Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 274† Marktkirche 1621

Beschreibung

Epitaph des Dietrich von Anderten.1) Sandstein. Reste des im Zweiten Weltkrieg stark beschädigten Epitaphs, das sich früher auf der Orgelempore befand, hängen noch heute in entsprechender Höhe an der westlichen Querwand im nördlichen Seitenschiff. Von dem reich gegliederten Epitaph sind nur noch der Mittelteil – ohne die ursprünglich vorhandenen architektonischen Vorbauten – und die Inschriftentafel erhalten: Im zentralen Bildfeld ein Relief der Grablegung Christi, links davon eine Nische mit der Darstellung der drei Frauen am Grab2); darüber ein von drei – heute leeren – Nischen umgebenes Relief der Auferstehung, auf dem oberen Rahmen des Bildfeldes die Künstlerinschrift A; unterhalb des Grablegungsreliefs eine querrechteckige Tafel mit der Inschrift B.

Photographien, die den unbeschädigten Zustand des Epitaphs wiedergeben, zeigen, daß die beiden großen Reliefs im Mittelteil durch davorstehende Säulen mit begleitenden Figuren in den Hintergrund traten. Vor dem unteren Säulenpaar standen auf Sockeln zwei Putten, vor dem oberen die Figuren des Petrus mit Schlüssel und Buch und Paulus mit Schwert und Buch, die über das von den Säulen getragene Gesims hinausragten. Die beiden Säulenpaare ruhten auf seitlich weit vorspringenden Gesimsen der darunter befindlichen Zonen, die vorne insgesamt vier Wappenschilde trugen; die Inschriftentafel war von – entsprechend dem darüber befindlichen Gesims – weit vorspringendem Rollwerk und zwei Putten als Trägerfiguren eingerahmt. Auf einem rundbogigen Vorsprung des Gesimses unterhalb der Tafel befand sich eine vollplastische Figur, die den Verstorbenen in Bethaltung darstellte und die Inschriftentafel fast verdeckte. Den unteren Abschluß des Epitaphs bildete eine von Engelsfiguren und Rollwerk umgebene ovale Kartusche mit einer Inschrift, die jedoch auf den Photographien nicht zu lesen ist. Überliefert ist lediglich ein Regest dieser Inschrift (C)3), das – wie ein Vergleich mit der Photographie zeigt – den Text erheblich verkürzt wiedergibt. Den oberen Abschluß bildete ein kleiner, aus drei Säulen mit daraufliegendem Gesims bestehender Rundbau, darin die Figur des Jacobus mai. mit Stab und Buch; über dem Rundbau eine Erlöserfigur. Darüber hinaus war das Epitaph mit Rollwerk, Maskenköpfen und Putten verziert.

Inschrift C in Regestenform nach Inscriptiones. − Fraktur (A), humanistische Minuskel (B, C).4)

Sabine Wehking [1/2]

  1. A

    Adam Stenelt Bildthawer 1621

  2. B

    D(eo) O(ptimo) M(aximo) S(acrum) /Hac Andertiades posuit Theodorus in urna /Corporis exuvias post pia fata sui./Vir pius et placidusa) virtutum luce coruscus,/Patricij generis splendorb) honosq(ue) sui./Transiit e Vivis ad sanctac) palatia Coeli /Et celebrat summum voce frequented) Deu(m).

  3. C

    [Dietericus ab Anderten Ludolfi filius praefectus Lundensis per 5 et Erenburgensis per 19 annos obiit A(nno) 1619 d(ie) 17. Nov(embris) aetat(e) 51.]

Übersetzung:

Dem höchsten und größten Gott geweiht. In diesem Grab hat Dietrich von Anderten die sterbliche Hülle seines Körpers nach einem frommen Tod abgelegt. Der fromme und friedfertige Mann erstrahlte im Licht der Tugenden. Er war der Glanz und die Zierde seines Patriziergeschlechts. Er ging von den Lebenden zu den heiligen Palästen des Himmels, und er feiert den höchsten Gott mit eifriger Stimme. (B)

Dietrich von Anderten, Sohn des Ludolf (von Anderten), Amtmann von Lühnde für fünf (Jahre) und von Ehrenburg für 15 (Jahre), starb im Jahr 1619 am 17. November im Alter von 51 Jahren. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Wappen:
von Anderten (?)5)
von Limburg (drei Widderköpfe)
? 5)
von Hake (zwei gekreuzte Haken, darüber eine Rose)

Kommentar

Bei der Schriftform der Inschriften B und C handelt es sich um keine rein humanistische Minuskel, sondern um eine Mischschrift, die auch Elemente der Fraktur aufweist. Durch die weiten Anschwünge der Kapitalisversalien und die Rechtsneigung der Buchstaben erhält die Schrift einen kursiven Charakter.

Der Bildhauer Adam Stenelt, der die Epitaphien für Dietrich von Anderten und dessen Vetter Joachim von Anderten (vgl. Nr. 269)6) anfertigte, stammte aus Osnabrück. Er läßt sich von 1606, dem Datum seiner Niederlassung in Osnabrück, bis 1631 als Bildhauer nachweisen.7) Namentlich nennt sich Stenelt auch auf einem Epitaph aus dem Mindener Dom.8) Darüber hinaus werden ihm mehrere Epitaphien in Minden und in Osnabrück zugeschrieben.9)

Die auf dem Epitaph angebrachten Wappen erweisen Dietrich von Anderten als Sohn der Anna Hake (Nr. 138) und des Ludolf von Anderten.10) Dietrich von Anderten wurde 1619 im Chor der Marktkirche begraben.11)

Textkritischer Apparat

  1. placidus] praestans Ising.
  2. splendor] sydus Ising.
  3. sancta] summa Ising.
  4. frequente] sonante Ising.

Anmerkungen

  1. Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 111, ordnet das Epitaph irrtümlich Joachim von Anderten zu.
  2. Auf den Photographien, die den ursprünglichen Zustand des Epitaphs wiedergeben, sind Teile durch den Vorbau verdeckt; so auch die entsprechende – heute zerstörte – Szene auf der linken Seite. Nach Schuchhardt hat es sich dabei um die Vision der Maria Magdalena gehandelt.
  3. Inscriptiones, fol. 246v.
  4. Die Maße können aufgrund der Höhe, in der das Epitaph angebracht ist, nicht angegeben werden. Die Angaben bei Schuchhardt erscheinen in Relation zu dem auf derselben Photographie (Tafel XLV) abgebildeten Epitaph Nr. 269 nicht korrekt.
  5. Die Abbildungen lassen die Wappen auf der linken Seite des Epitaphs nicht erkennen.
  6. StaH, Nachlaß Leonhardt, Genealogica, von Anderten.
  7. Vgl. DI XXVI (Osnabrück), Nr. 199, S. 165.
  8. Das Epitaph des Hieronymus von Grapendorf aus dem Jahr 1622 befindet sich heute in der Kirche St.Mauritius in Minden.
  9. Zu Stenelt vgl.: Ursula Stiff, Adam Stenelt, phil.Diss. (masch.), Münster 1948; Ferdinand Koch, Die Groninger, Münster 1905, Beiträge zur westfälischen Kunstgeschichte 1, S. 138ff.
  10. Ludolf von Anderten († 1626) war der Sohn des Dietrich von Anderten und der Barbara von Limburg. Vgl. die Ahnenprobe seines Epitaphs (Nr. 230) und die Genealogie Leonhardts (wie Anm6). Leonhardt verzeichnet allerdings nur eine Tochter Ludolfs.
  11. Begräbnisbuch Marktkirche, LkA, Hannover, Marktkirche, HS. 1, p. 9.

Nachweise

  1. Inscriptiones, fol. 243v (C).
  2. Ising, S. 61 (B).
  3. Schuchhardt, Bildhauer, S. 168 (A), Abb. Tafel XLV.
  4. Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 111 (A).

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 274† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0027400.