Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 75 Bogen 75 1578

Beschreibung

Memento mori (A), in drei Textblöcken nebeneinander angeordnet, die Buchstaben bei Instandsetzung z. T. mit Mörtel bedeckt. Stiftervermerk mit Widmung und Glaubensbekenntnis (C). Medaillons in den Bogenzwickeln und im Bogenscheitel abgearbeitet. Sterbevermerke und Segenswünsche in die linke der beiden, in der Rückwand der Bogenkammer befindlichen Nischen mit dunkler Farbe übereinander gemalt (EA, EB). Diese Wandinschriften waren vermutlich schon 1674 vermauert – sonst hätte sie Olearius wahrscheinlich erwähnt – und wurden erst 2003 wieder freigelegt. Das erklärt ihren guten Erhaltungszustand. Am Pfeiler ein Steinmetzzeichen.1)

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    VITA · VIATORIS · [QVASI · T]RANSITVS · OMNIA · FINEM · /QVICQVID · HI[C · IMM]VNDVS · MVNDVS · HONORAT · HABENTa) : //TRANSIT · HONOR · TRANSIT · FORTVNA · PECVNIA · TRANSIT · /MENTE DEOb) · SIMILIS · CORPORE · TRANSIT · HOMO · //TRANSIVERE · PATRES · SIMVL · HINC [· TRANSIBIMVS · OMNES ·] /AETERNAM · PATRIAM · QVI · BENE · TRANSIT · H[ABET ·]2)

  2. C (†)

    Nach CHristi unsers lieben HErren und Seligmachers Geburth, 1578. haben die Achtbahren und Erbare M(agister) Johannes, Martin, Moritz un(d) Christoph Puchbach, Gebrüder und Vettern, zum Bekäntnüß der frölichen aufferstehung der Todten und Gedächtnüs ihres Geschlechts diesen 63. Bogen machen lassen.

  3. EA

    ANNOc) CHRISTI 15[67 DEN 19 JVNII IST DER]d) / ERBAR FRANTZ PVCHB[ACH] [- - -] / MADEBVRGISCHER CAM(M)ERMEISTER · IN GOT . SEL[IG] / ENTSCHLAFFEN . SEINSe) ALTERS . IM . 57 JAHR · DEM GOT / EIN FROLICHE AVFFERSTHEVNG VORLEIHE.f)

  4. EB

    ANNOc) CHRISTg) 1575 DEN 5 JVNII IST DER ERBAR MARTIN : / PVCHBACH DER ELTER VON NORTHAVSEN ALHIER · ZV : / HALLE IN GOT SELIGLICH ENTSCHLAFFEN SEINS ALTERS : / IM 63 IHAR · DEM GOT EIN FROLICHE AVFFERSTHEVNG VORLEIHE

Übersetzung:

A Das Leben eines Wanderers ist gleichsam ein Übergang zum Ende. (Sie) haben alles, was diese unreine Welt ehrt: Ehre, die vergeht, Glück, das vergeht, Geld, das vergeht. Nach göttlichem Willen vergeht ähnlich der Mensch durch (seinen) Körper. Sobald alle Väter hinübergegangen sind, werden wir von hier hinübergehen. Wer gut hinübergeht, der hat eine ewige Heimat.

Versmaß: Drei elegische Distichen (A).

Kommentar

Als Worttrenner dienen in A Dreiecke auf der Zeilenmitte.

Der Text der Inschrift A wurde einem Emblem entnommen, dessen Motto „Transeundum“ und zweite Subscriptio3) auf die Vergänglichkeit aller irdischen Güter hinweisen und das zeitliche Leben als Wanderschaft und Übergang zum ewigen Leben beschreiben. Die Aussage des Emblems gleicht einem Memento mori. Die hier vorliegende Variante, die am Ende des zweiten Verses den Plural HABENT wählt, läßt das Subjekt vermissen – falls es sich nicht um einen Schreibfehler handelt.

In EA sind die Initialen der Namen sowie die weiterer, durch Anmerkungen gekennzeichneter Worte überhöht. In derselben Inschrift wurden auch einzelne Textabschnitte durch unregelmäßig gesetzte Zeichen herausgehoben. Über den Ziffern (außer der letzten) liegen Striche; die Linien der Zeilenbegrenzung sind in beiden Inschriften größtenteils noch erkennbar. Die Unterschiede der Ausführung der Inschriften EA und EB deuten darauf hin, daß sie trotz gleichen Duktus zu verschiedenen Zeiten, aber erst nach Errichtung der Bogenkammer 1578 angebracht worden sind.

Franz und Martin Puchbach (EA, EB) waren Brüder, die in Inschrift C Genannten ihre Söhne: zu Franz s. Nr. 248, zu Martin d. Ä. s. Nr. 208, zu Martin d. J. s. Nr. 329, zu Johannes s. Nr. 352. Moritz und Christoph Puchbach, die Söhne des Franz, starben 1591 bzw. 1626.4)

Textkritischer Apparat

  1. HABENT] Bei Reusner 1581: habet, vermutlich mit Bezug auf VITA.
  2. MENTE DEO] Kein Wortabstand.
  3. ANNO] Der erste Buchstabe überhöht.
  4. 1567 DEN 19 JVNII IST DER] Ergänzt analog Inschrift EB und Nr. 248.
  5. SEINS] Der erste Buchstabe überhöht.
  6. VORLEIHE] Der erste Buchstabe überhöht.
  7. CHRIST] Sic!

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 42.
  2. Nach der zweiten Subscriptio eines Emblems von Nicolaus Reusner; Reusner 1581, S. 177.
  3. Bei Henkel/Schöne 1996, Sp. 984 ohne Subscriptio wiedergegeben.
  4. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 24 („Geschlechts-Register der Buchbache“).

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 75 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1007502.