Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 506† Stadtgottesacker 1646

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Epitaph aus Stein für Dr. Bruno Stisser, einstmals in die Rückwand der 65. Bogenkammer eingelassen, vermutlich 1945 mit der gesamten Bogenkammer zerstört.1) Im Zentrum des Reliefs biographische Angaben, der Sterbevermerk, eine Grabbezeugung und ein Memento mori (B), eingerahmt von einem schmalen Gesims, zwei darauf ruhenden gewundenen Säulen und einem schmalen Gebälk. In einem Unterhang aus reichem Ohrmuschelwerk eine Sonne mit Sinnspruch (C). Über dem Gebälk drei Vollwappen mit Wappenbeischriften (A). Die Art der Schriftausführung nicht ersichtlich.

Nach MBH Ms 319, 2.

Schriftart(en): Kapitalis.

Marienbibliothek Halle (Saale) [1/1]

  1. A

    DER VON WALBECK · // DERa) // STISSER [·] // DER HOFFMANNE ·

  2. B

    BRUNO · STISSER · HALA · SAXO(NUM)b) · / J(URIS) · U(TRIUSQUE) · D(OCTOR)c) · DICAST(ERII) ARCHIEP(ISCOPATUS)d) · IN · PATRIA · / SENIOR · ET · CONSIL(IARIUS) ANHALTINUS · / XIII · APRIL(IS) A(NNO)e) · M · D · XCII · NATUS · / E · CONIUGE · PRIORI · LUCIA · Af) WAL=/BECK · VI · POSTERIORI · ELISABETHA · / HOFFMAN(N)IA · X · LIBEROS · VIDIT · / HINC · INFIRMIORIS · VALETUDINIS · / CONFIRMANDAE · ERGO · SALUTARIB(US) · / HORNHUSAE · FONTIBUS · HAUSTIS · / BRUNSVICI · ANIMAM · REDEMTORI · / NON · SINE · DESIDERIO · BONORUM · / XXXI · JUL(II) · A(NNO) · SAL(UTIS)g) · MDCXLVI ·AET(ATIS) LIV · / REDDIDIT · CUIUS · EXUVIAS · VI · AUG(USTI)h) · / HUC · DELATAS · QUISQ(UI)S · PRAETERIS · / ALTIORIS · SUPRA · TE · POTESTATIS · / QUAEi) HOMINUM · DISPONIT · PROPOSITA · / RECORDARE ·

  3. C

    IN · OCCA//SU · ERIT ·

Übersetzung:

B Bruno Stisser, aus Halle in Sachsen, Doktor beider Rechte (und) Senior des erzbischöflichen Schöffengerichts in der Heimatstadt und anhaltinischer Rat, wurde am 13. (Tag) des April im Jahr 1592 geboren (und) empfing von der ersten Ehefrau, Lucia von Walbeck, sechs, von der späteren, Elisabeth Hoffmann, zehn Kinder. Hernach gab er in Braunschweig, als er der Stärkung (seiner) geschwächten Gesundheit wegen aus den Heilquellen von Hornhausen getrunken hatte, (seine) Seele nicht ohne Bitte um (himmlische) Güter am 31. (Tag) des Juli, im Jahr des Heils 1646, im 54. Jahr (seines) Alters dem Erlöser zurück. Seine Überreste wurden am 6. (Tag) des August hierher übertragen. Der du vorübergehst, bedenke, die höhere Macht, die über den Menschen verfügt, ist (auch) über dich gesetzt worden.

C Im Tod wird er (leben).

Wappen:
Walbeck2)Stisser3)Hoffmann4)

Kommentar

Außer dem kapitalen A mit geraden Schäften wurde ein A mit kräftig geschwungenem linken Schaft verwendet. Die Cauden von G und R sind unter die Grundlinie geführt. Die Bogen-, Schaft- und Balkenenden enden zumeist keilförmig und sind manchmal noch mit einem strichförmigen Sporn verziert. Gelegentlich tritt eine schwache Linksschrägenverstärkung auf. Einzelne Versalien sind überhöht, ohne daß aber eine Regel dafür erkennbar wäre. Kürzungen sind mit verschiedenartigen Zeichen (u. a. Kompendienstrich, Doppelpunkt), aber allem Anschein nach nur vereinzelt kenntlich gemacht worden. Als Worttrenner stehen Dreiecke zwischen Grund- und Mittellinie.

Bruno Stisser (1592–1646) war ein Sohn des erzstiftisch-magdeburgischen Kanzlers Dr. Kilian Stisser (s. Nr. 410). Er besuchte das hallische Stadtgymnasium, studierte in Altdorf, Helmstedt und Jena und wurde 1617 in Basel zum Doktor beider Rechte promoviert. Er diente seit 1619 den Herzögen von Braunschweig als Rat und Assessor des Hofgerichts; später beriefen ihn die Fürsten von Anhalt-Zerbst als Rat von Haus aus. 1624 wurde er Beisitzer und 1641 Senior des Schöffenstuhls von Halle. Außerdem wirkte er seit 1643 als Kirchenvorsteher an der Marienkirche zu Halle.5) 1621 hatte Stisser die aus dem städtischen Patriziat von Braunschweig stammende Lucia von Walbeck (1595–1630) geheiratet; seine zweite, 1632 angetraute Gemahlin Elisabeth (1614–1675) war die Tochter des hallischen Schultheißen Melchior Hoffmann (s. Nr. 424) und eine Nichte des Arztes und Kunstsammlers Laurentius Hoffmann.6) In dem Ort Hornhausen (nordöstlich des Harzes) glaubte man 1646 heilkräftige Quellen entdeckt zu haben, die noch im selben Jahr viele Heilungsuchende anzogen. Die Quellen versiegten jedoch bald wieder.7)

Textkritischer Apparat

  1. DER] Danach Unterbrechung durch die Helmzier.
  2. SAXONUM] Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  3. JURIS UTRIUSQUE DOCTOR] Keine Kürzungszeichen erkennbar.
  4. ARCHIEPISCOPATUS] Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  5. ANNO] Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  6. A] Einstöckige a-Gemeine mit darübergeschriebenem Strich.
  7. JULII ANNO SALUTATIS] Keine Kürzungszeichen erkennbar.
  8. AUGUSTI] Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  9. QUAE] Der erste Buchstabe als kleiner, auf Höhe der Mittellinie stehender Kreis mit großer, in einer Zierschleife endender Cauda.

Anmerkungen

  1. Siehe Anhang 1.
  2. Siebmacher II, 2, Taf. 9.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, Taf. XXIX.
  4. Ebd., Taf. XXVII.
  5. Olearius 1667, S. 66; Ockel 1700, S. 208; Dreyhaupt 2, 1750, S. 453, 727; Toepke 1881, S. 219; Just 1965, S. 22–24; Thiele 2011, S. 457. Bei Dreyhaupt, Just und Thiele als Geburtsjahr 1593 angegeben. Ein Porträt Br. Stissers befindet sich im Stadtmuseum (s. Nr. 527). Zum Schöffengericht oder -stuhl (Scabinatus) s. Einleitung, S. XIII.
  6. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 65 („Geschlechts-Register der Hoffmanne“), 166 („Geschlechts-Register derer Stisser“).
  7. Schwineköper 1987, S. 221 (Schwineköper).

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (historisches Pressefoto).
  2. Olearius 1674, S. 72 (B, C).
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 727 (B, C).
  4. Dähne 1830, S. 106 (B unvollständig).
  5. Just 1965, S. 23 (B, C).
Addenda & Corrigenda (Stand: 28. Oktober 2015):

Das Epitaph wurde 2014 nahezu unversehrt wieder aufgefunden und soll am alten Standort angebracht werden.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 506† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0050600.