Inschriftenkatalog: Stadt Hannover
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 36: Stadt Hannover (1993)
Nr. 299 Nikolaifriedhof 1631
Beschreibung
Grabstele des Jeremias Sutel. Sandstein. Die Stele steht im vorderen Teil des Nikolaifriedhofes nahe der Kapelle. Die obere Hälfte wird von einem zweigeschossigen Bildteil eingenommen. Im unteren Relief sind Jeremias Sutel und seine Frau links und rechts von dem auferstandenen Christus dargestellt, im oberen die Szene der Ermordung Abners durch Joab – 2. Regum 3 –, in der zugleich der gewaltsame Tod Sutels dargestellt ist. Links unter einem von Säulen getragenen Torbogen ersticht Joab Abner, rechts blicken zwei Figuren von einem Balkon auf eine Stadt im Hintergrund. In der Szene rechts unten die Inschrift A. Auf dem Gesims, das den unteren Bildteil vom oberen trennt, befindet sich ein Schriftband mit der Inschrift B. Die Reliefs werden jeweils von Pfeilern eingerahmt; die unteren sind mit reicher Ornamentik verziert, die sich an der Außenkante der Stele fortsetzt; der obere Bildteil wird außen von zwei weiblichen Halbfiguren eingerahmt. In dem geschwungenen Giebel zwei von geflügelten Frauenfiguren gehaltene Wappenschilde. Die ursprünglich vorhandene Bekrönung und die seitlichen Aufbauten fehlten bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts. In der unteren Hälfte der Stele oben eine außen von zwei Engelsköpfen eingerahmte Kartusche mit der Inschrift C, darunter zwischen zwei Pfeilern als äußerer Begrenzung die Inschrift D, die im unteren Teil stark verwittert ist. Den unteren Abschluß des Steins bildet eine ebenfalls von zwei Engelsköpfen eingerahmte Kartusche ohne Inschrift. Vermutlich sollte hier die Grabschrift der Frau nachgetragen werden. Laut Schuchhardt befinden sich am Fuß des Steins, der in die Erde eingelassen ist, die Initialen des Bildhauers Ludolf Witte (E) und seine Meistermarke (M7). Die Grabstele wurde im 18. Jahrhundert erneut verwendet und erhielt dabei eine Inschrift auf der Rückseite.1)
Inschrift D ergänzt nach Schuchhardt, E nach Schuchhardt.
Maße: H.: 202 cm; B.: 69 cm; Bu.: 3 cm (A), 2,6 cm (B), 2 cm (C), 2,3 cm (D).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
2: REG. 3
- B
O IESV ERBAR(M) DIC MEIN
- C
ECCE AGNVS DEI Q(VI) / TOLLIT PECCATA / MVNDI IOB: 1a)2)
- D
ANNO CHRISTI / 1631 DEN 4 APRILIS ABENDS / ZWIISCHEN 10 VND EILF VHR IST / DER ERBAR KVNSTRICHER VND WOLER/FAHR NER MEISTER HIERMIAS SVTELI=/VS NORTHEIMENSIS BVRGER VND / BILTHAWER IN HANNOVEb) DVRCH EI=/NEN STIC VBE[RS] HERTZ VNSCHVLDIG=/LICH ALS ER [SCH]ON 2 STVNDE AVF SEI/NEM BETTE GELEGEN VND DAVON ABGE/FORDERT WORDEN VERWVNDT DAR/AVF DEN ELFTEN EIVSDEM ABENTS / ZWISCHEN 8 [VND] 9 VHR IN GOTT [SE]/LICH VERSCHEIDEN AETATISc) IM 44 IAHR / DEREN SEELE G[OTT GNA]DE VND [HAT / SEINE HINTER]LASNE WITWE LVCKE / Z[MEDE]S IHR[EM LIBSTEN SALIGEN EHE/MAN DIES GED]ECHT[NI]S SETZEN / [L]ASSE[N]
- E
L W
Übersetzung:
Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt. (C)
Sutel ? (eine Rübe) |
Schmedes ? (rechts eine Hausmarke |
Textkritischer Apparat
- IOB:] Irrtümlich für IOES.
- Sic!
- AETATIS] SEINS ALTERS Mithoff, [....] alters Schuchhardt, Mahrenholtz.
Anmerkungen
- Auf der Rückseite steht I.N.R.I und DIESES IST SAHTRÜBEN BE/GRÄBNIS.
- Joh. 1, 29.
- Zusammengestellt bei Schuchhardt, Bildhauer, S. 83. Zur Biographie Sutels Schuchhardt, Bildhauer, S. 80–92, und Zimmermann, Bildhauer, S. 292–296.
- Leonhardt, Bildhauerschule, S. 82f., und Nöldeke I, S. 735. Noch bei Zimmermann, Bildhauer, S. 292, unkommentiert wiedergegeben.
- B 6946k, fol. 1–27.
- KBA, Kirchenbuch Marktkirche, Trauungen Juni 1623.
- Schuchhardt, Bildhauer, S. 102; Zimmermann, Bildhauer, S. 297.
- StaH, B 7957, fol. 39v-172v, hier fol. 168r.
- Ebd., fol. 172v.
Nachweise
- Schuchhardt, Bildhauer, S. 66, Nr. 104, Abb. Tafel XX.
- Mithoff, Archiv, S. 12, Anm.2.
- Ders., Kunstdenkmale, S. 77f.
- Wüstefeld, Nikolaikapelle, fol. 8 (Zeichnung).
- Mahrenholtz, Grabsteininschriften, S. 106.
Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 299 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0029901.
Kommentar
Jeremias Sutel ist derjenige Hannoversche Bildhauer der Renaissance, mit dem sich die ältere stadtgeschichtliche Forschung am ausführlichsten auseinandergesetzt hat. Dies liegt vor allem an seinem dramatischen Ende, das Anlaß zur Ausschmückung bis hin zur romanhaften Darstellung bot.3) Da bereits detaillierte Biographien Sutels vorliegen, wird hier darauf verzichtet, seinen Lebensweg darzustellen. Die allgemein verbreitete Annahme, Sutel sei als Gehilfe des Hildesheimer Bildhauers Jonas Wulf 1618 nach Hannover gekommen4), kann anhand der Quelle, auf die sich die Forschung bezieht, nicht bestätigt werden. Vielmehr vermittelt das Borngüldenregister aus dem Jahr 1619 den Eindruck, daß Sutel sich schon länger in Hannover aufhielt und selbständig arbeitete, da kein Herkunftsort genannt wird und Sutel immer als Bildthawer bezeichnet ist.5) (Hierzu Nr. 266.) Am 8. Juni 1623 heiratete Sutel die aus Hannover stammende Lucke Schmedes.6) Von den hier als Inschriftenträgern behandelten Stücken kann sicher nur das signierte Epitaph der Familie Vasmer (Nr. 298) als Werk Sutels gelten (vgl. hierzu S.XXXI). Die Grabstele für Sutel selbst fertigte der Hannoversche Bildhauer Ludolf Witte, der allgemein als Schüler Sutels angesehen wird.7)
Die Inschrift D gilt neben den städtischen Gerichtsprotokollen als wichtigstes Zeugnis für die Ermordung Sutels. In den Gerichtsprotokollen ist vermerkt, was für ein friedliebender Gottfurchtiger Mensch der entleibter Herr Jeremias Suteln gewesen, also, das er auch keinen Menschen wissentlich offendirt oder beleidiget auch ex attestationibus befunden erscheine das er guter wollmeinung inn blossen Himde zu den Oppreßor nachdes von seinem Bette forderten kommen.8) Der Mörder Sutels, der Maler Erich Meier aus Hameln, wurde direkt nach der Tat festgenommen, aber erst im darauffolgenden Jahr am 3. August hingerichtet, da sein Prozeßvertreter bemüht war, das Todesurteil immer wieder hinauszuzögern. Aufgrund der klaren Sachlage kam jedoch eine Begnadigung nicht in Frage.9) Hinweise auf die Motive Meiers für seine Tat gibt es nicht.