Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 82† Kreuzstr. 5 1547, 1577, 1649

Beschreibung

Hausinschriften. Traufenständiges dreigeschossiges Fachwerkhaus, das Hinterhaus diente als Hokenamtshaus1) der Altstadt. Das Haus, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts laut Nöldeke2) in einem verwahrlosten Zustand war, wurde 1939 bis auf das Fachwerk abgerissen und vollständig renoviert3), jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört. Eine Photographie zeigt den Zustand des Vorderhauses nach der Renovierung, durch die die Inschriften auf dem Türsturz über dem rundbogigen Eingang (A) und auf dem Schwellbalken des 1. Obergeschosses (B) wieder sichtbar wurden. Zur Zeit Nöldekes war nur die Inschrift des 2. Obergeschosses (C) zu lesen. Damals befand sich im veränderten Erdgeschoß über der Tür eine fünfeckige Wappentafel in Form eines Rechtecks mit aufgesetztem Dreieck, die ursprünglich am Hinterhaus angebracht war. Auf der einen Seite der Tafel inmitten von Ornament das Wappen des Hokenamts, rechts und links davon die Initialen des Steinmetzen und die Jahreszahl (D), am rechten Rand der Tafel ebenfalls Initialen (E), unter dem Wappen die Inschrift F. Die andere Seite war durch die Einmauerung der Tafel zur Zeit Schuchhardts und Nöldekes nicht zugänglich, so daß beide die Rückseite nicht kannten. Sie zeigte ein Relief, Jakob mit der Schafherde, und eine umlaufende Inschrift (G). Die Initialen des Steinmetzen (D) wiederholten sich im Relief, hier mit der Meistermarke (M7).

Am zweigeschossigen Hinterhaus auf der Schwelle des Obergeschosses die Inschrift H, auf der Traufenschwelle die Inschrift I, deren vorderes Drittel zugebaut war4).

Inschriften nach Photographien (A–G) und Leonhardt (H, I).

Maße: Tafel: H.: 83 cm; B.: 90 cm.5)

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A–C), Kapitalis (D–I).

  1. A

    Anno · D(omi)ni · M · ccccc · xlvii

  2. B

    De syne [...]ge [.......]ede keretDe ys eyn [.......................]6)

  3. C

    Wol na de grundtliken warheit [.....]doren ·Vnde de werldt myt der warheyt roren ·De kumpt yn angst yamer vnde nodt ·Vnde mach ock entlich darumme liden den dodt ·7)

  4. D

    L. W.16 49

  5. E

    H. W.

  6. F

    DES A(MTS) D(ER) HOEKEN WAPEN

  7. G

    I · BVCH MOSE XXXDES LABANS / TUCKBRACHT IACOB GLVCK1649

  8. H

    [NI · DEVS · AEDIFICET · FRVSTRA · DOMVS · IL]LA · PARATVR ·QVAM · VOLET · HVMANVS · CONSTITVISSE · LABOR ·8)ANNO · DOMI(NI) · 1577 ·

  9. I

    [...................]BRVNSWICKENSIVM ET LVNEBVRGENSIVM PRINCIPIS DONVM

Übersetzung:

Wenn es Gott nicht baut, wird jenes Haus umsonst erbaut, das menschliches Bemühen errichten möchte. (H)

[...] Geschenk des Herzogs [...] von Braunschweig und Lüneburg. (I)

Versmaß: Ein elegisches Distichon (H).

Wappen:
Hokenamt (drei stehende Heringe, der mittlere bekrönt)

Kommentar

Die Inschrift I am Hinterhaus des Hokenamtshauses läßt darauf schließen, daß Herzog Erich II. von Calenberg den Bau finanzierte. Der Wappenstein von 1648 kann aufgrund der Initialen L.W. der Werkstatt des Hannoverschen Steinmetzen Ludolf Witte zugeordnet werden, der die Vorderseite wohl nicht selbst ausgeführt, sondern dies dem mit H.W. zeichnenden Steinmetzen überlassen hat. Dessen Initialen lassen sich nicht auflösen.

Die Inschrift der Rückseite nimmt Bezug auf die im 1. Buch Moses, Kap. 30, erzählte Geschichte von Jakob und seinem Schwiegervater Laban, der versuchte, Jakob um die ihm als Lohn zustehende Schafherde zu betrügen.

Anmerkungen

  1. Die Mitglieder des Hokenamtes handelten mit Fettwaren, Käsen und Heringen.
  2. Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 654.
  3. Das freistehende Fachwerk zeigen Photographien des Instituts für Denkmalpflege.
  4. Vgl. die Photographie des Hinterhauses bei Peßler, Höfe, S. 29.
  5. Maßangaben nach Schuchhardt, Bildhauer, S. 110, Nr. 76.
  6. Die Inschrift ist auf der Photographie nicht vollständig zu lesen.
  7. Wer nach der grundlegenden Wahrheit [...] und die Welt mit der Wahrheit antreiben, der kommt in Jammer, Angst und Not und kann schließlich dadurch den Tod erleiden.
  8. Bibelparaphrase nach Ps. 126, 1.

Nachweise

  1. Photographien (D 702, 497,2 u. Negnr.19580).
  2. Leonhardt, Straßen und Häuser 1924, S. 81 (C, D, H, I).
  3. Photographien, Wappentafel, Vorderseite: Gedr. bei Schuchhardt, Bildhauer, S. 110, Nr. 76; Rückseite: D 702.
  4. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 90, 95.
  5. Wüstefeld, Hausinschriften, S. 25 (C, D, F, H).
  6. Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 535, 655.
  7. Peßler, Höfe, S. 28 (E, F), Abb. S. 29.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 82† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0008202.