Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 22 Roter Turm nach 1418, 1446

Beschreibung

Quader (A) und Eckquader (B) aus Sandstein mit eingehauenen Bauinschriften, an der Westseite des Turmes in ca. 4,50 bzw. 11 m Höhe angebracht. A in einem linear eingehauenen Rahmen auf drei durch eingehauene Linien abgesetzte Zeilen geschrieben. B partiell beschädigt und verwittert, beide Inschriften 2008 konserviert.

Maße: H.: 43 cm (Schriftfeld A), 37 cm (B); B.: 87,5–88 cm (Schriftfeld A), 89,8 cm (B); Bu.: 9 cm (A), 8–8,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    Anno · domini · M° · / · cccc° · xviija) · est · ista / turris · incepta ·

  2. B

    Anno · domini [ · ] Mille/simob) · cccco · xlv[i]°c) · / locatus · est · lapis · iste

Übersetzung:

A Im Jahr des Herrn 1418 ist dieser Turm begonnen worden.

B Im Jahr des Herrn 1446 ist gesetzt worden dieser Stein.

Kommentar

In der sorgfältig ausgeführten Inschrift A schmücken gebogene Zierlinien zahlreiche Bogen- und Schaftenden, deren Enden wiederum z. T. schwellend, z. T. mit einem punktförmigen Abschluß gebildet sind. Einzelnen Buchstaben, insbesondere der Fahne des r und dem Balken des t, sind Zierstriche angesetzt. In est und ista berührt das Bogenende des Schaft-s das obere Schaftende des t. Die Buchstaben der Inschrift B sind schmucklos; die oberen Bogenenden des c sind rechtwinklig umbrochen. Als Worttrenner dienen in A punktförmige Gebilde, in B Quadrangel mit Zierhäkchen an den oberen und unteren Spitzen.

Die Inschriften überliefern Daten zur Baugeschichte des Roten Turmes, die unter Berücksichtigung der parallelen Überlieferung gut dargestellt werden kann. 1418 begann der erste Abschnitt des rechteckigen Turmunterbaus, der ursprünglich mit einem Kaffgesims abgeschlossen wurde.1) Wie die dicht über dem verlorenen Gesims liegende Inschrift B bezeugt, mauerte man ab 1446 den oberen Teil des Turmunterbaus auf. Ab 1455 wurden die Fenster des unteren Oktogongeschosses gesetzt, das vor der Aufhängung der ersten Glocken 1460 vollendet gewesen sein muß.2) Eine dritte Bauinschrift hält fest, daß 1470 das obere Oktogongeschoß in Angriff genommen wurde (Nr. 42). 1474 war der Turm bis zur Mauerkrone fertiggestellt; er erhielt aber erst 1506 seine hohe spitze Haube mit den Ecktürmchen, die 1945 nach Artilleriebeschuß abbrannte und 1975/76 rekonstruiert wurde.3) Die letzte, umfassende Restaurierung fand 2007/08 statt.

Die Datierung der Inschrift A berücksichtigt, daß der in der Höhe plazierte Quader natürlich erst einige Zeit nach Baubeginn versetzt worden sein kann.

Textkritischer Apparat

  1. xviij] Das letzte Zahlzeichen eine i-longa.
  2. Millesimo] Von dem unzialen M nur die Außenkontur erhalten.
  3. xlvio] Von den Buchstaben vor und nach i nur noch Konturen erkennbar; ergänzt nach Krause/Voß.

Anmerkungen

  1. Dieses durch die Überlieferung belegte Gesims (vgl. Olearius 1667, S. 31, 177, 190) wurde vermutlich bei früheren Baumaßnahmen teilweise abgearbeitet und ist nach Schädigung durch den Brand 1945 gänzlich abgegangen; Krause/ Voß 1983, S. 283 und 290 f., Anm. 6 f.
  2. Olearius 1667, S. 193, 196; vgl. auch Nr. 11.
  3. Olearius 1667, S. 202 f., 221–224; vgl. die Gesamtdarstellung der Bau- und Restaurierungsgeschichte bis zur Wiederherstellung der Turmhaube bei Krause/Voß 1983, passim. Die Darlegungen bei Dreyhaupt 1, 1749, S. 1015 f. folgen weitgehend Olearius (siehe Anm. 2, 3 und kopiale Belege). Eckstein 1845 bietet erstmals Inschrift A; Neuß 1946 und Neuß 1947 geben den bis dahin ausführlichsten Abriß der Bau- und Nutzungsgeschichte. Dolgner/Dolgner/ Kunath 2001, S. 24–30 referieren und diskutieren die ältere Forschung. Die ausführlichste Beschreibung bei BKD Prov. Sachsen NF 1. Andere Artikel, die einzelne der seit Olearius bekannten Fakten wiederholen, können hier übergegangen werden.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 31 (B), 177 (B), 190 (B).
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1015 (B).
  3. Stiebritz 2, 1773, S. 32 (B).
  4. Weise 1824, S. 51 (B).
  5. Eckstein 1845, S. 1710.
  6. Puttrich 1845, S. 7.
  7. vom Hagen 1, 1867, S. 239.
  8. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 290 f.
  9. Schultze-Galléra 1920, S. 280 (A).
  10. Ragotzky 1930, S. 48 (A).
  11. Neuß 1946, S. 2 (A), 4 (B).
  12. Krause/Voß 1983, S. 290, Anm. 5 (A), 291, Anm. 7 (B).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 22 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0002209.