Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 481† Stadtgottesacker 1639

Beschreibung

Grabmal für Blandina Steinkopf in der Nähe der 7. Bogenkammer, heute verloren. Darauf eine Weiheformel und ein Sterbevermerk (A), biographische Angaben in Reimen (B), ein Stiftervermerk (C) und die Initialen eines mutmaßlichen Meistervermerks (D). Die Schriftform, die Art der Schriftausführung und die Gesamtgestaltung unbekannt.

Nach Olearius.

  1. A

    B(eatissimo)a) M(aximo) S(acrum) Epitaphium BLANDINAE Qvae Hallis Sax(onum) A(nno) AE(rae) Chr(istianae)b) MDLXXXII. 4. non(as) Dec(embris) Patre Philippo Ockel Matre Justina Zeisin, Familia utrinqve perantiqva nata, A(nno) AE(rae) Chr(istianae)b) MDCIII. ipsis nonis Dec(embris) BALTHASARI STEINKOPF, Senatori ac Patritio nupta, Conjuge, Omniumqve liberorum numero, Filiis nimirum binis, Filiabus autem tribus praemissis, A(nno) AE(rae) Chr(istianae)b) MDCXXXIX. 17. Kal(endas) Apr(ilis) moerore, senio, morboqve denata, vidua annos 19. m(enses) 5. d(ies) 9. vixit annos 57 m(enses) 4. d(ies) 12.

  2. B

    Daß ich bin zur Welt gebohren, /Danck ich Ockels=Zeisens Stamm /Daß ich wurd zur Eh erkohren /Mich Herr Baltzer Steinkopff nahm, /Der mit dreyen liesse mich /Und zween Kinder nahm mit sich. /Zwantzig Jahr im Witben Stande /Traf mich manches Creutz und Noth /Zweymal Sterben, Krieg im Lande, /Kind= und Kindes=Kinder Tod, /Ließ ein Tochter=Kind nach mich, /Als mich CHristus nahm mit sich.c)

  3. C

    Matronae Honestissimae / Socrui Honoratissimae / Neptis ex filia unicae haeredis Parens / JOHANNES STÜTZINGd) / F(ieri) F(ecerunt)

  4. D

    M. E. F. C. W.e)

Übersetzung:

A Dem Allerheiligsten, Höchsten geweiht. Das Epitaph der Blandina, die in Halle in Sachsen im 1582. Jahr des christlichen Zeitalters, am 4. Tag vor den Nonen des Dezember durch den Vater Philipp Ockel (und) die Mutter Justina Zeise beiderseits aus sehr alten Familien geboren (und) im 1603. Jahr des christlichen Zeitalters, gerade an den Nonen des Dezember dem Ratsherrn und Patrizier Balthasar Steinkopf angetraut wurde und die nach dem Ehemann und der Zahl aller Kinder – nämlich nach zwei Söhnen, aber drei Töchtern, die vorausgeschickt worden sind – im 1639. Jahr des christlichen Zeitalters, am 17. Tag vor den Kalenden des April an Trauer, Verdruß und Krankheit gestorben ist. Sie war 19 Jahre, 5 Monate (und) 9 Tage Witwe (und) lebte 57 Jahre, 4 Monate (und) 12 Tage.

C Der sehr ehrsamen Ehefrau, der hochgeehrten Schwiegermutter ließen die Enkelin, (Tochter) der Tochter, und der Vater dieser einzigen Erbin, Johannes Stützing, (dieses) errichten.

Versmaß: Zwölf Reimverse (B).

Datum: 1582 Dezember 2, 1603 Dezember 5, 1639 März 16.

Kommentar

Blandina, die Tochter des Talschöffen und Ratsverwandten Philipp Ockel (gestorben 1590),1) ehelichte 1603 den Ratsverwandten und Pfänner Balthasar Steinkopf (s. Nr. 409). Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zwei, Anna und Balthasar (s. Nr. 349, 392), noch vor des Vaters Tod im Jahr 1619 starben, die anderen, Anna (II.) und Christoph, danach (s. Nr. 438, 462). Blandina erlebte 1636 auch noch den Tod ihres letzten Kindes, der Tochter Justina, die seit 1629 mit dem nachmaligen Ratsmeister Johannes Stützing (1600–1666), verheiratet war. Stützing hatte sich 1619 in Wittenberg immatrikuliert, diente aber von 1622 bis 1624 als Hofmeister. Von 1625 an kämpfte er als Soldat u. a. bei den Truppen des Administrators Christian Wilhelm in Norddeutschland.2) Nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt und Eheschließung schlug er eine Laufbahn als Ratsverwandter ein. Stützing ließ sich 1630 zum Talvorsteher wählen und wurde 1635 in den Rat aufgenommen. 1640 wählte man ihn zum Ratskämmerer und 1655 zum Ratsmeister.3) Außerdem amtierte er als Hospitalvorsteher sowie seit 1639 als Achtmann und 1654 als Kirchvater der Marktkirche.4) Seine Ehefrau Justina hatte zwei Kinder empfangen, Anna Justina (1630–1632) und Blandina Elisabeth (1632–1702).5) Von diesen Enkelinnen Blandinas sprechen Inschrift B in Zeile 10 und 11 und Inschrift C. Nach dem Erlöschen der Familie Steinkopf war es Aufgabe Johannes Stützings, der Schwiegermutter ein Grabmal zu setzen.

Seltsamerweise stimmen die inschriftlichen Zeitangaben zur Lebenszeit und Witwenschaft Blandinas (A) nicht mit den ebenfalls inschriftlich überlieferten Ehe- und Sterbedaten der Eheleute Steinkopf überein. Nach diesen lebte Blandina 56 Jahre, 3 Monate und 14 Tage, davon 19 Jahre, 4 Monate und 12 Tage als Witwe.

Der in der neunten Zeile von B beklagte Krieg ist der Dreißigjährige, der Halle auch viele Male mit Seuchen heimsuchte.6)

Textinhalt und -gliederung sind an den Grabmälern für Anna und Christoph Steinkopf so ähnlich (Nr. 438, 462), daß man sicherlich die gleiche Autorschaft annehmen darf. Die beiden Grabmäler sind inschriftlich als Stiftungen der Mutter Blandina ausgewiesen. Ein Steinmetz oder gar Bildhauer mit den Initialen C. W. (D), die allem Anschein nach am Grabmal des Gottfried Wollweber nochmals auftauchen (Nr. 471), ist bislang nicht bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. Beatissimo] Auflösung unsicher.
  2. AErae Christianae] Auflösung analog Nr. 462A, 471A.
  3. Schrägstriche bei Olearius wurden durch Kommata ersetzt.
  4. JOHANNES STÜTZING] Die Versalien überhöht.
  5. Auflösung vielleicht: Monumentum Erigi Fecit C. W.

Anmerkungen

  1. StAH H B 2, S. 93 f., 96; ebd., fol. 89v; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 105 („Continuatio I. des Ockelischen Geschlechts-Registers“). Entgegen der „Continuatio“ ist Ph. Ockel bislang aber weder als Ratsmeister noch als Assessor des Schöppenstuhls belegt.
  2. Dreyhaupt 2, 1750, S. 733.
  3. StAH H B 2, S. 119, 121, 124–126, 128, 130; ebd., fol. 103v; Dreyhaupt 2, 1750, S. 345; Thiele 2011, S. 468.
  4. StAH H A 14, S. 53; Olearius 1667, S. 66 f. 1653 soll J. Stützing auch Oberbornmeister gewesen sein; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 91.
  5. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 174 f. („Geschlechts-Register derer Stützinge“).
  6. Vgl. Einleitung, S. XIX.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 3, o. S.
  2. Olearius 1674, S. 102.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 481† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0048108.