Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 36 Giebichenstein, Unterburg 1462

Beschreibung

Platte aus Sandstein mit Bauinschrift von einem nicht näher bezeichneten Abschnitt des sogenannten Krummen Tores, das als Teil des Rannischen Tores am heutigen Franckeplatz lag.1) Die in drei Teile zerbrochene und partiell stark verwitterte Platte mit der erhabenen Inschrift heute in ca. 3,40 m Höhe an der Nordseite des Südflügels der Unterburg Giebichenstein eingemauert.

Ergänzt nach Olearius.

Maße: H.: 51,5 cm; B.: 96,5 cm; Bu.: 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. annoa) · a natiuitate · d(omi)nib) [·] mc) / cccc [·] [lx]ii°d) [·] f(e)ria [·] s(e)c(un)da · inf(ra) · oct(au)ase) / sa(n)cti[s]simi [·] (chr)ristif)g) · [c]orporis / hec · valuah) · est · inc[e]ptai)

Übersetzung:

Im Jahr 1462 von der Geburt des Herrn an, am Montag in der Oktav des heiligsten Leibes Christi ist dieses Tor begonnen worden.

Datum: 1462 Juni 21.

Kommentar

Die Schriftform ist schmucklos; das e weist gelegentlich einen mehrfach geschwungenen und weit herabgezogenen Balken auf. Die kurzen Oberlängen stehen noch auf der breiten Schriftzeile, die kurzen Unterlängen durchstoßen jedoch die Grundlinie. Die oberen Bogenenden der vier c für hundert in der Jahreszahl sind zu einem Balken verschmolzen. Die hochgestellten Endungs-o sind bei den Zahlzeichen m und cccc vermutlich verloren. Als Kürzungszeichen stehen über feria ein Quadrangel, über domini und secunda je ein Kompendienstrich und über den übrigen gekürzten Worten, soweit erkennbar, je zwei Quadrangel. Als Worttrenner dienen einzelne Quadrangel. Die Schriftform weist eine große Ähnlichkeit mit der auf 1457 datierten Bauinschrift vom Moritztor auf (Nr. 34), soweit der Erhaltungszustand der vorliegenden Inschrift eine solche Beurteilung erlaubt. Hervorhebenswert ist die gleiche Verknüpfung der vier c in der Jahreszahl, die gleiche Ausbildung des e-Balkens und die gleiche Schreibung von valua. Die ältere Inschrift weist auch die gleichen Kürzungszeichen (Striche und Quadrangelpaare) auf.

1461 stürzte das Krumme Tor und im folgenden Jahr ein Teil der anstoßenden Stadtmauer ein. Sie wurden 1462 wiederhergestellt.2) Baubeginn war am Montag in der Festwoche (infra octavas) nach dem Fronleichnamsfest (festum sanctissimi Christi corporis).

Textkritischer Apparat

  1. anno] Der dritte und der vierte Buchstabe teilweise verloren.
  2. domini] Dei Schultze-Galléra.
  3. m] Der dritte Schaft läuft unter der Grundlinie spitz aus.
  4. cccc lxii] Das x verloren, die übrigen Zahlzeichen der Zehner und Einer stark verwittert.
  5. octauas] Der Numerus bezogen auf „dies“, die „acht Tage“ als Umschreibung der Festwoche.
  6. sanctissimi chrristi] sancti Christi domini Rauchfuß.
  7. chrristi] Sic! Befund: xpristi; Lesung jedoch unsicher. Christi Olearius, Dreyhaupt, Schultze-Galléra.
  8. valua] Das erste a bis auf den Schaft verloren.
  9. incepta] Danach eine Blattranke.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 197. Zum Rannischen Tor s. auch Nr. 100 und Einleitung, S. XXIX.
  2. StAH H A 1,4, fol. 5r. Beschreibung und Grundriß bei Neuß 1929, S. 38 (Nr. 31, 32); Neuß 2, 1935, S. 42–44.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 197.
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 669.
  3. Rauchfuß 1917/18a, S. 40.
  4. Schultze-Galléra 1926, S. 101.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 36 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0003603.