Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Hinweis: Dieser Text enthält Abweichungen gegenüber der Druckfassung. Alle Von-Bis-Angaben bei Verweisen auf Katalognummern (z. B. Nr. 71–73) wurden aus Referenzierungsgründen zu kommaseparierten Listen aufgelöst.

Anhang 1: Die baugebundenen Inschriften des Stadtgottesackers

[Druckseite 423] Unregelmäßige Vierflügelanlage aus 94 Arkaden, den sogenannten Schwibbögen, und einem Torturm, die einen weiträumigen Friedhof umschließen; 1557 begonnen und 1590 vollendet.1) Ursprünglich über zwei Tore von Westen her zugänglich; heute über den im Westen befindlichen Torturm und zwei jüngere, 1830 und 1835 in Bogen 29 bzw. 50 angelegte Tore im Norden und Osten erschlossen. Nach teilweiser Zerstörung der West-, Nord- und Südflügel während des Zweiten Weltkriegs 19452) und allmählichem Verfall der Anlage in den anschließenden Jahrzehnten vollständige Restaurierung von 1991 bis 2003.3) Der Friedhof 1950 für Erdbestattungen geschlossen, 2001 aber für Urnenbeisetzungen wieder geöffnet.4)

Hinter den 94 fortlaufend nummerierten Arkaden liegen überdachte Kammern mit Grabmälern; darunter befanden sich Grüfte. Drei Bogenkammern (89, 90, 91) an der Südwestecke werden seit dem 19. Jh. als Trauerhalle genutzt. Die segmentbogenförmigen Schwibbögen auf reliefgeschmückten Pfeilern aufsitzend, die sich zwischen den Bogenzwickeln als pilasterartige Wandglieder fortsetzen. An diesen vegetabile Ornamentik. Abschluß der Bögen durch ein umlaufendes, über den Pilastern verkröpftes Gebälk mit hohem, größtenteils beschrifteten Fries: darauf Bibelzitate, Bibeldichtung und andere religiöse Dichtung, zumeist in zwei bis vier Textblöcken nebeneinander angeordnet (A). Im Gebälkabschnitt über den Pfeilern bzw. Pilastern gelegentlich kurze Inschriften (B).5) An den Bogenzwickeln Reliefs mit vegetabilem Rankenwerk, Putti, zoomorphen Wesen, Masken und Wappenmedaillons (D.: 39,5–58,5 cm); auch an den Bogenscheiteln häufig Wappenmedaillons (D.: 36–44 cm),6) selten auch Wappenkartuschen. An den abgefasten Bogenlaibungen eingetiefte Schriftfelder, zumeist mit Stifter- und Widmungsvermerken, selten mit Grabbezeugungen und anderen Texten (C). Steinmetzzeichen an allen Teilen der aus Sandstein gehauenen Schwibbögen. Die Zwischenwände der Bogenkammern zumeist in Fachwerk, die Außenmauern in Bruchstein- bzw. Ziegelmauerwerk gesetzt und verputzt.

An den Außenwänden der vier, an der Westseite befindlichen ältesten Bogenkammern (11, 12, 13, 14) Wappentafeln mit Vollwappen und Inschriften der Erbauer und Erstbesitzer (D). Die Relieftafeln von gleichem Aufbau: An einem hohen Sockel mit Unterhang und seitlich hervortretenden Postamenten steht ein Stiftervermerk; darauf ruhen das Wappenrelief und Pilaster, die ein verkröpftes Gebälk mit Auszug tragen. Der kleine Torturm an Ost- und Westseite mit Lisenen gegliedert und an jeder Seite mit einem Volutengiebel geschmückt. In der Laterne der Turmhaube eine Glocke (Nr. 397). Über dem inneren Torbogen die Kopie eines Reliefs mit Meisterinschrift und -porträt; das Original (Nr. 269) befand sich über dem nördlichen Tor des Westflügels,7) das nicht mehr existiert. Das Tor wurde 1822 geschlossen und durch Bogen Nr. 9a ersetzt.

Die Inschriften jedes Bogens sind unter der aktuellen Nummer des Bogens zusammengefaßt und entsprechend dem oben angegebenen Schema alphabetisch geordnet. Der Ausfall eines Buchstabens zwischen A und D im Editionsteil bedeutet, daß am entsprechenden Bogen eine nach dem vorgegebenen Schema zu bezeichnende und vor 1650 entstandene Inschrift nicht überliefert ist. Außerhalb dieses Schemas überlieferte Inschriften sind mit Buchstaben ab E bezeichnet. Ihr Standort wird für jede Katalognummer gesondert angegeben. Die heutige Bogennummerierung beginnt unmittelbar nördlich des Torturms;8) die Inschriftenedition setzt aber mit dem Bogen 11 ein. Die ursprüngliche Bogenzählung, die in manchen Inschriften überliefert ist, begann mit diesem Bogen und zählte die heutigen, in den Winkeln der Anlage verborgenen Bogenkammern Nr. 37 und 63 nicht mit. Dadurch ergibt sich ein Vorlauf der heutigen gegenüber der inschriftlich überlieferten Zählung ab Bogen 38 um elf und ab Bogen 62 um zwölf Nummern.9)

Die meisten Inschriften waren bzw. sind eingehauen, nur die Inschriften 11B, 12B, 13B und 14B (ohne die Initialen) waren erhaben auf eingetieftem Schriftfeld ausgeführt. Die Inschriften 75EA und 75EB sind auf Putz gemalt. Die kopiale Überlieferung und Ergänzungen folgen zumeist der Veröffentlichung von Johann Gottfried Olearius 1674. Wenn möglich, wurden Ergänzungen nach der am Original feststellbaren Schreibung und Schriftform durchgeführt. Andernfalls blieb die Schreibung und weitgehend auch die Zeichensetzung des Kopisten gewahrt. Über Änderungen bei der Transkription der kopialen Überlieferung und die Verwendung anderer kopialer Vorlagen als Olearius 1674 geben die Anmerkungen zu den einzelnen Inschriften und der Hauptkommentar des Anhangs Auskunft.10) Olearius gibt die Texte in der Schreibung seiner Zeit wieder und pflegt Bibelzitate bis auf die Versanfänge zu kürzen. Seine Textkürzung „&c.“ wurde hier als „(et)c.“ aufgelöst. Schrägstriche bei Olearius wurden durch Kommata ersetzt.[Druckseite 424]

Maße: Bögen: H.: 266–390 cm (einschließlich Gebälk); B.: 503–526 cm (Bogen 2 bis 93), 380 bzw. 390 cm (Bogen 1 und 94), 35,8–36,5 cm (Pfeiler bzw. Pilaster). Wappentafeln an Bogen 12, 13 und 14: H.: 107–117,5 cm; B.: 80,5–83,5 cm; Bu.: 2,3–2,5 cm (41C), 2,5–3 cm (13D, 16C, 17C, 18C, 19C, 25C, 39C, 42C, 44C, 46C, 53AB, 59AA, 74C), 3,3–3,5 cm (12D, 22A, 55A, 59AB, 75A), 3,5–4 cm (1C, 14D, 17A, 19A, 20A, 23A, 24A, 32A, 33A, 34A, 39A, 47E, 50A, 54A, 60A, 61C, 72B, 72A, 77C, 79A), 3–4 cm (18A, 74A), 3,8–5 cm (1C, 16A, 21A, 35A, 42A, 43A, 44A, 45A, 46A, 47A, 48A, 50C, 53AA, 71A, 75E), 5,8 cm (78B), 7 cm (17B, 19B).

Schriftart(en): Kapitalis, hebräische Schriftzeichen (26AB), Fraktur (32C).

Anmerkungen

  1. Zur Geschichte des Friedhofs s. Tietz 2004, S. 60–63 und Einleitung, S. XXVII f. »
  2. Am 31. März und 6. April 1945; MBH Ms 319, 1, o. S. Die Bögen 2–4, 8–16, 25–31, 62–66 wurden gänzlich zerstört; Wiederherstellungsarbeiten der Nachkriegszeit kamen bald zum Erliegen. »
  3. Von einigen Bögen blieben Teile erhalten und konnten beim Aufbau wiederverwendet werden. Heute sind alle Bögen zumindest ihrer architektonischen Form nach rekonstruiert. »
  4. Wie Anm. 1. »
  5. Die Inschrift B, die naturgemäß zwischen zwei Bögen steht, wurde immer zu dem rechts davon ansetzenden Bogen gezogen. »
  6. Viele bauzeitliche Wappen wurden allerdings von den späteren Besitzern der Bogenkammern über- oder abgearbeitet, oder die Medaillons wurden gänzlich abgeschlagen. »
  7. Vgl. Olearius 1674, S. 9. »
  8. So auch bei Olearius 1674. Zwei Bögen an den Ostecken werden doppelt gezählt (36/37, 62/63). »
  9. Die Bogenkammer 63 liegt zwischen den Nummern 61 und 62 und ist nur über die 62. Kammer begehbar. »
  10. Im Hauptkommentar werden übergreifende, die Entstehung und Gestaltung der Bögen betreffende Aspekte zusammenfassend dargestellt. »