Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 71 Marktkirchengemeinde 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Abendmahlskelch, Silber, vergoldet,1) aus der Ulrichskirche. Achtpaßfuß mit geriffelter Zarge; auf einem Fußsegment ein plastischer Kruzifixus angebracht. Unterm Stehrand eine Gewichtsangabe (C). Runder Stilus mit beschrifteten Manschetten über und unter dem scheibenähnlichen Nodus, darauf ein Gebet und eine Anrufung (B). Am Nodus acht rautenförmige Rotuli, alternierend mit floralen Ornamenten, den Initialen des Kreuztitulus und einem Kreuz besetzt (A).2) Sämtliche Inschriften ebenso wie das Maßwerk auf den getriebenen Zungen graviert.

Maße: H.: 16,5 cm; D.: 9,7 cm (Kuppa), 12,5 cm (Fuß); Bu.: 0,5–0,6 cm (A), 0,8 cm (B), 0,15–0,3 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B), Schreibschrift (C).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    + // i(hesvs) // n(azarenvs) // r(ex) // i(vdeorvm)3)

  2. B

    ave · mariaa) // ih(esv)s hilfb)

  3. C

    · 22 · Lot · 2 q(uentchen)c) ·

Übersetzung:

A Jesus von Nazareth, König der Juden.

B Gegrüßet seist du, Maria. (...)

Kommentar

Die Buchstaben der Inschriften A und B sind ziemlich regelmäßig als Bandminuskel mit Schattenschraffuren gebildet. Einzelne Schaftendungen sind nicht umbrochen, sondern als quadrangelförmige Abschlüsse geformt. Das f weist einen kräftigen, durch den Schaft gesteckten Mittelbalken auf.

Der erste Teil der Inschrift B steht über, der zweite unter dem Nodus. Die Inschrift beginnt mit den ersten Worten des Ave-Maria-Gebets, das seit dem Hohen Mittelalter weiteste Verbreitung gefunden hatte (s. Nr. 9). Mit dem Engelsgruß (Lc 1,28) einsetzend (B), erinnert es zugleich an das Erlösungswerk Jesu Christi, das mit der Verkündigung an Maria beginnt und in der Eucharistie seine sakramentale Gestalt gefunden hat.

Inschrift C stammt von einer nachmittelalterlichen Inventarisation, bei der das Gewicht des Gefäßes festgestellt wurde.

Textkritischer Apparat

  1. maria] Danach eine rechteckige Schriftzeilenbegrenzung, der eine mehrfach unterteilte Raute eingeschrieben ist.
  2. ihesvs hilf] Jesus hic Dreyhaupt, Ulrichskirche 1939.
  3. quentchen] Befund: q-Gemeine mit einem rechts an die Unterlänge des Schafts angeschlossenen Schriftzeichen in Form einer arabischen Drei. Auflösung unsicher.

Anmerkungen

  1. Erhalten ist auch die zugehörige Patene.
  2. Drei der Buchstaben ist ebenfalls ein florales Ornament unterlegt. Das Invokationskreuz und der vierte Buchstabe stehen auf einem kreuzschraffierten Untergrund.
  3. Io 19,19.

Nachweise

  1. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1056 (A, B).
  2. Ulrichskirche 1939, S. 81 (A, B).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 71 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0007102.