Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 22 Bogen 22 1560–1562

Beschreibung

Stiftervermerk mit Totenlob (A). An Bogenzwickeln1) und Gebälk Steinmetzzeichen;2) im Bogenscheitel ein leeres Medaillon.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    CONDIDIT . HOS . ETIAM . PAVLVS . PRAETORIVSa) . ARCVS .INSIGNES . CLIPEOS . CVIVS . ET . ARMA . VIDESNAM . VELVTI . PRAETOR . SOLIO . SVBNIXVS E[BVR]NO .DIGNA . BONIS . TRIBVIT . PRAEMIA . DAMNAb) . MALIS . /SIC QVOQVAE . IVSTICIAM . PACEMQVAE . FIDE(M)QVAE TVETVR .CO(N)VENIENSQVAE . SIBI . NOMEN . ET . OMEN . HABET .VTQ(VAE) . PARES . CRESCVNT . PEN(NI)S . ILLVSTR[I]BVS . ALTAEc) .ET . GALEAE . SCVTV[M] . IVSTA . CORONA . PREMIT . /SIC . ALTAE . ASSVRGIT . DONATVS . A . CVMINEd) . MENTIS .DVM . REGIT . INGENIO . MARCHICA . SCEPTRA . SVO .HIC . VBI . SAXONICAS . MODERATVR . PRA[E]SVLe) . HABENAS .MAGNANIMO . SOBOLESf) . PRINCIPE . DIGNA . PATRE /CAESARIS . HOC . DONVM . EST . TANTVM REGALIBVS . ORNANS .DOTIBVS . ET . VERA . NOBILITATE . VIRVM .VIVAT . PERPETVOg) SITQ(VE) . A . LIVORE . SOLVTVS .QVEM . SVVS . EX . MERITO . CVNQVAEh) . TVETVR . HONOSi)

Übersetzung:

A Diese Bögen errichtete Paul Prätorius, dessen kennzeichnende Schilde und Wappen du auch siehst: Denn ebenso wie ein Prätor auf einem elfenbeinernen Thron sitzend den Rechtschaffenen angemessenen Lohn und den Übeltätern Strafen zuteilt, so schützt auch er die Gerechtigkeit, den Frieden und den Glauben und hat einen ihm entsprechenden Namen und ein zu ihm passendes Wappenbild. Und wie die Flügel mit glänzenden Federn gleichermaßen hervorwachsen und auf dem Schild eine gebührende Helmkrone sitzt, so schwingt er sich empor, beschenkt durch den Scharfsinn eines hochstehenden Geistes, während er durch seine Begabung die markgräfliche Herrschaft lenkt, hier, wo ein seines hochherzigen fürstlichen Vaters würdiger Sproß als Bischof die sächsischen Zügel führt. Das ist eine Gnade des Kaisers, die nur einen so bedeutenden Mann von wahrem Adel mit königlichen Gaben auszeichnet. Möge er ewig leben und möge er vom ewigen Neid erlöst sein, er, den seine Ehre schützt, die er durch jedes seiner Verdienste errungen hat.

Versmaß: Acht elegische Distichen.

Kommentar

Der erste Buchstabe jedes Verses ist überhöht. Hervorhebenswert sind die sonst seltenen Enklaven. Als Worttrenner stehen Dreiecke auf der Grundlinie. Auffällig ist die hyperkorrekte Schreibung des angehängten QVAE.

Abweichend von der Gepflogenheit, auf dem Fries biblische oder erbauliche Texte anzubringen, wurde hier ein Stiftervermerk mit Totenlob plaziert. Der Bauherr, Magister Paul Prätorius (1521–1565), hatte in Wittenberg und Frankfurt (Oder) studiert und alsbald das Rektorat der Stadtschule in seiner Heimatstadt Bernau (Brandenburg) übernommen. 1544 wurde er Erzieher der Söhne Kurfürst Joachims II. von Brandenburg und ging mit seinem Zögling Sigismund 1554 nach Halle, als dieser Erzbischof von Magdeburg geworden war. Als Geheimer Rat soll er die reformatorische Gesinnung des Erzbischofs maßgeblich gefördert und diesen außerdem bewogen haben, das ehemalige Barfüßerkloster dem Rat zur Einrichtung eines Stadtgymnasiums zu überlassen. Prätorius selbst stiftete testamentarisch drei Stipendien für arme Bürgersöhne. Als Gesandter Erzbischof Sigismunds weilte er an auswärtigen Fürstenhöfen, so auch am Hof Kaiser Ferdinands I. Der Kaiser erhob ihn in den Adelsstand und verlieh ihm den Titel eines kaiserlichen Rats.3)

Das zweite Distichon vergleicht das Wirken des Prätorius mit dem römischen Amt des Prätors, der richterliche Aufgaben wahrnahm und zu dessen Amtszeichen ein besonderer Stuhl, die Sella curulis, gehörte.4) Das vierte Distichon gibt eine Beschreibung des Wappens des Prätorius, von dem kein Abbild überliefert ist. Das fünfte und sechste Distichon bezieht sich auf den Dienst Prätorius’ am Hofe des Erzbischofs von Magdeburg, Markgraf Sigismund von Brandenburg; das siebte hält die Erhebung in den Adelsstand in Erinnerung.

Textkritischer Apparat

  1. PRAETORIVS] S in kleinerem Schriftgrad in V eingestellt.
  2. DAMNA] digna Dreyhaupt 2, 1750, S. 691.
  3. ALTAE] Buchstaben paarweise in Nexus litterarum. alae Dreyhaupt 2, 1750, S. 691.
  4. A CVMINE] Sic! Für ACVMINE.
  5. PRAESVL] A und E ursprünglich vielleicht in Nexus litterarum.
  6. SOBOLES] E in kleinerem Schriftgrad in das L eingestellt.
  7. PERPETVO] perpetue Dreyhaupt 2, 1750, S. 691.
  8. MERITO CVNQVAE] Sic! Für MERITOCVMQVE.
  9. HONOS] Das S in kleinerem Schriftgrad in das O eingestellt.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 2, Nr. 15, 35.
  2. Ebd., Nr. 35.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 690 f.; Hünicken 14, 1938, S. 312.
  4. Pauly 4, 1972, Sp. 1114–1116 (Hans Volkmann).

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 22 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1002201.