Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 11† Roter Turm 2. D. 14. Jh.

Beschreibung

Glocke,1) beim Brand des Turmes 1945 zugrunde gegangen. Unter der Schulter eine schwach erhabene Weiheformel und „noch ein Band von Medaillons, Crucifixen und dergl. erhabene Zierrathen, von denen auch einzelne auf der Glocke angebracht sind.“2)

Nach BKD Prov. Sachsen NF 1.

Maße: D.: 159 cm.3)

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen 39. Jg. (1889), Bl. 8 [1/1]

  1. HEC · CAMPANA · PIE · RESONAT · SUB · HONORE · MARIE ·

Übersetzung:

Diese Glocke ertönt gottgefällig zu Ehren der Maria.

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Einige Buchstaben (MARI), die Gustav Schönermark 1889 abgebildet hat,4) lassen eine ungelenke Schriftausführung erkennen. Das A war pseudounzial und hatte einen schwellenden linken Schaft und einen beidseitig überstehenden Deckbalken. Sämtliche Schäfte (außer der des A) und sogar die Bögen des unzialen und geschlossenen M wiesen Nodi bzw. Halbnodi auf.

Aus dem Alter und der Weiheformel der Glocke kann vorsichtig geschlossen werden, daß diese ursprünglich für die westlich des Roten Turmes gelegene Marienkirche gegossen worden war. Sie gehörte wahrscheinlich zu den beiden 1460 aus den Westtürmen der alten Marienkirche, den Hausmannstürmen,5) auf den Roten Turm überführten Glocken, von denen Gottfried Olearius berichtet.6) Der Rote Turm war als Glockenturm der Marienkirche erbaut worden, wie aus der bei Vollendung des Turmhelms 1506 verfaßten, im Turmknauf niedergelegten und bei Olearius wiedergegebenen Urkunde hervorgeht7) und wie sich auch an der noch im 17. Jh. gebräuchlichen Bezeichnung „Liebfrauenturm“ zeigt.8)

Anmerkungen

  1. Gewicht 3500 kg, Schlagton d; Grothe 2003, o. S.
  2. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 288 f.
  3. Ebd., S. 288.
  4. Schönermark 1889, Taf. 8, Abb. 14.
  5. Zur alten Marienkirche s. Einleitung, S. XXII.
  6. Olearius 1667, S. 196.
  7. Ebd., S. 221–224; eine Übersetzung bei Neuß 1947, S. 11–14. Siehe auch Krüger 2006.
  8. Olearius 1667, insbesondere S. 203: „unser L(ieb) Frauen Thurm oder rothen Thurm“.

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 288.
  2. Schönermark 1889, Sp. 187 und Taf. 8 (Abb. 14).
  3. Ragotzky 1918, S. 51.
  4. Neuß 1947, S. 20.
  5. Grothe 2004, S. 67.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 11† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0001106.