Inschriftenkatalog: Stadt Hameln

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

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DI 28: Hameln (1989)

Nr. 1 St. Bonifatii vor 1200

Beschreibung

Gedenkstein (?), seit dem 12. Jahrhundert1) unter dem nordöstlichen Vierungspfeiler vermauert. Kalksandstein. Im Innenfeld Blattornamente und ein Doppelkreuz. Inschrift A umlaufend, Inschrift B zweizeilig im Innenfeld parallel zum ersten Teil von A. Die Inschriften fehlen in Herrs Sammlung.

Maße: L.: 53 cm; B.: 41 cm; Bu.: 4,2−5 cm.

Schriftart(en): Alte Kapitalis.

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [1/2]

  1. A

    QVONDAM PRICLARa) [../ ....................] / [................../ ..........]M NISI ISTIb)

  2. B

    D[.]Oc) P(RO)[P]ITIVSd) / DA VINIAMe) PEITMVSf)

Übersetzung:

Wir bitten, [. . .], gib gnädig Verzeihung. (B)

Versmaß: Inschrift A möglicherweise Reste eines Hexameters, Inschrift B ursprünglich wohl Pentameter, leoninisch gereimt.

Kommentar

Die Buchstaben der Inschrift sind in einer unregelmäßigen Schräglage von einer ungeübten Hand ausgeführt worden. In PRICLAR[.] und VINIAM ist I für E gehauen. Buchstabenvertauschungen liegen in PROPITIVS und PETIMVS vor. Das erste Wort der Inschrift B ist wahrscheinlich durch einen Fehler in der Ausführung entstellt. Diese wenig fachmännische Ausführung erschwert die Datierung des Steins nach der Schrift. Zu den einzelnen Buchstaben ist zu bemerken, das C und D deutlich gerundet sind. Q und O sind kreisrund, Q mit eingestellter Cauda. Die Buchstaben weisen keine Schwellungen auf. Diese Formen sprechen nicht gegen eine Entstehung der Inschrift im 10. Jahrhundert. Die vorgeschlagene Datierung gründet sich vor allem auf das im Innenfeld vorhandene Doppelkreuz, das auf byzantinischen Einfluß hindeutet. Der Stein dürfte also etwa 100 bis 150 Jahre nach der Klostergründung entstanden sein.

Der fragmentarische Erhaltungszustand des Inschriftenträgers erlaubt keine sichere Rekonstruktion des Texts. Die Reste von Inschrift A lassen sich nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Inschrift B könnte, da der erhaltene Text auf ein Gebet hindeutet, mit einer Anrufung Gottes beginnen. Aufgrund des merkwürdigen Buchstabenbefunds in der Mitte des ersten Wortes läßt sich jedoch nicht entscheiden, wie diese Anrede gelautet hat. Zwischen D und O befindet sich eine Haste, die oben mit einem nach rechts gewendeten Querstrich versehen ist, außerdem ein Buchstabe aus zwei im spitzen Winkel oben gegeneinandergestellten Hasten, von denen die absteigende verdoppelt ist2) (vgl. Abb.). Das nachfolgende Wort PROPITIVS ist einigermaßen sicher zu rekonstruieren, sofern man das Fehlen des einen P als Haplographie ansieht.

Textkritischer Apparat

  1. PRICLAR] preclarus Roggenkamp.
  2. Die Lesung der letzten Buchstaben der Umschrift ist fraglich, der Sinn bleibt dunkel.
  3. D[.]O] Lesung und Wortbedeutung fraglich.
  4. D[.]O P(RO)[P]ITIVS] (Au)di (pr)opitius Ohnsorge; di(cite, pr)opitius Fickermann.
  5. VINIA(M)] Lies VENIA(M).
  6. PEITMVS] Lies PETIMVS. Am Schluß der Inschrift ist der Befund durch Putzreste gestört.

Anmerkungen

  1. Vgl. Dietrich Bohnsack, Hans Roggenkamp, Neuer Problemkreis um Hamelns Krypta. In: Niedersächsische Denkmalpflege, Bd. 2 (1955/56), S. 45–55, spez. S. 53.
  2. Roggenkamp (wie Anm. 1) hat dieses Zeichen als runenähnlich bezeichnet. Nach Auskunft von Professor Dr. Klaus Düwel, Göttingen, handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine Rune.

Nachweise

  1. Roggenkamp (wie Anm. 1), S. 53. Die Lesungen Ohnsorges und Norbert Fickermanns zitiert Roggenkamp, S. 53, Anm. 2.

Zitierhinweis:
DI 28, Hameln, Nr. 1 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di028g004k0000103.