Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 92 Moritzkirche 1510

Beschreibung

Gewölbeanfänger mit Wappen und Initialen zwischen Nord- und Nordostfenster des Hauptchores (A) und ein Wappenschild, belegt mit einem breiten Balken, auf dem eine Jahreszahl steht (B), angebracht an dem Scheitelpunkt des zweiten Gurtbogens im Hauptchor. Die Wappenschilde vermutlich aus Sandstein, die Inschriften wahrscheinlich erhaben.1)

Maße: H.: ca. 30–35 cm (Wappenschilde).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    T(HEODERICVS)a) // P(REPOSITVS)b) / MAV(RITII)

  2. B

    1510

Übersetzung:

A Dietrich, Propst des (hl.) Mauritius.

Wappen:
Propst Dietrich von Oppershausen2)

Kommentar

A hat einen nach links überstehenden Deckbalken, M besteht aus zwei Schäften mit ausgebuchtetem Mittelbalken.

Wappen und Jahreszahl zeigen an, daß die Einwölbung des Chores unter der Ägide des Propstes Dietrich in jener Bauphase in Angriff genommen wurde, die den Innenausbau der Kirche abschließen sollte.3) Dieser Bauabschnitt begann wahrscheinlich mit der Errichtung der nördlichen Langhauspfeiler, worauf die am vierten Pfeiler angebrachte Jahreszahl 1504 (Nr. 86) hindeutet. Die Einwölbung war offensichtlich im Jahr 1510, wie aus B zu ersehen ist, bis zum Gurtbogen zwischen erstem und zweitem Chorjoch (von Osten) vorangeschritten. Sie könnte noch bis zum fünften Joch fortgesetzt, muß aber spätestens bei Aufhebung des Moritzstifts 1519 eingestellt worden sein.4) Die Bauunterbrechung währte bis zur Mitte des 16. Jh. (s. Nr. 168).

Propst Theodericus oder Dietrich ist mit jenem Theodericus gleichzusetzen, der in den Quellen von Oppershausen genannt wird.5) Er war von 1483 bis 1516 Propst und wirkte in seiner langen Amtszeit vielfach zum Nutzen des Moritzstifts. Das gleiche Wappen mit einer vergleichbaren Beschriftung befindet sich auch im Gesprenge des 1511 fertiggestellten Retabels des Hauptaltars (Nr. 93). Vielleicht ist seine Grabplatte erhalten (Nr. 99).

Textkritischer Apparat

  1. THEODERICVS] Schreibung nach zeitgenössischer Gepflogenheit. Danach Unterbrechung des Schriftzugs durch das Wappenbild.
  2. PREPOSITVS] Lesung des Initials als Großbuchstabe unsicher; Schreibung nach zeitgenössischer Gepflogenheit.

Anmerkungen

  1. Die in ca. 15 bzw. 18 m Höhe angebrachten Wappenschilde sind einer genaueren Betrachtung entzogen.
  2. Pfeil und Schwert kreuzweise auf einen Krummstab gelegt. Das Wappenbild begleitend und in der Fußstelle die Initialen.
  3. In seiner Amtszeit begann außerdem 1493 der Bau der (unvollendet gebliebenen) Westtürme; vgl. Krause 1983, S. 237.
  4. Zur Stiftsgeschichte s. Einleitung, S. XII, XXIII f.
  5. Vgl. Dreyhaupt 1, 1749, S. 757 (Nr. 157); Eckstein 1856, S. 58 (Anm. zu Zeile 24).

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 97 (B).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 92 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0009206.