Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 27 Marktkirche 1430

Beschreibung

Taufbecken aus Bronze (Fünte) mit hohem, reich profilierten, ringförmigen Fuß, auf dem vier Heilige stehen (H.: 35,5–36,5 cm): ein bärtiger Mann mit Buch in der linken und ein jugendlicher Diakon mit Buch in der rechten Hand sowie zwei gekrönte Frauen, die wie der Diakon ehemals wohl Palmzweige in den Händen hielten. Auf ihnen ruht ein schwach konisches, reliefgeschmücktes Becken mit einem abgesetzten breiten Rand. Dicht über dem Boden umzieht die Außenseite des Beckens ein erhabener Meistervermerk, eingefaßt von zwei Stegpaaren. Darüber erheben sich 14 Rundbogenarkaden, besetzt mit rundbogigen Maßwerkfriesen, die Reliefs von Christus, Maria und den Aposteln überfangen (H.: 19,5 cm). Zur rechten Seite Christi steht Maria, zur linken Petrus.

Maße: H.: 111,5 cm; D.: 88,5 cm (Becken), ca. 85 cm (Fuß); Bu.: 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. · an(n)oa) · d(omi)ni · m · cccc · xxx · per · me · lvdolfvs · va(n) · brv(n)svik · vnde · sin · sone · hi(n)rik · ge · ghote(n) · to · magedeborch

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1430 durch mich, Ludolf von Braunschweig, und seinen Sohn Hinrich gegossen zu Magdeburg.

Kommentar

Ober- und Unterlängen der Buchstaben sind nur angedeutet. An den Ecken der oberen Schaftenden sitzen gelegentlich einzelne perl- oder häkchenförmige Zierformen. Kürzungen sind markiert durch schräglinks geschnittene Striche mit Zierpunkten an den Enden, die auf einem Steg über der Schriftzeile stehen. Als Worttrenner dienen Rauten oder Quadrangel mit Zierhäkchen an den oberen und unteren Ecken.

Die Bronzefünte trägt die erste deutschsprachige und die einzige niederdeutsche Inschrift in Halle – außer der Fünte, die dieselbe Werkstatt zu derselben Zeit in denselben Formen für die Ulrichskirche gegossen hat (Nr. 28). Deutschsprachige, d. h. niederdeutsche Inschriften waren in Braunschweig, dem Herkunftsort der Gießer, schon im letzten Viertel des 14. Jh. gebräuchlich.1)

Das vorliegende Bronzebecken wurde aus einer der beiden Vorgängerkirchen St. Marien oder St. Gertruden übernommen. Der Gießer lvdolfvs van brvnsvik stand wahrscheinlich Ludwig Gropengheter aus Braunschweig nahe, der 1421 eine Fünte für die Katharinenkirche in Salzwedel gegossen hat.2) Die Wandung des Kessels wurde nach dem gleichen Schema und unter Verwendung der gleichen Reliefmodeln wie in Halle gestaltet.3) Ludolf und sein gleichnamiger Vater waren für Braunschweiger Kirchen tätig;4) Ludolfs Sohn und Nachfolger Hinrich hat Fünten für die Petri- und die Marienkirche (?) in Berlin gegossen. Letztere ist auf 1437 datiert.5)

Textkritischer Apparat

  1. anno] Davor drei radial angeordnete Rauten.

Anmerkungen

  1. Siehe DI 35 (Braunschweig), Nr. 43, 5759, 65 f.
  2. Eichler 2003, S. 182; vgl. Katalog Magdeburg 2006, S. 251 (Nr. A5; Hartmut Mai).
  3. Vgl. Drescher/Herrmann/Stepansky 1983, S. 57 f., 216 (Abb.).
  4. Thieme/Becker 16, 1923, S. 304; ebd. 23, 1929, S. 441.
  5. Eichler 2003, S. 137; die Zuschreibung der Fünte für die Marienkirche unsicher.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 183 f.
  2. Stiebritz 2, 1773, S. 40 (unvollständig).
  3. Hesekiel 1824, S. 108 (unvollständig).
  4. Förstemann 1835, S. 1095.
  5. Förstemann 1836, S. 643.
  6. Heydemann 1882, Sp. 20.
  7. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 67–69.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 27 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0002704.