Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 50 Landesgalerie um 1515

Beschreibung

Flügelaltar. Holz mit Leinenüberzug, bemalt. Der Altar befand sich ursprünglich in der Kreuzkirche. Anläßlich der Versteigerung des Inventars der Kreuzkirche gelangte er 1822 in Privatbesitz und wurde 1857 königlich-hannoversches Eigentum. Seit 1925 gehört er zu den Beständen der Landesgalerie Hannover.1) Auf den Außenseiten der Flügel befindet sich eine Verkündigungsszene. Der Engel auf der linken Tafel der Verkündigungsdarstellung trägt einen Stab, um den sich ein Schriftband mit der Inschrift A windet. Auf der rechten Tafel oberhalb der sitzenden Gestalt der Maria ein stark verschlungenes Schriftband mit der Inschrift B, auf ihren Knien ein aufgeschlagenes Buch, darin auf zwei Seiten die Inschrift C, die nur teilweise zu entziffern ist, ansonsten nur aus angedeuteten Buchstaben besteht. Der linke Flügel zeigt innen die Verkündigung des Engels an Joachim im Hintergrund links, die Begegnung von Joachim und Anna am linken Bildrand und als Mittelpunkt des Bildes das Opfer Joachims. Im Bogen über dem dargestellten Altarretabel die Inschrift D. Auf dem rechten Flügel innen die Geburt Marias. Das Mittelbild des Altars zeigt die Heilige Sippe. Die Darstellung der Heiligen Sippe wird gerahmt von plastisch hervorgehobenem Rankenwerk, in das oben und in den beiden unteren Ecken zwölf männliche Halbfiguren eingelassen sind, die entsprechend ihren Schriftbändern Propheten und Apostel darstellen sollen. Eindeutig gekennzeichnet ist nur die zweite Figur oben links, David, mit Krone und Harfe. Um das Astwerk und die Prophetenfiguren schlingen sich in zahlreichen Windungen zwölf Bänder mit Inschriften, die zum Teil kunstvoll ineinandergeschlungen sind (E–O oben von links nach rechts, P linke untere Ecke, Q rechte untere Ecke).

Maße: H.: 156 cm; B.: 136 cm (geschlossen); Bu.: 1 cm (A, B, D), 0,3–0,4 cm (C), 1,2 cm (E–Q).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A, B, D, F), Mischschrift aus Majuskeln und Minuskeln (C), gotische Minuskel mit Versalien (E, G–Q).

Sabine Wehking [1/3]

  1. A

    GRACIA · PLENA · D(OMI)N(V)S (TECV)Ma)2)

  2. B

    ECCE · ANCILLA · D(OMI)NI · FIAT · MICHI · SECVNDVM · VERBVM · TVVM ·3)

  3. C

    Domine ne / in FURORE / TVO ARGUAS / me ne COR/RIPIAS me4)/ QONIAM C(ON)FIRMATA SVNT [.../.../...]5)LauDate [./...] Gentes laudate6) [.../.../.../.../.../.../...]

  4. D

    LAVDATE · DOMINVM · OMNES ·7)

  5. E

    Erit · quasi · oliv(a) · gl(ori)a · e(ius) · osee · 148)

  6. F

    EX[T]E(N)DIT · PALMITES · SVOS · VSQ(VE) · AD · MA(R)E9)

  7. G

    Pla(n)ta(sti) · d(eus) radices · e(ius) · (et) · i(m)plevit · (terram)b) · ps · 7910)

  8. H

    hereditas · sancta · (ne)potes · illi(us) · Eccl · 4411)

  9. I

    radix · stat · (in) sig(num) · p(opulorum) · ysa · 11 · c)12)

  10. K

    h(oc) · gen(us) · electum · ge(n)s · s(an)cta · 1 petri · 213)

  11. L

    ipsum ge(n)tes deprecabantur · ysa 1114)

  12. M

    Et · vsq(ue)d) · flume(n) · p(ro)pagines · e(ius) ·15)

  13. N

    pla(n)ta(vi)t · illa(m)e) · D(omi)n(u)s · Eccl · 4316)

  14. O

    Et · flos · de · radice · e(ius) · asce(n)det · ysa · 11 ·17)

  15. P

    Egredietur · v(ir)ga · de · radixf) · iesse · ysa18)

  16. Q

    [...]dentes [...]19)

Übersetzung:

Gnadenreiche, der Herr ist mit dir. (A) Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast. (B) Herr, beschuldige mich nicht in deinem Zorn und tadele mich nicht ... Lobt ... Völker ... lobt ... (C) Lobt alle den Herrn! (D) Sein Ruhm wird sein wie ein Ölbaum. (E) Er hat seine Zweige ausgebreitet bis zum Meer. (F) Du hast seine Wurzeln eingepflanzt, Gott, und er hat die Erde erfüllt. (G) (...) das heilige Erbe (...) die Nachkommen. (H) Die Wurzel steht als Zeichen der Völker. (I) Dieses ist das auserwählte Geschlecht, das heilige Volk. (K) Ihn selbst flehten die Völker an. (L) Und seine Zweige (breitete er aus) bis zum Strom. (M) Der Herr hat sie gepflanzt. (N) Und eine Blume wird aus seiner Wurzel hervorgehen. (O) Ein Zweig wird hervorgehen aus der Wurzel Jesse. (P)

Textkritischer Apparat

  1. Das M ist hinter einer Windung des Schriftbandes teilweise zu erkennen.
  2. (terram)] Anstelle des Wortes nur Schnörkel, keine erkennbaren Buchstaben.
  3. Durch die Windungen des Schriftbandes bedingt ist der Text unvollständig.
  4. Es fehlt ad.
  5. Sic! Eigentlich illum.
  6. Sic! Eigentlich radice.

Anmerkungen

  1. Vgl. Gmelin, Tafelmalerei, S. 308.
  2. Lc. 1, 28. Das Bibelzitat ist unvollständig, da das Schriftband sich windet.
  3. Lc. 1, 38.
  4. Ps. (G) 37, 2.
  5. Anfang wie Ps. (G) 116, 2: Quoniam confirmata est. Die weiteren Buchstaben lassen sich jedoch nicht mit dem Text des Psalms in Einklang bringen.
  6. Vgl. Ps. (G) 116, 1. Die weiteren Buchstaben lassen sich jedoch nicht mit dem Text des Psalms in Einklang bringen.
  7. Ps. (G) 116, 1.
  8. Os. 14, 7.
  9. Ps. (G) 79, 12.
  10. Ps. (G) 79, 10.
  11. Nach Sir. 44, 11–12, hereditas sancta nepotum illorum.
  12. Is. 11, 10.
  13. 1. Pt. 2, 9.
  14. Is. 11, 10.
  15. Ps. (G) 79, 12.
  16. Sir. 43, 25.
  17. Is. 11, 1.
  18. Is. 11, 1.
  19. Anhand der wenigen Buchstaben läßt sich die Bibelstelle nicht identifizieren. Mithoff (Archiv, S. 7), der sedentes las, vermutete hier ohne Angabe von Gründen Os. 14, 8, entsprechend auch Gmelin (Tafelmalerei, S. 307).

Nachweise

  1. Mithoff, Archiv, S. 7f., Zeichnung Tafel V.
  2. Von der Osten, Katalog der Gemälde, S. 110, Nr. 264.
  3. Gmelin, Tafelmalerei, Nr. 84, S. 307f., Abb. S. 307 u. 309.
  4. Wolfson, Gemälde, Nr. 65, S. 176, Abb. S. 177.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 50 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0005000.