Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 65 St. Bonifatii 1560

Beschreibung

Epitaph des Rudolf von Holle, heute an der Südwand des Querhauses, links neben der Tür. Kalksandstein. – Im Bildteil halbplastische Figur des Verstorbenen mit Rüstung in Bethaltung unter dem Kreuz, der Helm ist offen, Schwert und Handschuhe liegen auf dem Boden. Die Figur ist im Verhältnis zum Kreuz auffallend groß. Rechts und links des Bildteils Pilaster. Über dem mittleren Teil des Epitaphs befindet sich ein flachabschließender Giebel, darauf Rundbogen mit Engelskopf, rechts und links davon Jahreszahl A. An den geschwungenen Kanten des Giebels und am flachen Abschluß Inschrift B. Im Giebel vor Strahlenhintergrund liegende Engelsfigur, in der Rechten das Stundenglas, in der Linken einen Totenkopf. Inschrift C Kreuzestitulus. Inschrift D unter dem Bildteil auf einer von Rollwerk und Löwenköpfen gerahmten Tafel. Zwei Wappen rechts und links des Giebels, zwei weitere rechts und links der Tafel mit Inschrift D.

Maße: H.: 231 cm; B.: 134 cm; Bu.: 3–3,5 cm (B), 3 cm (C), 2,5 cm (D).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [1/2]

  1. A

    1560

  2. B

    CLARISSIMI ADOLESCEN/TIS ET EQVITIS RHODO/LPHI AB HOLLE EPITAPHIVM

  3. C

    I · N · R · I1)

  4. D

    SECVLA TRA(N)SIERA(N)T A NATO VIRGINEa) CHRISTOb)TER QVINQ(VE) ET SECLI SEXTA P(ER)ACTA DECASb)LVCE PARASCEVES PVLSA VIRTVTIB(VS) ASTRIc)PROSAT(VS) EX HOLLA GE(N)TE RODOLPH(VS)d) OBITNOMEN AVI REFERE(N)S PRIMIS IAM PVBERe) AB AN(N)ISf)HEVg) MATRIS PROLES VNICA ET VNA PATRISPATRIS P(RE)CLARI BELLOQ(VE) ET PACE GEORGIQVO DVCE STAT POPLIS PRI(N)CIPIB(VS)Q(VE) SAL(VS)h)PASCHATE PRO LETIS RESONADi) LVGVBRIAk) PO(M)PAECONDITVR HIC GELIDO CORP(VS)l) INANE SOLOINTEREAm) CELSI PENETRA(N)S VAGA SIDERAn) MV(N)DINVNC AGIT IN CELO MENS SOCIATA DEO

Übersetzung:

Epitaph des hochberühmten Jünglings und Ritters Rudolph von Holle. (B)

Dreimal fünf Jahrhunderte waren vergangen und die sechste Dekade des folgenden Jahrhunderts zu Ende, seit Christus von einer Jungfrau geboren wurde, da starb, als das Licht des Karfreitags durch die Kraft der Gestirne vertrieben war, Rudolf, geboren aus dem Geschlecht Holle. Er trug den Namen seines Großvaters und war in ganz jungen Jahren ein reifer Mann. Ach, er war der einzige Sohn seiner Mutter und seines Vaters, des in Krieg und Frieden ausgezeichneten Vaters Georg, unter dessen Führung Völkern und Fürsten das Heil gesichert ist. Zu Ostern ertönen statt der Freudengesänge die Trauergesänge des Leichenzugs, und die sterbliche Hülle wird hier im kalten Boden begraben, unterdessen hat die Seele den hohen Sternenhimmel durchstoßen und lebt nun im Himmel mit Gott vereint. (D)

Versmaß: Distichen (D).

Wappen:
Holle2)(drei hinten abhängende Mützen mit Aufschlag und hinten verschlungenen Bändern)
Horne(zwei oben gekreuzte Hörner, Mundstücke unten)3)
Münchhausen4)(Zisterziensermönch, in der Rechten Krummstab, in der Linken Buch in einem Beutel)
Stael5)(acht runde Kugeln am Rand entlang liegend)

Kommentar

Die Kapitalis von Inschrift D ist gekennzeichnet durch eine schmale Ausführung der Buchstaben. Kürzungen, Enklaven sowie hochgestellte Buchstaben dienen ebenfalls dazu, die Ausdehnung der Inschrift in der Breite zu verringern. Die ersten Buchstaben des Hexameters sind jeweils durch Größe hervorgehoben. A weist einen deutlich nach links ausgezogenen und verbreiterten Deckbalken auf, M hat schräge Außen- und kurze Mittelhasten. Neben kapitalem T kommt in TER ein unziales T vor, O ist leicht mandelförmig gehauen.

Das Epitaph des Rudolf von Holle erinnert in seiner Gestaltung an den von Arend Robin gefertigten Kamin im Stadthagener Schloß. Neukirch vermutet daher, daß es auf Robin zurückgeht6).

Der in der Inschrift genannte Rudolf von Holle war der einzige Sohn des Georg von Holle und der Gertrud von Horne. Sein Geburtsjahr ist frühestens mit 1540 anzusetzen, die Eltern heirateten im Jahr 1538, eine ältere Schwester ist 1539 geboren. Der Vater des Verstorbenen, Georg von Holle (1514–1576), stand, obwohl er dem lutherischen Glauben angehörte, als Söldnerführer in den Diensten Karls V. und Philipps von Spanien. Im Jahr 1556 erwarb Georg von Holle von seinem Kriegsgeld als Pfandinhaber die Besitzung Grohnde. Dort starb etwa 20jährig sein Sohn Rudolf und wurde im Kreuzgang des Stifts St. Bonifatii in Hameln beigesetzt7)

Textkritischer Apparat

  1. Die beiden letzten Buchstaben kleiner und hochgestellt, da an dieser Stelle das Schwert aus dem Bildteil in die Inschrift hineinragt.
  2. Die drei letzten Buchstaben kleiner und hochgestellt.
  3. ASTRI] Oberhalb des R befindet sich ein Zeichen, das möglicherweise als kleines hochgestelltes S zu lesen ist. Es ist daher nicht auszuschließen, daß der Steinmetz ASTRIS gehauen hat statt des grammatisch korrekten ASTRI.
  4. RODOLPH(VS)] H als kleiner Buchstabe unterhalb des P ausgeführt.
  5. PVBER] R als kleiner hochgestellter Buchstabe ausgeführt.
  6. AN(N)IS] S als kleiner hochgestellter Buchstabe ausgeführt.
  7. HEV] Heus Herr.
  8. SAL(VS)] Aus Platzgründen fehlt das Kürzungszeichen.
  9. RESONAD] resonat Herr, grammatisch korrekt ist RESONANT.
  10. LVGVBRIA] A als kleiner hochgestellter Buchstabe ausgeführt.
  11. CORP(VS)] Enklave R in O.
  12. INTEREA] Die Lesung des zweiten E unsicher. Der Buchstabe hat die Form eines runden C mit schwach ausgearbeitetem Mittelbalken und entspricht damit in der Gestalt einem runden E. Die übrigen E der Inschrift sind eckig, da aber auch beim unzialen T in TER (vgl. Schriftbeschreibung im Kommentar) in einem Fall eine vom üblichen abweichende Gestaltung des Buchstabens vorliegt, ist die Lesung E vom Befund her hinreichend zu rechtfertigten.
  13. SIDERA] Enklave E in D.

Anmerkungen

  1. Io. 19, 19.
  2. Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9, Tafel 10.
  3. So nicht bei Siebmacher; Spießen weist ein Wappen der Familie Horne nach, bei dem aber die Mundstücke unten gekreuzt sind (Tafel 177).
  4. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 7, Tafel 6.
  5. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt 9, S. 16, Tafel 18.
  6. Neukirch, S. 67.
  7. Alle Angaben nach Gertrud Angermann, Der Oberst Georg von Holle 1514–1576. Minden 1966 (Mindener Beiträge 12), pass.

Nachweise

  1. Herr, S. 145.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale S. 53 (B).
  3. Neukirch, Tafel 7 (Abb.).
  4. Angermann (wie Anm. 7), Abb. 20.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 65 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0006507.