Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 72† St. Bonifatii 1568

Beschreibung

Tafel an der Wand über dem Kirchenstuhl der Grafen von Spiegelberg mit einer gemalten Inschrift. Der Text ist innerhalb einer Akte der Vikarien- und Memorienstiftungen des Bonifatius-Stifts zweimal überliefert. Überlieferung a gibt das Epigramm auf einem einzelnen Pergamentblatt vollständig wieder.1) In Überlieferung b fehlen die Verse 5 und 6.

Inschrift nach HSTA Hannover, Hann. 75, 1862. Überlieferung a.

  1. Spiegelbergiacae domus alto e stemmate natusComes pius MauritiusQuando fuit Comiti Armegardis qua(m) Lyppica iactatDomus locata nuptujAEternos reditus sacram fundavit ad AramQuae stabat hoc pio locoa)Nunc vice conversa Symon de sanguine cretusHermannus ille LyppiaeSpiegelbergiacae nec non de stirpe superstesSymonis uxor VrsulaAmbo pares pietate pares virtutibus istudGenus suum decentibusFalconij medicam tractantis gnauiter artemHos contulere filijsb)Vivite foelices simul et requiescite paceIn pace tranquillissimaQui primum hos sacros reditus fundastis ad vsusQui contulistis et modoVos condigna manent aeternae praemia vitaeManet corona gloriae24 Augusti / 1568

Übersetzung:

Der aus dem hohen Geschlecht des Spiegelbergischen Hauses stammende fromme Graf Moritz stiftete, als ihm Armgard, deren sich das Lippische Haus rühmt, vermählt wurde, immerwährende Einkünfte für den Altar, der sich an diesem heiligen Ort befand. Jetzt haben wiederum Hermann von Lippe, Sohn des Symon und die noch lebende Frau des Symon, Ursula, aus dem Geschlecht Spiegelberg, beide einander gleich an Frömmigkeit und an Tugenden, die sich für ihr Geschlecht ziemen, diese Einkünfte den Söhnen des Falconius, der mit Eifer die medizinische Kunst ausübt, übertragen. Lebt zugleich glücklich und ruht in Frieden, in tiefstem Frieden, ihr, die ihr diese Einkünfte zuerst für den kirchlichen Gebrauch gestiftet habt. Auf euch aber, die ihr sie jetzt übertragen habt, wartet der verdiente Lohn des ewigen Lebens und die Krone der [ewigen] Ehre. Am 24. August 1568.

Versmaß: Distichen aus einem Hexameter und einem jambischen Dimeter2), teilweise prosodisch fehlerhaft.

Kommentar

Die Inschrift erinnert an die Stiftung der Spiegelbergischen Vikarie. Nach der Überlieferung der Inschrift und der mit ihr im Zusammenhang stehenden Quellen haben 1416 Graf Moritz von Spiegelberg und seine Frau Armgard von Lippe eine immerwährende Vikarie für die Münsterkirche St. Bonifatii gestiftet und einen Altar errichten lassen3). Hingegen nennt die nach Verlust der Orginalurkunde nachträglich ausgestellte Fundationsurkunde als Stiftungsdatum das Jahr 1458 und als Stifter den Grafen Ludolf von Spiegelberg, Propst zu Hameln. Die Differenzen in der Datierung der Stiftung lassen sich hier nicht aufklären. Jedenfalls ist der Altar, der im Zusammenhang mit der Vikarie errichtet wurde, 1567 abgebrochen und an seiner Stelle ein Kirchenstuhl installiert worden, in maynung wan irgent wolgemelte Graffen zur Hameln quemen daselbst die predigt zu horen. Inhaber der Vikarie waren ab 1567 die Söhne des Hamelner Arztes Johannes Falconius, der den Familien von Spiegelberg und von Lippe nahestand. 1567 wurde die Kommende an Everhardus Falconius übertragen. Er ging zu Studienzwecken ins Ausland und galt seit 1588 für tot. Daraufhin übertrug Graf Philipp von Spiegelberg dem noch unmündigen Ernst Falconius die Vikarie. 1610 kehrte Everhardus zurück und beanspruchte die Kommende erneut. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts sind die Söhne des Falconius als Besitzer der Vikarie nachzuweisen, danach ist als Possessor M. Berckelmann im Vikarienverzeichnis genannt.4)

Textkritischer Apparat

  1. Spiegelbergiacae ... loco] Links neben dem Text auf dem Rand steht Fundatores.
  2. Nunc ... Vrsula] Links neben dem Text auf dem Rand steht Collatores.

Anmerkungen

  1. Vor den Versen steht in der Überlieferung a folgender Prosatext: Epigramma de fundatione Vicariae S(anctae) Annae (et) S(ancti) Mauritij i(n) Monasterij aede sacra divi(ni) Bonifacij ad Cathedram prope, parieti ad fixum. Conscriptorum per Ioannem Falconium Medicinae Baccalaureum Physicum (et) Medicum Hamelensem. (Epigramm über die Stiftung der Vikarie St. Anna und St. Mauritius, das in der Münsterkirche St. Bonifatii nahe bei dem Kirchenstuhl an der Wand angebracht war, verfaßt von Johannes Falconius, Baccalaureus der Medizin, Physicus und Medicus zu Hameln.)
  2. Nach dem Muster der Horazischen Epoden 14 und 15.
  3. Alle Angaben nach HSTA Hannover, Hann. 75, 1862 Vikarien- und Memorienverzeichnis des Stifts St. Bonifatii, größtenteils unpaginiert.
  4. Weiteres zu dieser Inschrift siehe Einleitung Kap. 2 Die Hamelner Inschriften im Zusammenhang von Stifts- und Stadtgeschichte.

Nachweise

  1. HSTA Hannover, Hann. 75, 1862.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 72† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0007202.