Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 7†(?) Laurentiuskirche um 1300

Beschreibung

Glocke mit steiler Schulter und ausladendem Schlagring, 1940 oder bald darauf in das Sammellager für Glocken nach Hamburg gebracht1) und von dort nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht zurückgekehrt. An der Schulter, zwischen zwei flachen breiten Stegen ein Gebet in Konturschrift ausgeführt. Zwei weitere Stege am Wolm.

Nach Fotografie.

Maße: D.: 60 cm; Bu.: ca. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.2)

  1. O REXa) · GLORIE · UENI · CUM · PA(CE)b) ·

Übersetzung:

O König der Herrlichkeit, komme mit Frieden.

Kommentar

Bis auf das N sind alle in Frage kommenden Buchstaben von unzialer Form. Das vermutlich pseudounziale A ist spiegelverkehrt wiedergegeben, das unziale M links geschlossen. Auch zwei der drei E sind geschlossen. Einzelne Buchstaben zeichnen sich durch hakenförmige bzw. eingerollte Sporen aus. Als Worttrenner dienen kleine Kreise.

Der biblische Ehrentitel „Rex gloriae“ (PsG 23,7–10) ist hier wie in verschiedenen Gebeten und Benediktionen Christus zugedacht.3) Die Liturgie der Kirchweihe adaptiert die Psalmworte, indem der Bischof die zu weihende Kirche dem „König der Herrlichkeit“ öffnen läßt. Unmittelbar nach seinem Eintritt erbittet der Bischof ewigen Frieden („pax aeterna/perennis“) für das zukünftige Gotteshaus.4) Der Ritus brachte die wesentlichen Teile des vorliegenden Gebets (Anrufung und Friedensbitte) in einen Zusammenhang, der in anderen Benediktionen ausformuliert wurde.

Das Formular als Ganzes wurde als Wettersegen gesprochen5) und könnte auf eine Verwendung der Glocke als Wetterglocke hinweisen.6) Ihr Klang schützte vor Blitz und Unwetter und beschwor Frieden für das Gotteshaus, wie es bei der Einweihung erbeten worden war. Darüber hinaus kann der bei Christi Wiederkehr verheißene ewige Frieden angesprochen sein, wie aus der in manchen Glockeninschriften auftretenden Erweiterung des Formulars ersichtlich ist.7) Seit dem 13. Jh. war die vorliegende eine der gebräuchlichsten Glockeninschriften.8)

Den richtigen Versuch einer Datierung der Glocke in die erste Hälfte des 14. Jh., den Gustav Schönermark 1886 unternahm, änderte er 1889 irrtümlicherweise in eine Datierung „einige Jahrzehnte nach der Mitte des 12. Jahrhunderts“.9)

Textkritischer Apparat

  1. O REX] Kein Wortabstand.
  2. PACE] Kein Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. LDA, Glockenerfassung vom 3. Mai 1940 und Liste des Glockenlagers Hamburg. Der Mitteilung bei Wagner 1927, S. 41, daß diese Glocke „jetzt“ auf dem Türmchen des Hospitals St. Cyriaci et Antonii hänge, liegt vermutlich ein Irrtum zugrunde. Die Hospitalglocke ist nach dem Zweiten Weltkrieg verlorengegangen.
  2. Alle Angaben nach Beschreibungen und Abzeichnungen bei BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 264–266; Schönermark 1889, Sp. 179 f. sowie Taf. 8, Abb. 4 und Fotografie.
  3. Vgl. Schott 1956, S. [181] (Te Deum), [187] (Litanei vom heiligsten Namen Jesu). In anderen hallischen Glockeninschriften tritt dieser Bezug klar zutage (Nr. 15, 66).
  4. Steffens 1893, S. 40–45.
  5. Vgl. Franz 2, 1909, S. 87 (Benedictio contra fulgura), 90 f. (Benedictio contra tempestates).
  6. Zu den sog. Wetterglocken s. HdA 5, 2000, Sp. 938–945 (Perkmann), insbesondere Sp. 939 f.
  7. „O REX GLORIE VENI CVM PACE DIGNARE NOS SALVARE AMEN“; DI 62 (Lk. Weißenfels), Nr. 25.
  8. Friedrich Winfrid Schubart hat Aufkommen und Verbreitung in Zusammenhang mit der sogenannten Gottesfriedensbewegung gesehen; Schubart 1896, S. 542–545.
  9. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 266; Schönermark 1889, Sp. 180.

Nachweise

  1. Fotografie im Glockenarchiv des LDA.
  2. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 264–266 (unvollständig).
  3. Schönermark 1889, Sp. 179 f. und Taf. 8, Abb. 4.
  4. Wagner 1927, S. 41.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 7†(?) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0000702.