Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 96 Marktkirche 1553

Beschreibung

Totenschild des Jürgen von Kerssenbrock. Holz. Der Totenschild hing früher in der Turmhalle der Marktkirche, heute befindet er sich im Bödekersaal. In der Mitte des runden Schildes im Relief das Wappen des Verstorbenen, außen läuft zweizeilig die Inschrift um. Die erhabenen Buchstaben sind vergoldet.

Maße: Du.: 72 cm; Bu.: 3–3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Sabine Wehking [1/1]

  1. Anno 1553 · Den 9 Dach · Julij · is · Jurgen · van · Kessenbroik · yn der · Slacht · vor Siverdshussen Gescotenn · vnd · folgende 6 dach · augusti / alhir yn · Gott · vorscheiden · Der · seleia) · Der · almechtige · Gott · Gnedich · synyn · wolle ·

Wappen:
Kerssenbrock (in Gold blauer Schrägbalken, belegt mit drei roten Rosen)1)

Kommentar

Bei der Schrift handelt es sich um eine stark manierierte gotische Minuskel. Die offenen D-Versalien mit dem oben über die Haste hinausgreifenden Bogen entsprechen der frühhumanistischen Kapitalis ebenso wie die gegengleich gestalteten G-Versalien.

Nach Redecker gab es in der Marktkirche fünf Totenschilde für in der Schlacht von Sievershausen Gefallene2); von diesen sind noch zwei erhalten (vgl. Nr. 99), die Inschriften von zwei weiteren Totenschilden sind kopial überliefert (vgl. Nr. 97, 98). In die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Moritz von Sachsen und Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel auf der einen, sowie Albrecht Alkibiades von Brandenburg auf der anderen Seite wurde auch das Herzogtum Calenberg hineingezogen. Erich II. hatte sich mit Albrecht Alkibiades gegen seinen übermächtig werdenden Vetter Heinrich d.J. verbündet, der Erich aufgrund seiner unsoliden Finanzpolitik vom Kaiser zusammen mit Moritz von Sachsen und Joachim von Brandenburg als Kurator des Landes vorgesetzt worden war.3) So stand Calenberg in der Schlacht von Sievershausen am 9. Juli 1553 auf der Seite des Albrecht Alkibiades, dem Moritz von Sachsen mit seinen Verbündeten eine entscheidende Niederlage beibrachte. In der Schlacht, die als blutigste der ganzen Reformationszeit gilt, wurden zwei Söhne Heinrichs d.J. getötet und Moritz von Sachsen tödlich verwundet.

Textkritischer Apparat

  1. selei] vermutlich falsch restauriert. Es ist zu vermuten, daß hier ursprünglich selen gestanden hat.

Anmerkungen

  1. Spießen, Bd. 1, S. 29.
  2. Redecker, Bd. 1, fol. 260r.
  3. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 145.

Nachweise

  1. Ahrens, Totenschilde, S. 54.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 96 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0009605.