quadraten der Balkenenden die Evangelistensymbole, jeweils geflügelt und nimbiert. Jedem Symbol ist ein Schriftband beigegeben, darauf Inschriften A–D (von links nach rechts, von oben nach unten). Inschriften gemalt, schwarz auf weißem Grund. Das Kreuz wurde 1984/85 restauriert. Jüngere Aufmalungen wurden entfernt, u. a. eine Übermalung der Inschriften in Renaissancekapitalis5).

Maße: H.: 260 cm1); B.: 162 cm1); Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Sabine Wehking [1/5]

  1. A

    S(anctus) mat[e](us)

  2. B

    S(anctus) marcus

  3. C

    S(anctus) [.]oha(nnes)

  4. D

    [S](anctus) lucas

Kommentar

Das Helmstedter Kreuz, das den seltenen Typ eines Christus mit verschränkten Armen trägt, wird als Werk des späten 15. Jahrhunderts angesehen, während die Figur des Gekreuzigten selbst in die Zeit nach Erbauung der Georgskapelle 1322, auf etwa 1350 datiert wird6). Bei einem Kreuz, das einen Gekreuzigten ohne ausgestreckte Arme zu tragen hatte, ergab sich die Möglichkeit, Kreuzbalken und -enden besonders auszugestalten. Legner hat darauf hingewiesen, daß ein sehr ähnliches Kreuz – ebenfalls mit quadratischer Vierung, quadratischen Balkenenden und beschrifteten Evangelistensymbolen – auch den umarmenden Kruzifixus aus Heinrichs bei Suhl, jetzt Angermuseum Erfurt, trägt, eines der wenigen dem Helmstedter Kruzifix typmäßig vergleichbaren Werke7). Die Künstler beider Kreuze konnten auf ein Schema zurückgreifen, das so oder ähnlich vielfach auf der Rückseite von Vortragekreuzen zur Anwendung gekommen ist, wobei dort die Vierung meist von einem Agnus Dei eingenommen wird.

Das jetzige Erscheinungsbild der bei der Restaurierung 1984/85 ans Licht getretenen Inschriften zeigt eine gotische Minuskel, teilweise im Zweilinienschema: doppelstöckiges, kastenförmiges a in den Inschriften A–C, s mit Diagonalstrich, m mit in Quadrangeln auslaufenden Schäften und h mit leicht gespaltener Oberlänge. Von den genannten Merkmalen weist doppelstöckiges, kastenförmiges a auf eine späte gotische Minuskel8). Die bis 1984 in den Spruchbändern zu lesende Renaissancekapitalis spricht für eine Überarbeitung des Kreuzes im 16./17. Jahrhundert, die eine Modernisierung der als altertümlich empfundenen Schriftform einschloß.

Anmerkungen

  1. Nach dem Restaurierungsbericht von 1985, Exemplar im Kreis- und Universitätsmuseum.
  2. Dazu Meier, Kunstdenkmäler, S. 80.
  3. Dazu C. Simm, Die Georgskapelle – Heim der Evangelischen Jugend. In: Helmstedter Allgemeine Zeitung vom 11. 5. 1951.
  4. Vgl. Photo im Restaurierungsbericht, wie Anm. 1.
  5. Diese Inschriften waren in folgender Form ausgeführt: S(ANCTVS) MATEVS (A); S(ANCTVS) MARCVS. (B); S(ANCTVS) IOHANES (C); S(ANCTVS) LVCAS: (D); sie waren schwarz auf weißem Grund gemalt und verwendeten Doppelpunkte als Kürzungszeichen. Wiedergabe nach Photo im Restaurierungsbericht, wie Anm. 1. Vgl. auch Abb. in: Führer durch das Kreisheimatmuseum Helmstedt, 3. Auflage 1973, vorderes inneres Umschlagblatt.
  6. A. Legner in Kat. Stadt im Wandel, Bd. 1, S. 671. Dort auch die ältere Literatur zum Kruzifix.
  7. Legner, Kat. Stadt im Wandel, Bd. 1, S. 673. Zum Erfurter Kruzifix vgl. G. von der Osten, Der Schmerzensmann, Berlin 1935, S. 11 und S. 152 mit Abb. VI. Weitere Beispiele des Bildtypus „umarmender Kruzifixus“ bei Legner, Kat. Stadt im Wandel, Bd. 1, S. 671.
  8. Vgl. dazu S. 49 der Einleitung.

Nachweise

  1. Kat. Stadt im Wandel, Bd. 1, S. 672 (nur Abb.).

Zitierhinweis:
DI 61, Stadt Helmstedt, Nr. 28 (Ingrid Henze), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di061g011k0002804.