Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 48 Giebichenstein, Bartholomäuskirche 1474

Beschreibung

Grabplatte aus Sandstein für Hermann (von) Kotze, an der östlichen Außenwand des nördlichen Kreuzarmes der Kirche aufgerichtet.1) Reliefierte Platte mit abgeschrägten Ecken und Ganzfigur im Binnenfeld. Auf erhöhter umlaufender Schriftzeile eingehauene Inschrift mit Sterbevermerk und Fürbitte. Der Verstorbene ist in Rüstung, aber ohne Helm, bartlos und mit üppigem lockigen Haupthaar dargestellt. In seiner linken Hand ein aufgesetztes Schwert, in seiner rechten ein Wappenschild. Das Haupt überfängt ein genaster Kielbogen, dessen Außenseite mit Kriechblumen besetzt ist. Die Kreuzblume durchstößt die obere Schriftzeile, die Füße bedecken die untere.

Maße: H.: 207 cm; B.: 111 cm; Bu.: 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) (Gunnar Preuß) [1/1]

  1. Annoa) // domini / · M° · cccc° · lxxiiii° · vf Mantagb) nach Bonifacij ist / vor//scheidenc) / herman kotczed) dem got genedig sey

Datum: 1474 Juni 6.

Wappen:
Kotze2)

Kommentar

Die oberen Bogenenden des c in der Jahreszahl sind waagerecht ausgeführt und zu einem Strich zusammengezogen. Der rechte Schaft des symmetrischen unzialen M der Jahreszahl und des Wortes Mantag ist geschwungen, der gerade linke Schaft desselben Buchstabens und des B ist einseitig gezackt. Als Worttrenner stehen Quadrangel.

Hermann gehörte der adligen Familie Kotze (auch: von Kotze) an, die im Erzstift Magdeburg ansässig war. Zwischen 1451 und 1467 hatte Hermann Güter und umfangreiche Einkünfte in der hallischen Vorstadt Glaucha erworben3) und sich dort vor 1454 niedergelassen.4) 1456 ist er als erzbischöflicher Untermarschall, von 1458 bis 1465 als Hauptmann und 1465 als Vogt zu Giebichenstein sowie zwischen 1458 und 1462 als Rat Erzbischof Friedrichs von Beichlingen bezeugt.5) Der seit 1466 regierende Erzbischof Johannes von der Pfalz-Simmern hat seine Dienste offenbar nicht mehr in Anspruch genommen.

Textkritischer Apparat

  1. Anno] Danach Unterbrechung der Schriftzeile durch eine Kreuzblume.
  2. Mantag] Sic!
  3. vorscheiden] Die Vorsilbe durch eine Schuhspitze vom Wortstamm getrennt.
  4. kotcze] Das z ist in kleinerem Schriftgrad in den Bogen des c eingestellt.

Anmerkungen

  1. Die Kirche hat einen kreuzförmigen Grundriß.
  2. Siebmacher III, 1, Taf. 64, 263; Siebmacher III, 2, 2, 1, Taf. 99.
  3. Mülverstedt 1866, S. 515 f.
  4. Ebd., S. 469.
  5. Ebd., S. 163, 171 f., 175–178, 180, 184–187 und Stammtafel II; siehe auch GGT A 1905, S. 394. Die irrtümlich überlieferten Sterbejahre 1473 bzw. 1475 (vgl. Mülverstedt 1866, S. 201 f.) werden durch die Inschrift berichtigt.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 5, o. S.
  2. Dreyhaupt 2, 1750, S. 900.
  3. Mülverstedt 1866, S. 201.
  4. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 492 (Abb. 260), 494.
  5. Schroth 2006, S. 111.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 48 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0004803.