Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 50 Bogen 50 1566

Beschreibung

Bibelzitate (AA, AB), in zwei Textblöcken nebeneinander angeordnet; Stiftervermerk (C). Steinmetzzeichen am linken Bogensegment1) und am Gebälk über Pfeiler2) und Bogen.3) Der Bogen seit 1835 eine Torfahrt.

  1. AA

    ICH WEIS DAS MEIN ERLOSER LEBT VND ER WIRD MICH HER NACH AVS D[ER] / ERDEN AVFER WECKEN VND WERDE DARNACH MIT DIESER MEINER HAVT VMB / GEBEN WERDEN VND WERDEN IN MEINEM FLEISCHE GOTT SEHEN HIOB· 194)

  2. AB

    [DEINE · T]HODEN · WERDE[N] · LE[B]EN · VN[D] · MIT [·] DEN · LEICHNAM · AVFERSTHEN / [WACHE]T · VND · RVMET · DIE · IHR · LIGE[T] · VNDER · DER · ERTEN · DEN · DEIN / [TAW · I]ST · EIN · TAW · DES · GRINEN · FELDES · IOHAN · AM · 26 · 5)

  3. C

    ANNO 1566a) HAT DER ERSAM VND VORSICHTIGE IAC[O]B MIC[HAEL] [– – –] [DIE]SEN [3]9b) BOGEN BAWEN LASSENc)

Kommentar

Die Inschriften AA und AB weisen abweichende Buchstabenformen auf. In AA hat das E einen sehr kurzen Mittelbalken und das N einen geschwungenen Schrägschaft. Der untere Schrägschaft des K bzw. die Cauda des R fallen vergleichsweise steil ab. In AB dagegen fehlen die genannten Merkmale; die Cauda des R schwingt weiter aus, und das M hat schräge Schäfte. Außerdem stehen Worttrenner in Form von Quadrangeln auf der Mittellinie. Die paläographischen Unterschiede weisen auf eine Ausführung durch verschiedene Steinmetzen hin. Sie könnten für verschiedene Auftraggeber tätig gewesen sein, die den Bogen anteilig nutzen, wie es für den Stadtgottesacker mehrfach belegt ist. Nach Gottfried Olearius war der 50. als erster Bogen zwischen zwei Eigentümern geteilt.6)

In der Mitte des Bogens ist die Inschrift C auf einer Länge von etwa 140 cm verschwunden, als der Bogenscheitel mit einem Werkstein von 62 cm Breite gestreckt wurde, so daß die Kammeröffnung heute von einem Korbbogen überspannt wird. Da sich Inschrift C auf beiden Seiten des heutigen Scheitelpunktes zur Mitte hin absenkt und in diesem Bereich zugleich Spuren einer nachträglichen Anhebung des Bogenprofils erkennbar sind, muß man eine ursprünglich andere bauliche Lösung annehmen, die vermutlich in einem über einer Mittelstütze errichteten Doppelbogen bestand.7) Im Vergleich zu den benachbarten Bögen weisen die Bogensegmente seitlich einen steileren Ansatz und eine stärkere Krümmung auf, was kleinere Bogenradien ergibt. Spätestens bei Anlegung des Tores müßte die Mittelstütze entfernt und die Bogenkonstruktion verändert worden sein.

Ein oder der Bauherr war vermutlich der Pfänner Jakob Michael Mühlbeck, Talschöffe, Ratsweinmeister und Ratsmühlherr8) und mutmaßlicher Vetter jenes Sebastian Michael, der die Bogenkammer 20 erbauen ließ (Anhang 1, Nr. 20).

Textkritischer Apparat

  1. 1566] Das untere Bogenende der zweiten 6 erhalten.
  2. IACOB MICHAEL [– – –] DIESEN 39] Von den im Sinnzusammenhang lesbaren Buchstaben und Ziffern nur noch der obere Teil erhalten.
  3. Die bauzeitliche Inschrift wird überdeckt von einer zweiten, eingehauenen, heute kaum noch lesbaren Inschrift des 17. Jh., die in Fraktur ausgeführt ist. Wahrscheinlich handelt es sich um den Besitzvermerk des Andreas Küchenmeister aus dem Jahr 1651; vgl. Olearius 1674, S. 51.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 42.
  2. Ebd., Nr. 42, 46.
  3. Ebd., Nr. 42, 64.
  4. Hi 19,25–26 nach Luther; vgl. Volz 1972, S. 937.
  5. Irrtümlicher Zitatnachweis. Es handelt sich um Jes 26,19 nach Luther; vgl. Volz 1972, S. 1207.
  6. Die Bogenkammer soll um 1590 zwischen Kilian Kessel und Jakob Michael (Mühlbeck) als Nr. 40 und 41 geteilt gewesen sein; Olearius 1667, fol. Sssiijv.
  7. In diesem Sinne ist vielleicht die Mitteilung Gottfried Olearius’ zu verstehen, daß hier „2. halbe Bogen“ bestünden; ebd.
  8. StAH H B 2, fol. 84v; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 96 („Geschlechts-Register derer Mühlbecke“).

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 50 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1005005.