Inschriftenkatalog: Stadt Hameln
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 28: Hameln (1989)
Nr. 40 Markt 1 (heute Museum) 1525 (?)/1556
Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]
Beschreibung
Hausinschriften, ehemals am Haus Markt 1, das zwischen Markt, Fischpfortenstraße und Himmelreich gestanden hat. Über die bauliche Beschaffenheit des Hauses und den Platz der Inschriften im Baugefüge ist nichts bekannt. Die in Inschrift A fehlenden Worte waren bereits im 17. Jahrhundert durch einen Erker verbaut1). Inschrift B ist zweizeilig auf einem Balken ausgeführt, der sich heute im Museum befindet. Inschrift C ebenfalls auf einem Balken im Museum.
Inschrift A nach Erich2).
Maße: Bu.: 14 cm (B, C).
Schriftart(en): Gotische Minuskel (B, C).
- A
Anno Christi 1284 am Tage Johannis Pauli ist gewesen der 26. Junij [. . .] C und XXX. Kinder auß der Stadt verledet in der Stadt Hameln [1525]a)
- B
ano · Christi · 1.5.5.6 Wer Es · kan · L[esen]b)Jst · Ein · Gros · Tholauff · Nach den Heiligen · Brun wesen ·Nicht Weitc) / [v]om · Sloss · Purmont ·Dar · den A[uch]b) Viell · Kranckerd) · Sein Worden · Gesundt ·Beide · Fro[w]b) vnd · ma(n) ·we(l) · god · de · gnad · gan
- C
Mi · an · dinem · name(n) · vorgripe · Pro3)godt · vorleuee) · vns · sin · gnadef)
Textkritischer Apparat
- Ergänzt nach Herr, S. 698, zitiert bei Dobbertin Nr. 7.
- Ergänzt nach Rothert.
- Danach paragraphenförmiges Satzzeichen.
- Krancker] Krancken Rothert, Mithoff, kranken Meissel.
- vorleue] vorlene Rothert, Mithoff, Meissel.
- Rothert ergänzt den schon damals nur noch lückenhaft erhaltenen Wortlaut folgendermaßen:
[Hör up, öwer minen Namen tho pipen!
Oder schall ik] mi an Dinem Namen vorgripen
[De Niddüvel bringt uns beiden Schade;]
Gott vorlene uns sine gnade. - Die Ergänzung ist zweifelhaft, da sie nicht mit dem Wortlaut von Prov. 30,9: und mich an dem Namen meines Gottes vergreifen ... zusammenstimmt, auf den zumindest der erhaltene erste Teil von Inschrift C Bezug zu nehmen scheint. Pro dürfte als Rest einer Stellenangabe aufzufassen sein (vgl. Anm. 3).
Anmerkungen
- Vgl. Erich, S. 37.
- Eine weitere Überlieferung einer Inschrift, die auf den Kinderauszug eingeht, ebenfalls vom „Eckhause, wenn man in die sogenannte Fischpforten-Strasse gehen wil (d. i. Markt 1)“ findet sich im »Lustigen Philosophus« des Friedrich Julius Rottmann:Im Jahr MCCLXXXIIII nach Christi GebortTho Hamelen wurde uthgefortHundert und drittig Kinder da selbst gebohrn,Dorch einen Piper daselbst verlohrn.Der Wortlaut dieser Überlieferung unterscheidet sich grundsätzlich von der Erichs, so daß nicht von zwei Lesarten derselben Inschrift ausgegangen werden kann. Das Inschriftenzitat des »Lustigen Philosophus« stimmt eher mit der nach dem Zeugnis Jacob Grimms am ehemaligen Rathaus angebrachten Inschrift (Nr. 100) überein. Zur Überlieferung der Inschrift im »Lustigen Philosophus« vgl. Hans-Jörg Uther, Die Rattenfängersage und die Brüder Grimm. In: Geschichten und Geschichte, S. 19−27, spez. S. 24.
- Nach Spr. 30,9.
- Näheres dazu bei Wilhelm Mehrdorf, Luise Semler (Hgg.), Chronik von Bad Pyrmont. Pyrmont 1985, S. 35−39. – Hermann Engel, Das Pyrmonter „Wundergeläuf“ von 1556. Ein jahrhundertealtes Geheimnis gelöst. Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Heilquellen. In: Hermann Engel (Hg.), Kulturgeschichtliche Streifzüge durch das Pyrmonter Tal. München 1973, S. 189−194.
- Die erste schriftliche Bezeugung der Pyrmonter Quellen findet sich in der »Catena aurea« des Heinrich von Herford († 1370).
- Im selben Jahr erschien eine anonyme Schrift über den Pyrmonter Brunnen: Gründlicher, wahrhafftiger Bericht von dem new gefundenen Wunder-Brunnen inn der Graffschafft Spiegelberg, zwo meyl weges gelegen von Hamelen an der Weser [Leipzig oder Erfurt 1556] (Verzeichnis der Drucke des 16. Jahrhunderts: G 3610).
- Vgl. Braunschweig-Lüneburgische Chronica von Heinrich Bünting und Johannes Letzner, hg. von Philipp Julius Rehtmeier. Braunschweig 1722, S. 809.
- Vgl. Engel (wie Anm. 4), S. 190f. Er stützt seine Annahme auf den Bericht des aus Lügde (b. Bad Pyrmont) stammenden Ratsherren Johann Seler in einer Handschrift von 1657, der einen im Jahr 1552 neu entsprungenen Sauerbrunnen bezeugt. (Johann Seler, Kurze Beschreibung dero Grafschafft Piermont. Handschrift von 1657). Den Aufbewahrungsort der Handschrift teilt Engel nicht mit.
Nachweise
- Erich, S. 37 (A).
- Rothert, S. 26 (B), S. 7 (C).
- Mithoff, Kunstdenkmale, S. 61 (B, C).
- Meissel, Inschriften, S. 2 (B, C).
Addenda & Corrigenda (Stand: 28. Mai 2015):
In Fußnote f) ist statt auf Inschrift D auf Inschrift C zu verweisen. In Fußnote 8) ist die Jahreszahl 1567 in 1657 zu korrigieren.
Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 40 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0004000.
Kommentar
Zur Inschrift A vgl. Einleitung Kap. 3.2.3. Sprache, Form und Thematik der Hausinschriften. – Inschrift B nimmt Bezug auf das Pyrmonter „Wundergeläuf“ der Jahre 1556/574). In diesem Jahr war ein enormer Zulauf zu den bereits seit dem 14. Jahrhundert bekannten Quellen5) zu verzeichnen6). Diesem Ansturm war die Kunde vorausgegangen, das Pyrmonter Wasser könne alle Seuchen und Gebrechen heilen. Daraufhin waren in vier Wochen mehr als 10000 Heilungssuchende und Neugierige aus ganz Europa nach Pyrmont gereist7). Das „Wundergeläuf“ der Jahre 1556/57 begründete den Weltruhm der Pyrmonter Quellen. Sofern sich überhaupt ein historischer Anlaß für den Zulauf rekonstruieren läßt, ist dieser wahrscheinlich in dem kurz vorher (1552) neu entsprungenen Sauerbrunnen zu sehen8).