Inschriftenkatalog: Stadt Hannover
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 36: Stadt Hannover (1993)
Nr. 29 Historisches Museum 1480
Beschreibung
Andachtsbild, sogenannter „Grabstein der sieben Männer“. Sandstein. Das Andachtsbild befand sich ursprünglich an der Außenwand der Marienkapelle vor dem Ägidientor. Von dort wurde es 1654 an die Ägidienkirche versetzt, wo es an einem Chorstrebepfeiler angebracht war.1) Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Original in das Historische Museum gebracht. An der Ägidienkirche befindet sich heute eine Kopie. Der Stein hat die Form einer Stele; in der unteren Hälfte in einem vertieften Feld ein Relief, das sieben Männer in Bethaltung darstellt, darüber die dreizeilige Inschrift. Oberhalb der eingehauenen Inschrift verjüngt sich die Stele zu einem Schaft, dessen vertiefte Mitte einen Wappenschild mit dem Hannoverschen Kleeblatt trägt. Dem Schaft ist ein Medaillon aufgesetzt, daran vier halbkreisförmige Ausbuchtungen. In dem Medaillon ein Relief, das Maria und Johannes unter dem Kreuz zeigt.
Maße: H.: 244 cm; B.: 58 cm; Bu.: 5–5,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
gia) · riknb) · un(de) arm/en ·lat(et)c) · iu · dese(n)d) · dot / erba(r)me(n) ·2)mcccclxxx
Textkritischer Apparat
- gi] Al j Wüstefeld.
- rikn] rieken Wüstefeld.
- lat(et)] lat Nöldeke.
- Es befinden sich über beiden e Kürzungsstriche.
Anmerkungen
- Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 125, und Hesse, Wahrzeichen, S. 2.
- Ihr Reichen und Armen, laßt euch diesen Tod erbarmen.
- Reiche/Heiliger, fol. 10r.
- Diese Bezeichnung geht auf eine gleichnamige Erzählung des Wilhelm Blumenhagen zurück, in der die Legende verarbeitet wurde.
Nachweise
- Redecker, Bd. 1, fol. 208v (Zeichnung) u. fol. 209r.
- Reiche/Heiliger, fol. 9v (Zeichnung).
- Mithoff, Archiv, S. 5.
- Ders., Kunstdenkmale, S. 72.
- Wüstefeld, Ägidienkirche, fol. 5.
- Schuchhardt, Bildhauer, S. 37, Nr. 2, Abb. Tafel I.
- Nöldeke, Kunstdenkmäler I, S. 125f., Abb. 72.
Zitierhinweis:
DI 36, Stadt Hannover, Nr. 29 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di036g006k0002902.
Kommentar
Mit dem Stein verbindet sich die Legende, bei dem – gescheiterten – Versuch Herzog Heinrichs d.Ä., die Stadt Hannover einzunehmen, seien im Döhrener Turm sieben Männer verbrannt. Reiche/Heiliger haben ihre Zeichnung der Stele mit dem Kommentar versehen: Epitaphium derer auf dem Dörener Thurm zu Tode geschmauchet seyn sollenden Hannoverschen Bürger.3) Diese Formulierung drückt bereits einen gewissen Zweifel der Verfasser gegenüber dem Wahrheitsgehalt der Legende aus. Die Legende von den sieben Männern, die auch als die „Hannoverschen Spartaner“ bezeichnet werden4), gründet sich lediglich auf den Bildteil der Stele, nicht auf chronikalische Überlieferung. Tatsächlich ereignete sich der Überfall Heinrichs d.Ä. auf die Stadt im Jahr 1490 und ist daher nicht mit der Jahreszahl 1480 auf dem Stein in Einklang zu bringen. Die Legendenbildung dürfte auf einer falschen Auslegung der Inschrift beruhen; der in der Inschrift thematisierte Tod wurde irrtümlich auf die sieben in Bethaltung dargestellten Männer bezogen, nicht auf den im Medaillon dargestellten Tod Christi. Die zufällig als sieben Personen Dargestellten stehen stellvertretend für die in der Inschrift angesprochenen Reichen und Armen, die der Tod Christi erbarmen soll.