Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 46 Giebichenstein, Unterburg 1473 (?)

Beschreibung

Vollwappen und Bauinschrift in aufwendiger architektonischer Einfassung aus Sandstein (H.: ca. 3,50 m; B.: 1,40 m), in etwa 3,60 m Höhe an der Nordostecke des ehemaligen Kornhauses eingelassen. Auf zwei Büstenkonsolen Fialen mit Riesen, zwischen denen das Wappenrelief und ein Tympanon mit Maßwerk und Kriechblumen eingefügt ist. Tympanon und Riesen enden in Kreuzblumen. Unter dem Wappen, zwischen den Konsolen und Riesen in ca. 3,20 m Höhe die aus zwei etwa gleichgroßen Teilen bestehende Inschriftplatte mit der erhabenen Inschrift eingesetzt. Auf deren breiterer unterer Rahmenleiste ein Steinmetzzeichen eingehauen.1)

Maße: H.: 77 cm (Inschriftplatte); B.: 88,5 cm (Inschriftplatte); Bu.: 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. Anno d(omi)ni · M° · cccc° · lxxiii°a) · Sub / Reuerendissimo in cristo pa/tre ac d(omi)no d(omi)no Johanne sancte / magdeburgensis ecclesie Ponti/ficeb) Comite palatino Reni et / duce bauariec) domus hec in/choata (est)d) feria s(e)c(un)da post Quasim(od)o/ge(n)iti et in eade(m) estate felicit(er) co(n)su(m)ma/ta

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1473 (?) ist unter dem hochwürdigsten Vater und Herrn in Christus, dem Herrn Johannes, der heiligen Kirche von Magdeburg Bischof, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, dieses Haus am Montag nach Quasimodogeniti begonnen und in demselben Sommer glücklich vollendet worden.

Datum: 1473 April 26.2)

Wappen:
Erzbischof Johannes, Pfalzgraf bei Rhein3)

Kommentar

Die Schriftzeilen werden durch schmale erhabene Linien getrennt; mitunter stoßen die kurzen Oberlängen der Buchstaben in die Linien hinein oder durchstoßen diese. Die Minuskel-Buchstaben sind schmucklos, die Unterlänge kaum angedeutet. Die Großbuchstaben sind zumeist kaum größer als die Minuskelbuchstaben und nur durch Form und Zierat von diesen abgesetzt. Die Schäfte und Bögen der Großbuchstaben C, J, Q und R sind linksseitig mit Zacken verziert. Der Mittelteil des S besteht aus zwei parallelen Bögen. Vor, zwischen und hinter den römischen Zahlzeichen stehen Quadrangel mit Häkchen an den oberen und unteren Ecken als Worttrenner; als Kürzungszeichen sind Striche übergeschrieben. Die letzten beiden Buchstaben sind in kleinerem Schriftgrad auf der unteren breiten Rahmenleiste nachgetragen.

Die Inschrift datiert den dreigeschossigen, heute für Künstlerateliers genutzten Kornspeicher,4) der unter dem Burgherrn Erzbischof Johannes von der Pfalz-Simmern (1466–1475)5) erbaut wurde.

Textkritischer Apparat

  1. lxxiiio] Lesung unsicher, auch lxxivo möglich.
  2. Pontifice] Der Schaft des P größtenteils verloren.
  3. bauarie] Das zweite a kastenförmig.
  4. est] Befund: Abbreviatur in Form eines zweistöckigen z mit Zierhaken am unteren Ende.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 2.
  2. Sollte die Jahreszahl als 1474 zu lesen sein, dann wäre es der 18. April gewesen.
  3. Siebmacher I, 5, 1, Taf. 171. Der dritte Platz des gevierten Wappens ist leer. Der hier zu erwartende Wittelsbacher Rautenschild war vermutlich als Farbfassung ausgeführt.
  4. Zur Baugeschichte der Burg s. Einleitung, S. XXXIV f.
  5. Gatz 1996, S. 343 f. (Alois Schröer).

Nachweise

  1. Olearius 1679, S. 35.
  2. Weise 1824, S. 144.
  3. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 490.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 46 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0004609.