Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 42 Bogen 42 1565

Beschreibung

Gebet (A) und Stiftervermerk mit Widmung (C); A teilweise verwittert. „Zu beyden Seiten des Bogens seynd zwey in Stein gehauene Mannsbilder eingemauret“.1) Diese, auf den reliefierten Bogenzwickeln befindlichen Bildnisse und ihre Namensbeischriften (EA) mit Devise (EB) heute abgeschlagen. Das Wappen auf dem Medaillon im Bogenscheitel vermutlich 1825 (Inschrift) abgearbeitet. Steinmetzzeichen an Pfeiler,2) Bogen3) und Gebälk.4)

  1. A

    [IC]H · PETER · RAVSCHER · IN · DIS · G[RAB] ··MEIN · TODEN [· CO]RPERa) · G[E]LEGET · HAB ··DAS · ER · RVHE · BIS · AN · IVNSTENb) · TAGK ··AVF [· DAS ·] ER · DA[N · MIT · F]REVDEN · MAGK ··AVFSTEH[N ·] DA · DV · / MEIN · SEHL · HERR · CHRIST ··WELCH · ITZT · IN · DEINEN · H[END]ENc) · IST ··MIT · DEM · GEREINIGETEM · CORPER · MEIN ··VEREINGEN [· WIR]ST · Z[V · GEMEI]NSCHAFT · FEIN [·]· /MIT · DIR · ZVHABEN · IN · DEIM · REICH ··VND · VATERN · HE[ILGE]Nd) · GEIST · ZVGLEICH ··

  2. C

    ANNO · 1565 · HAT · DER · ERBARE · VND · NAMHAFTIGE · PETER · RAVSCHER · RATSMEISTER · ZV · EHREN · e) // SEINES · GESCHLECHTZ · VND · ZV · EINER · RHVSTEDT · SEINES · LEIBES · BIS · ZVR · FROHLICHEN · AVFERSTEHVNG · DER · TODT//E(N)f) // DISEN · 31 · BOGEN · BAVEN · LASEN · HANS BAMBERGKg) // HANS REVSCHERh)

  3. EA (†)

    Hans Bamberg. Anno Domini 1560. aetat(is) suae 64.

  4. EB (†)

    Hans Reuscher. Spes mea in Domino.5) Aetat(is) 76.

Übersetzung:

EA Hans Bamberg. Im Jahr des Herrn 1560, im 64. (Jahr) seines Alters.

EB Hans Reuscher. Meine Hoffnung (ruht) im Herrn. Im 76. (Jahr seines) Alters.

Versmaß: Zehn Reimverse (A).

Kommentar

Als Worttrenner dienen Quadrangel auf der Mittellinie. Die Versenden in A sind durch je zwei Worttrenner markiert. Der genaue Standort und die Zweckbestimmung der Inschriftenträger von EA und EB ist nicht mehr aufzuklären. Vielleicht sind die Inschriften unvollständig überliefert.

Der Verfasser von A erfreut sich einer geradezu naiven Heilsgewißheit, die er in Anlehnung an die Worte Hiobs in holprigen Versen vorträgt. Er beschreibt den postmortalen Übergangszustand von Seele und Körper: Während der Körper in der Erde ruht, ist die Seele in einer überzeitlich und raumlos gedachten Übergangsphase, dem Seelenschlaf. Hervorzuheben sind das Tempus des Prädikats und die Entschiedenheit der Temporalbestimmung, die den Satz akzentuieren: MEIN SEHL WELCH ITZT IN DEINEN HENDEN IST. Daraus spricht die Gewißheit, daß die Seele des Verstorbenen jetzt und immerfort teil hat am rechtfertigenden Verdienst Christi und am Jüngsten Tag Erlösung erwarten darf.6)

Der Ratsmeister Peter Rauscher starb am 8. Juni 1565, im ersten Jahr seines Amtes.7) Sein Tod wird Anlaß zum Bau dieses Bogens gegeben haben. Wenn kein Abschreibefehler des Kopisten vorliegt, dann könnte Hans Bamberg bereits 1560 verstorben sein und seinen Anteil am Bau des Bogens, wie es bei einem anderen Bogen auch geschehen ist (s. Anhang 1, Nr. 19C), testamentarisch eingebracht haben. Seine und Hans Reuschers8) verwandtschaftlichen Beziehungen zu Peter Rauscher sind nicht geklärt.

Textkritischer Apparat

  1. CORPER] Ergänzung nach Zeile 7.
  2. IVNSTEN] Sic! Für IVNGSTEN.
  3. HENDEN] Ergänzung des Umlauts unsicher.
  4. HEILGEN] Schreibung aus Platzgründen und in Analogie zu VEREINGEN ursprünglich wohl so.
  5. EHREN ·] Danach Unterbrechung durch Medaillon im Bogenscheitel.
  6. TODTEN] Der letzte Buchstabe ist auf den Rahmen der Schriftzeile geschrieben. Als Kürzungszeichen ein Kompendienstrich auf dem Rahmenprofil über D und T.
  7. HANS BAMBERGK] Davor ein größeres Spatium, danach Unterbrechung der Schriftzeile durch das Medaillon im Bogenscheitel.
  8. HANS REVSCHER] Auf dem rechten Bogensegment mittig plaziert.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 44.
  2. Siehe Anhang 2, Nr. 51.
  3. Ebd., Nr. 48, 52.
  4. Ebd., Nr. 46.
  5. Nach PsG 61,8 und Lam 3,18.
  6. Vgl. auch Einleitung, S. XLIII.
  7. Dreyhaupt 2, 1750, S. 343; Hünicken 14, 1938, S. 330. Seine Identität mit jenem P. Rauscher, der St. Moritz 100 Gulden stiftete, ist unsicher; vgl. Wolf 1856, S. 55.
  8. Im Totenregister der Marktkirche ist der Tod eines Bäckers namens Hans Reuscher im Jahr 1558 vermerkt; Hünicken 14, 1938, S. 330. Könnte es sich um denselben handeln? Zu H. Reuscher s. auch Nr. 187.

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 42 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1004203.