Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 15† Ulrichskirche 14. Jh. (?)

Beschreibung

Mittlere Glocke des ehemals dreiteiligen Geläuts, 1902 umgegossen.1) Umlaufende Inschrift unter der Schulter (Gebet), „die durch eine in den Glockenmantel sehr kräftig eingeritzte Zeichnung entstanden“ ist. „Unter diesem Inschriftstreifen“, schreibt Gustav Schönermark, „zieht sich ein anderer von gleicher Breite her, welcher wie der obere von zwei kräftigen Schnüren begrenzt wird. Er ist durch dem Glockenmantel schwach eingeritzte Zickzacklinien in mehrere Felder getheilt, und in diesen befinden sich folgende ziemlich kräftige Reliefs: ein Medaillon, welches Simson mit dem Löwen darstellt, ein zweites, auf welchem man einen Reiter erblickt, vielleicht den heiligen Georg, ein drittes mit den Figuren des Erzengels Gabriel und der Maria, also die Verkündigung bedeutend, ein viertes, etwas kleineres, muthmaaßlich das Opfer Isaaks darstellend, ein fünftes, ebenfalls kleiner mit einer sitzenden unbestimmbaren Figur. Dann folgt ein Cruzifixus mit Maria und Johannes zu den Seiten (...). Hierauf sieht man Maria mit dem Kinde in sitzender Haltung, und dann folgt wiederum ein Cruzifixus (...) zu dessen Seiten Maria und an Stelle Johannis (...) wohl Barbara steht. (...) Nun folgt eine kleine sitzende Maria mit dem Kinde und schließlich ein anderes sitzendes, doch nicht kenntliches Figürchen (...).“2)

Nach BKD Prov. Sachsen NF 1.

Maße: D.: 155 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. + O · REX · GLORIE · CRISTEa) · VENI · CV(M) · PACEb)

Übersetzung:

O Christus, König der Herrlichkeit, komme mit Frieden.

Kommentar

Die Glocke gehörte wahrscheinlich zum Geläut der alten, 1531 aufgegebenen Pfarrkirche St. Ulrich.3) Wenn das so war, dann wurde sie mit dem ganzen Geläut zunächst in der nahe der neuen Pfarrkirche befindlichen ehemaligen Wolfgangskapelle und 1666 in einem neuen Glockenstuhl auf dem Dach der Ulrichskirche aufgehängt.4)

Die mittlere Glocke soll nach Gustav Schönermark mehrere Jahrzehnte jünger gewesen sein als die kleinste Glocke des Geläuts, die eine vergleichbare Inschrift trägt (Nr. 8).5) Die künstlerische Qualität der Reliefs vermochte den kritischen Inventarisator nicht zufriedenzustellen; er bezeichnete sie als „mittelmäßig“.6)

Textkritischer Apparat

  1. CRISTE] Christe Olearius, Dreyhaupt.
  2. PACE] Das E in kleinerem Schriftgrad dem C eingeschrieben.

Anmerkungen

  1. Ragotzky 1918, S. 51. Nach Ulrichskirche 1939, S. 23 wurde sie möglicherweise erst 1905 umgegossen. Eine sichere Identifizierung mit einer der beiden ebenda erwähnten Glocken des 14. Jh. ist aber wegen der widersprüchlichen Angaben der Autoren nicht möglich.
  2. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 186.
  3. Siehe Einleitung, S. XII, XXVI.
  4. Siehe dazu Nr. 8.
  5. Eine Deutung der Inschrift als Chronogramm (1373), wie es Olearius 1667, S. 166 und Dreyhaupt 1, 1749, S. 1053 vorschlagen, ist für Inschriften des 14. Jh. auszuschließen.
  6. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 186.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 166.
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1053.
  3. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 186.
  4. Ragotzky 1918, S. 56.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 15† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0001504.