Inschriftenkatalog: Stadt Hannover

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 36: Stadt Hannover (1993)

Nr. 70† Nikolaikapelle (1540)

Beschreibung

Epitaph des Autor Sander. Bei den Hannoveraner Chronisten findet die Grabschrift mit keinem Wort Erwähnung. Gewisse Zweifel an ihrer Ausführung können daher nicht ausgeräumt werden, auch wenn die Inschrift bei Neofanius mit dem Vermerk versehen ist, sie sei an der Nikolaikirche zu sehen.

Inschrift nach Neofanius.

  1. Quisquis iter facis hac quali quin perlegis octoFinierim vitaea) tramite lustra meae.Quid properas? Age siste gradum dilecte viatorCur piget hic mecum vel duo verba loqui?Sum Sanderus ego verae pietatis amatorMe procul a patrio summovet illa solo.Brunopoli natum docuit me Lipsia musasHannoverae officii sunt monumenta mei.Hic ego composui rebus civile novatisDissidium et studio est pax renovata meo.Hic varios subii pro relligione labores.Verum hoc judicium posteritatis erit.At mortalis eram quae sunt mortalia liquiEt posito solida corpore pace fruor.

Übersetzung:

Wer auch immer du bist, der du hier des Weges kommst, warum liest du nicht, auf was für einem Weg ich vierzig Jahre meines Lebens beendet habe? Was eilst du? Bleibe stehen, lieber Wanderer, warum verdrießt es dich, hier mit mir auch nur zwei Worte zu wechseln? Ich bin Sander, ein Freund der wahren Frömmigkeit, und diese hält mich weit vom heimatlichen Boden fern. In Braunschweig geboren hat mich Leipzig die Wissenschaften gelehrt, in Hannover ist die Erinnerung an meine berufliche Tätigkeit (lebendig). Hier habe ich einen Bürgerzwist durch Neuerungen geschlichtet und durch meine Bemühung wurde der Frieden wiederhergestellt. Hier habe ich mannigfaltige Anstrengungen für den Glauben auf mich genommen. Das wahre Urteil darüber steht der Nachwelt zu. Aber ich war sterblich, ich habe das Sterbliche zurückgelassen, und ich genieße den dauerhaften Frieden, nachdem der Körper beigesetzt ist.

Versmaß: Elegische Distichen.

Kommentar

Autor Sander, der nach den Angaben seiner Grabschrift um 1500 in Braunschweig geboren wurde, immatrikulierte sich im Sommersemester 1520 an der Universität Leipzig.1) Seit 1524 trat er in Braunschweig als Verfechter der Reformation auf und verfaßte Artikel, in denen die Durchführung der Reformation in den Kirchen der Stadt gefordert wurde.2) 1528 schrieb Sander auf Bitten einiger dem Protestantismus zugeneigter Hildesheimer Bürger eine an de Christen tho Hildesem gerichtete theologische Abhandlung, in der er die lutherische Glaubenslehre gegenüber dem katholischen Standpunkt herausarbeitete. 1533 kam er auf Empfehlung des Braunschweiger Rates als erster evangelischer Syndikus nach Hannover.3) Dort heiratete Sander, dessen erste Frau kurz vor seinem Weggang aus Braunschweig gestorben war4), im Jahr 1537 Lucia von Anderten5). Über seine Tätigkeit in Hannover ist kaum etwas bekannt. Kurz vor seinem Tod hatte sich Sander im Sommer 1540 in Geschäften nach Braunschweig begeben, wo er an einer Seuche starb.6)

Die Grabschrift für das Epitaph wurde von Rudolf Möller, einem der ersten evangelischen Pastoren an der Marktkirche, verfaßt, mit dem Sander während seiner Tätigkeit in Hannover zusammengearbeitet hatte.7)

Textkritischer Apparat

  1. vitae] vita Rehtmeier.

Anmerkungen

  1. Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 574.
  2. Zur Biographie Sanders vgl. Paul Tschackert, Autor Sander. In: Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 9, 1904, S. 2–21.
  3. Hohmeister vermerkt in seinem Chronicon, Sander sei gegen Ende des Jahres 1533 nach Hannover gekommen (Hohmeister, Aufzeichnungen, S. 213). Im Verzeichnis der Ratsmitglieder, Stadtbediensteten und Werkmeister (StaH, B 8292, p. 318) wird Autor Sander in einem Eintrag von 1534 als vom Braunschweiger Rat für die Stelle des Syndicus empfohlen genannt. Das entsprechende Schreiben des Braunschweiger Rates ist gedruckt in: Hannoversches Magazin, 1843, S. 367.
  4. Vgl. das Empfehlungsschreiben des Braunschweiger Rates (wie Anm.3).
  5. Vgl. StaH, Nachlaß Leonhardt, Genealogica, von Anderten.
  6. Der Brief Sanders an den Hannoverschen Rat vom 16. August 1540, den Tschackert (wie Anm.2, S. 18f.) in Auszügen wiedergibt, ist zur Zeit im Stadtarchiv Hannover nicht auffindbar.
  7. Angabe bei Neofanius.

Nachweise

  1. Melchior Neofanius, Catalogus et Historia Concionatorum, quia Repurgatione Doctrinae Evangelii in Ecclesia Brunsvicensium docuerunt ..., Hamburg o.J. (keine Seitenzählung).
  2. Rehtmeier, Braunschweigische Kirchenhistorie, T.3, S. 113.

Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 70† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0007002.