Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 521 Moritzkirche (1649), 1650

Beschreibung

Vier farbige Gemälde auf Leinwand (?), die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi (Nr. 1–3) sowie das Jüngste Gericht (Nr. 4) darstellend, zum Zeitpunkt der Erfassung (2009) in einer Loge an der Westseite der Kirche abgestellt. Nr. 1, 2 und 4 gerahmt, aber in schlechtem Erhaltungszustand: Verschmutzung, starke Rißbildung und partieller Verlust der Malschicht. Das ungerahmte Gemälde der Auferstehung, Nr. 3, besser erhalten, vermutlich restauriert. Auf Nr. 1 der schwarz aufgemalte Kreuztitulus (A), auf Nr. 4 eine teils verblaßte, teils fragmentierte Inschrift, vermutlich mit einem Sterbevermerk (B). Im Vordergrund auf dem unteren Teil dieses Gemäldes eine Frau, die, von einem Engel gezogen, nackt ihrem Grab entsteigt, um sich dem Zug der Seligen am linken Bildrand anzuschließen. Am rechten Bildrand der weit aufgerissene Höllenschlund, der die Verdammten verschlingt. In einer Zwischenzone des Bildes posaunenblasende Engel, darüber in einer Wolkenöffnung Christus, dessen Haupt eine Strahlengloriole umfängt. Zu seinen Seiten Heilige: links u. a. die Gottesmutter Maria und Johannes, der Visionär des Jüngsten Gerichts, mit einem Buch, rechts u. a. Johannes der Täufer und Petrus mit den Schlüsseln. Auf dem am unteren Bildrand angeschnittenen Deckel des geöffneten Grabes, dessen Ecke in das Bild ragt, die Inschrift B zweizeilig auf dem Rand und (vermutlich) zweizeilig im Binnenfeld des Deckels in einem helleren auf einem dunkleren Ockerton gemalt.

Maße: H.: 164–165,5 cm (1, 2, 4), 172 cm (3); B.: 118–118,5 cm (1, 2, 4), 123,5 cm (3);1) Bu.: 1,5 cm (A), 1–1,2 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis, Fraktur (B).

  1. A

    I(HESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)2)

  2. B

    [- - -] ERBARN VN[ . ]a) WO[- - -]b) / [- - -]Ec) VERSTORBE(N) / ANNOd) . 1 . 6 . 50 de[- - -] / DER SELEN [- - -] // Selig [- - -] / [- - -]

Übersetzung:

A Jesus von Nazareth, König der Juden.

Kommentar

In A markieren Punkte auf der Grundlinie die Kürzungen und haben die I-Buchstaben Punkte.

In der ersten Zeile von B sind die Wortabstände kaum erkennbar. Diese zu einem erheblichen Teil unlesbare oder verlorene Inschrift3) erinnert sehr an die gängigen Formulare von Grabinschriften. Epitheta wie „ehrbar“ und „wohlgeacht“ oder „wohlweise“ sind auf hallischen Grabmälern im späten 16. und mehr noch im 17. Jh. nachweisbar.4) Die Inschrift gibt dem Bild und dem Zyklus, zu dem es gehört, den Charakter eines Epitaphs.

Die vier Gemälde sind sicherlich jene, die der Maler Michael Beyer 1649 für das vorreformatorische Altarretabel der Kirche (Nr. 93) geschaffen hat.5) Sie verdeckten die vier Bilder der ersten Wandlung mit Christus Salvator, Maria als Himmelskönigin sowie Heiligen des Neuen Testaments und der frühchristlichen Zeit.6) Die Gemälde wurden vor dem Jahr 1824 wieder abgenommen,7) auf Keilrahmen gespannt und gerahmt.

Michael Beyer hat 1666 die Kanzel der Marktkirche neu gefaßt (Nr. 295) und soll auch an der Ausgestaltung des Orgelprospekts der Ulrichskirche 1673–1675 beteiligt gewesen sein.8)

Textkritischer Apparat

  1. VN[ . ] Wahrscheinlich VND.
  2. WO[- - -] Als dritter Buchstabe vielleicht H.
  3. [- - -]E] Weitere Buchstabenfragmente.
  4. ANNO] Der erste Buchstabe überhöht.

Anmerkungen

  1. Ohne Rahmen, gemessen an der Rückseite.
  2. Io 19,19.
  3. Ein Teil der Inschrift könnte beim Aufziehen der Leinwand auf die Rahmenleiste des Keilrahmens gezogen worden und erhalten geblieben sein – wäre aber jetzt durch den äußeren Rahmen verdeckt.
  4. Vgl. z. B. Nr. 385, 436, 519 („ehrbar“ und „wohlgeacht“) oder 341 („ehrbar“ und „wohlweise“).
  5. Olearius 1667, S. 449.
  6. Vgl. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1084; Weise 1829, S. 84–88; BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 150.
  7. Die spätgotischen Tafelbilder schon bei Weise 1824, S. 61 beschrieben.
  8. Dehio 1999, S. 268 (Hans-Joachim Krause).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 521 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0052107.