Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 28: Hameln (1989)

Nr. 158† Blomberger Str. 2 1646

Beschreibung

Hausinschrift auf einem Torsturzriegel von einem Gebäude in der ehemaligen Curia monetaria1), die sich auf dem Grundstück Papenstr. 5 befunden hat. Bei der Erneuerung des Fachwerkhauses Blombergerstr. 2 im Jahr 1949 wurde der Inschriftenbalken in den Westgiebel eingebaut. Seit dem Abbruch des Hauses in den Jahren 1974/75 ist die Inschrift verschollen. Sie war zweizeilig und erhaben ausgeführt, nach der Restaurierung von 1949 weiß auf rotem Grund hervorgehoben. Die Ziffern befanden sich in Medaillons auf den beiden Ständerbalken rechts und links des Tors. Die Inschrift fehlt in den älteren Sammlungen.

Inschrift nach einer Abbildung bei Ostermeyer2).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. UNA EST IN TREPIDAa) MIHI RE MEDICINAb) IEHOVAECOR PATRIUM OS VERAX OMNIPOTENSQUE MANUS ·IN MANIBUS MEA SUNT TEMPORA CHR(IST)E TUISc) ·3)ANTHON · WALTHAUSEN · D(OCTOR) ·1646

Übersetzung:

In schwerer Lage ist mir das einzige Heilmittel: das väterliche Herz Jehovas, sein wahrhaftiger Mund und seine allmächtige Hand. In deinen Händen, Christus, steht meine Zeit.

Versmaß: Distichon und ein Pentameter.

Kommentar

Anton Walthausen, Vetter des in Nr. 73 genannten Justus von Walthausen, war Kanoniker und Propst des Stifts St. Bonifatii in Hameln. Er wurde am 17. März 1594 in Afferde geboren4), 1611 immatrikuliert er sich nach dem Besuch der Schule in Hameln sowie der Gymnasien in Hildesheim und Hannover an der Universität Helmstedt5). Er hat am 4. November 1628, nachdem er Helmstedt bereits verlassen hatte, extern den juristischen Doktorgrad erworben6). Am 13. Juli 1626 wurde er im Stift St. Bonifatii als canonicus major eingeführt und trat am 11. Februar das Amt des Propstes an. Kurze Zeit danach (1630) verließ Walthausen Hameln, um in Hildesheim Stadtsyndikus zu werden. Anlaß für diesen Ortswechsel war die durch die Besatzung mit kaiserlichen Truppen hervorgerufene politische Unruhe in Hameln7). Nach Entlassung aus Hildesheimer Diensten im Jahr 1635 kehrte er nach Hameln zurück. Auch sein Ausscheiden aus dem Hildesheimer Amt war begleitet von unruhigen Umständen, die durch den Einzug des Bischofs Franz Ferdinand und die damit verbundene mißliche Lage der lutherischen Kirche hervorgerufen wurden8). Diese vielfältige Erfahrung unsicherer Zeiten, der Verlust seines gesamten Eigentums einschließlich seiner Bibliothek am Ende seines Aufenthalts in Hildesheim, haben sich wahrscheinlich in der Formulierung der Hausinschrift von 1646 niedergeschlagen.

1642 heiratete er Anton Walthausen Ilse Wiesenhaver, Tochter des Hildesheimer Bürgermeisters Joachim Wiesenhaver. Aus der Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor9). Walthausen starb am 31. Oktober 1653 und wurde im Stift St. Bonifatii beigesetzt10).

Die Anbringung der Inschrift im Jahr 1646 ist im Zusammenhang größerer Baumaßnahmen erfolgt. Ein Bericht über den Zustand der Kurien aus dem Jahr 1649 bezeugt, daß der Propst in den zurückliegenden Jahren umfangreiche Bauvorhaben an seinem Stiftshof mit 400 Talern finanziert hat. Dieser Bericht gibt ebenfalls an, daß Walthausen darum bittet, die Kurie seiner Frau als Leibzucht zu überlassen. 1657 wird Walthausens Witwe als Inhaberin der Kurie genannt11).

Textkritischer Apparat

  1. IN TREPIDA] intrepida Ostermeyer.
  2. MEDICINA] E hochgestellt.
  3. TUIS] Danach ist auf der Abbildung bei Ostermeyer ein unter die Zeile reichendes O zu sehen, daß nicht sinnvoll in den Text der Inschrift einbezogen werden kann. Es handelt sich möglicherweise um einen Fehler bei der Restaurierung.

Anmerkungen

  1. Vgl. Annemarie Ostermeyer, Stiftspropst Dr. Anthon Walthausen. In: Jahrbuch 1966, S. 26–28. – Für freundliche Auskünfte zur Geschichte des Inschriftenbalkens danke ich Herrn Carl Bredemeyer, Hameln.
  2. Die Inschrift ist von Annemarie Ostermeyer auch transkribiert worden, die Lesung weicht aber in der Wiedergabe von der Abbildung ab.
  3. Nach Ps. 31, 16.
  4. Vgl. Bär, S. 615.
  5. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, S. 214, Nr. 38.
  6. Vgl. Bär, S. 619. – Die Leichenpredigt (vgl. Anm. 10) nennt ihn als Doktor beider Rechte.
  7. Vgl. Spanuth, Geschichte II, S. 38.
  8. Vgl. Bär, S. 621–639.
  9. Vgl. Bär, S. 660.
  10. Leichenpredigt gehalten von Julius Kraus. Hildesheim 1653 (Sammlung Göttinger Leichenpredigten SuUB Göttingen 4° W 14, 2). Eine Grabschrift ist nicht überliefert.
  11. Vgl. Bär, S. 655.

Nachweise

  1. Ostermeyer (wie Anm. 1), S. 27 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 158† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0015807.