Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 253† Marktkirche 1611

Beschreibung

Epitaph des Hektor Mithoff. Sandstein. Das Epitaph, das ursprünglich im Chor der Marktkirche hing, wurde im 19. Jahrhundert in den Turm versetzt und dort im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Beschreibung erfolgt nach alten Aufnahmen, die teilweise auch die Lesung der Inschriften erlauben. Die mittlere Zone des Epitaphs bestand aus einem hohen Sockel, vor dem auf einem Vorsprung des darunter befindlichen Gesimses die Stifterfamilie in vollplastischen Figuren unter dem am Sockel angebrachten Kreuz kniete. Das Kreuz trug den Titulus A. In der Mitte über dem Sockel ein Relief der Auferstehung, das von zwei in Nischen stehenden Frauenfiguren (Tugenden) und seitlich angebrachtem Rollwerk eingerahmt wurde. Vor den Nischenwänden standen Säulenpaare, die ein seitlich vorspringendes Gesims trugen. Auf den Vorsprüngen des Gesimses zwei Wappenschilde, deren Inhalt die Abbildungen jedoch nicht erkennen lassen. Über dem Gesims unter einem Rundbogen ein Relief der Pfingstszene, eingerahmt von – ursprünglich zwei1) – vor Nischen stehenden Frauenfiguren, die linke war durch einen Kelch als Fides gekennzeichnet. Oberhalb der Nischen seitlich des Rundbogens zwei Putten. Bekrönt wurde das Epitaph von einer Erlöserfigur. Der untere Teil wurde nach oben durch das Gesims abgeschlossen, auf dem die Stifterfamilie kniete. Auf dem Fries befand sich die Inschrift B. Darunter eine Tafel mit den Inschriften C und D, die von weit vorspringenden, das Gesims tragenden Voluten eingerahmt wurde; seitlich der Voluten Rollwerk. Den unteren Abschluß des Epitaphs bildete eine von Rollwerk und zwei Engelsfiguren umrahmte Kartusche mit der Inschrift E. Im Rollwerk links eine geflügelte Frauen-, rechts eine Männerfigur.

A, B, D, E nach Photographie; C nach Redecker, weitgehend an Photographie überprüft.

Maße: B.: 225 cm.2)

Schriftart(en): Kapitalis.

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [1/1]

  1. A

    I·N·R·I

  2. B

    HER WEN ICH NUHR DICH HABE FRAGE ICH NICHT NACH HIMMEL UND ERDEN.3)

  3. C

    QVIS IACET HIC. DOCTOR MEDIC(US) MITHOBI(US) HECTOR /BURCHARDO MEDICO DE GENITORE NATUSa)/OB RARAS DOTES OB VIRTUTESQUE CELEBRES /HANNOVERAE CLARUM QUI DECUS URBIS ERAT /ARTE SVA FELIX LONGO FELICIOR USU /IN QUIBUS HAUD HABUIT SAXONIS ORA PAREM./PECTORE SINCERUSb) VULTU GRAVIS ORE DISERTUS /IN VERA FIDEI RELLIGIONE TENAX./QUEM PROBITAS QUEM PRISCA FIDES QUEM PATRIA VIRTUS /QUEM SORS EXIMYS AUXERAT AMPLA BONIS./UNDE NEC IMMERITO POPULO DILECTUS AB OMNI /PRINCIPIBUS CHARUS NOBILIBUSQ(UE) VIRIS /CAETERA QUI QUAERIS DEFUNCTI CONSULE FAMAM /HAEC TIBI CUNCTORUM MAXIMA TESTIS ERIT.

  4. D

    F. H. / D: D: S: ECc)

  5. E

    MONUMENTUM HOC / MOESTI POSUERE HAEREDES / HECTOR I(URIS) U(TRIUSQUE) D(OCTOR) (ET) ILL(USTRISSIMI) D(OMI)N(I) FRANS(ISCI) D(UCIS) SAXON(IAE) / ANG(RIAE) (ET) WESTPH(HALIAE) CANCELLARIUS. / MAURITIUS. REV(ERENDI) (ET) ILL(USTRISSIMI) DU(CIS)d) HEN(RICI) IULY / D(UCIS) B(RUNSWICENSIS) (ET) LUNAEB(URGENSIS) P(RAE)FECDUSe) IN SEHESEN / CONRADUS REV(ERENDORUM) (ET) ILL(USTRISSIMORUM) D(OMINORUM) D(UCUM) ERN(ESTI) (ET) CHRIST(IANI) / EP(ISCOPORUM) MIND(ENSIUM) D(OMINORUM) D(UCUM) BR(UNSWICENSIUM) (ET) LUNAEB(URGENSIUM) MEDICUS / ELISABETHE D(OMI)N(I) LAU(RENTII) WOLCKENHARS / MARIA D(OMI)N(I) HEN(RICI) STALMANS / UXORES / A(NNO) C(HRISTI) 1611

Übersetzung:

Wer liegt hier? Der Arzt Hektor Mithoff, Sohn des Arztes Burkhard (Mithoff). Er war wegen seiner seltenen Gaben und seiner bekannten Tugenden als eine berühmte Zierde der Stadt Hannover erfolgreich in seiner Kunst, erfolgreicher noch durch ihre lange Ausübung; in dieser Hinsicht hatte das sächsische Land nicht seinesgleichen. Er war reinen Herzens, würdevollen Angesichts, redegewandt und beharrlich in aufrichtiger Glaubensausübung. Ihn hatte die Rechtschaffenheit, der altüberkommene Glaube, die väterliche Tugend und ein glückliches Schicksal mit herausragenden Gütern überhäuft. Daher war er völlig zurecht bei der ganzen Bevölkerung beliebt, den Fürsten und Adligen teuer. Der du noch weiteres wissen willst, befrage den Ruhm dieses Toten: dieser wird dir der bedeutendste Zeuge von allen sein. (C)

Dieses Denkmal haben die betrübten Erben gesetzt: Hektor, Doktor beider Rechte und Rat des erlauchten Herrn Herzog Franz von Sachsen, Engern und Westfalen; Moritz, Amtmann des ehrwürdigen und erlauchten Herzogs Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, in Seesen; Konrad, Arzt der ehrwürdigen und erlauchten Herren Herzöge Ernst und Christian, Bischöfe von Minden, der Herren Herzöge von Braunschweig-Lüneburg; Elisabeth, des Herrn Laurentius Wolckenhaar, Maria, des Herrn Heinrich Stalmann Gattin. Im Jahr Christi 1611. (E)

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Kommentar

Hektor Mithoff wurde am 20. Dezember 1532 in Marburg geboren.4) In der ersten Jahreshälfte 1543 immatrikulierte er sich an der dortigen Universität5), am 4. Juli 1549 an der Universität Wittenberg6). Die Feststellung H.W.H. Mithoffs, sein Vorfahre habe außerdem an den Universitäten Leipzig und Bologna studiert und in Bologna 1559 die Doktorwürde erworben, ließ sich anhand der entsprechenden Matrikeln nicht nachweisen. 1567 wurde Hektor Mithoff zum ersten nachweisbaren Stadtphysikus in Hannover bestellt.7) Sein Amtsantritt stand vermutlich in Zusammenhang mit der 1566 in Hannover grassierenden Pest. 1607 erwarb Hektor Mithoff für sich und seine Frau einen Begräbnisplatz im Chor der Marktkirche und bezahlte dafür 108 Florin.8) Noch im selben Jahr, am 23. April 1607 starb Mithoff, seine Frau ein Jahr später am 12. Mai 1608.9)

Textkritischer Apparat

  1. NATUS] satus Ising.
  2. SINCERUS] fincerus Ising.
  3. EC] Lesung unsicher. Die Buchstabenfolge kann nicht aufgelöst werden. Mithoff liest die letzten drei Buchstaben als & F. C., gibt aber auch keine Auflösung der Abkürzungen.
  4. DU(CIS)] DN. Mithoff.
  5. Sic!

Anmerkungen

  1. Die rechte Figur war Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr vorhanden.
  2. Angabe nach Schuchhardt, Bildhauer, S. 167. Die Höhe ist dort nicht verzeichnet.
  3. Ps. 73, 25.
  4. Hector Wilhelm Heinrich Mithoff, Mittheilungen über die Familie Mithoff bürgerlicher und geadelter Linie, Hannover 1881, S. 10.
  5. Matrikel Marburg (1527–1628), S. 41.
  6. Matrikel Wittenberg, Bd. 1, S. 247a.
  7. Jürgens, Chronik, S. 314. Vgl.a. Neithard Bulst, Vier Jahrhunderte Pest in niedersächsischen Städten. In: Stadt im Wandel, Bd. 4, S. 251–270, hier S. 259.
  8. Begräbnisbuch der Marktkirche, LkA, Hannover, Marktkirche, HS. 1, fol. 6r.
  9. KBA, Kirchenbuch Ägidienkirche, Todesfälle, April 1607 und Mai 1608.

Nachweise

  1. Redecker, Bd. 2, fol. 18v (C).
  2. Ising, S. 41f. (C).
  3. Mithoff, wie Anm.4, S. 10.
  4. Schuchhardt, Bildhauer, S. 167 (B und Anfang von C), Abb. Tafel XLIV.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 253† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0025301.