Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 118† St. Bonifatii nach 1618

Beschreibung

Epitaphien des Johannes Falke (A) und seiner Eltern Johannes und Anna Falke (B). Dunkelroter Stein. Nach Angaben Herrs1) waren die Epitaphien gleich gestaltet und nebeneinander an der Bibliothek des Stifts (heute Elisabethkapelle) angebracht.

Inschriften nach Herr.

  1. A

    Falconius ad viatoremLivida dum vixi sine iurea) calumnia vitamPestifero carpsit saevius angue meamIngratosque habui quibus est mens laesa maligneDiscipulos illinc vulnera cordis aloVivo sed hac liber Christo iam mortuus expersb)Invidiae superas incolo mente domosSummus et omnipotens Deus aequa lance Monarchadigna bonis tribuat praemia digna malis

    obiit 27 Januar(ii) a(nn)o Christi 1618

  2. B

    Epitaphium Piissimae honestissimaeque Matronae Annae Coniugis D(omini) M(agistri) Johannis Falconii PhysiciHoc pia Falconis coniux iacet Anna sepulchrocondita cura viri maxima spesque suiQui medicos inter Doctos uti praevalet omnessic in foemineo luxc) erat illa choroQuinque patri peperit natos foecunda puellasquatuor, hic secum de quibus una cubatServiit assidua Christo pietate benignoIn coelis Christi gaudia laeta colit

    obiit a(nn)o Christi 1577d) d(ie) X Dec(embris) mane hora 4 Margareta filia ob(iit) 30 Mart(ii) ipso Die Paschae 1578 Georg filius ob(iit) XI Maii a(nn)oDo(mini) 1579

  3. C

    M(agistro) Johanni Falconio Medico et Physico

    Vixi et nascenti quod fata dedere peregitransitus mihi mors transitus ille fuitVespere sanus eram vovi me mane sepulchroNon potui brevius splendidiusve moriRaptus amore Dei ceu Falco sub astra volaviet meliore loco vita reperta mihiQuis sim quis fuerim nostis Medicina reliquitme Medicum Parcis ars mea risus eratLector disce tuos alieno in funere casusScitoe) tuas etiam sic properaref) diesMortuus 2. Dec. 1586

Übersetzung:

Die Worte des Falke an den Vorübergehenden:

Solange ich lebte, hat neidische Verleumdung ohne Grund schlimmer als eine verderbenbringende Schlange mein Leben versehrt. Ich habe Schüler gehabt, die eine undankbare Gesinnung an den Tag legten, durch die auf bösartige Weise mein Inneres verletzt wurde, deshalb nähre ich die Wunde in meinem Herzen. Aber frei davon lebe ich jetzt, tot, für Christus [und] bewohne frei von Neid mit meiner Seele die himmlischen Wohnungen. Der höchste und allmächtige Gott möge als König mit ausgeglichener Waagschale den Guten ihren verdienten Lohn geben wie den Bösen den ihren.

Er starb am 27. Januar im Jahr Christi 1618. (A)

Epitaph der überaus frommen und hochgeschätzten Frau Anna, der Gemahlin des Physikus Magister Johannes Falke.

In diesem Grab liegt Anna, die fromme Gemahlin des Falke, der seine größte Liebe und seine größte Hoffnung galt, begraben. Wie dieser unter allen gelehrten Medizinern hervorragt, so war sie ein Licht im Kreise der Frauen. Fruchtbar gebar sie dem Vater fünf Söhne, vier Mädchen, von denen eins hier mit ihr begraben liegt. Sie diente unserem gütigen Christus in beständiger Frömmigkeit. Fröhlich genießt sie Christi Freuden im Himmel.

Sie starb am 10. Dezember im Jahr Christi 1577 um vier Uhr früh. Die Tochter Margareta starb am 30. März, am Ostertag, 1578. Der Sohn Georg starb am 11. Mai im Jahr des Herrn 1579. (B)

Dem Medikus und Physikus Magister Johannes Falke.

Ich habe gelebt und habe vollbracht, was das Schicksal mir bei der Geburt aufgegeben hat. Der Tod war mir ein Übergang, nichts als ein Übergang ist er gewesen: Am Abend war ich noch gesund, am Morgen weihte ich mich dem Grabe. Kürzer oder auf glanzvollere Weise hätte ich nicht sterben können. Hinweggenommen von der Liebe Gottes, bin ich wie ein Falke zu den Sternen entflogen, und an diesem besseren Ort ist mir das Leben zuteil geworden. Wer ich bin, wer ich gewesen bin, wißt ihr. Die Medizin verließ mich, den Arzt. Den Parzen war meine Kunst ein Gespött. Leser, lerne über dein Schicksal an einem fremden Grab, wisse, daß auch deine Tage so schnell dahingehen.

Er starb am 2. Dezember 1586. (C)

Versmaß: Distichen.

Kommentar

Der Hamelner Arzt Johannes Falconius d.Ä. hat neben kleineren Arbeiten über die Grafen von Spiegelberg 1579 eine Genealogie der Grafen von Lippe verfaßt2), sowie ein Epigramm über die spiegelbergische Stiftung der Vikarie St. Anna und St. Mauritius in der Hamelner Münsterkirche St. Bonifatii (vgl. Nr. 72). Sein Sohn gleichen Namens hat wahrscheinlich das Epitaph für sich und seine Eltern setzen lassen. Johannes Falconius Junior ist im März 1582 in der Matrikel der Universität Rostock verzeichnet3). Er war wie sein Vater Arzt mit dem akademischen Grad eines Lizentiaten der Medizin.

Textkritischer Apparat

  1. sine iure] So Herr 4; iure Herr 1, 2.
  2. expers] capers Herr.
  3. lux] So Herr 4; tax Herr 1, 2.
  4. 1577] 1677 Herr, von der Hand eines Korrektors in der Handschrift Herr 2 in 1577 geändert.
  5. Scito] So Herr 4; Scrito Herr 1, 2.
  6. properare] prosperae Herr.

Anmerkungen

  1. Vgl. Herr, S. 163.
  2. Vgl. Neukirch, S. 81.
  3. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 206b.

Nachweise

  1. Herr, S. 162f.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 118† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0011803.