Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 85: Halle/Saale (2012)
Nr. 471† Stadtgottesacker 1636
Beschreibung
Grabmal für Gottfried Wollweber in der Nähe der Bogenkammer 24, heute verloren. Weiheformel, Sterbeund Stiftervermerk (A) sowie Anrede an den Leser, gereimte biographische Angaben (B), Memento mori und die Initialen eines mutmaßlichen Meistervermerks (C). Schriftform und Art der Schriftausführung nicht überliefert.
Nach Olearius.
- A
D(eo) T(er)a) O(ptimo) M(aximo) S(acrum) D(omi)no GODOFREDO WOLWEBER, Numburgensi, Johannis Filio, Viro undiqvaqve Spectatissimo, Illustrissimo Archiepiscopatus Magdeb(urgensis) qvondam Administratori D(OMI)N(O) CHRISTIANO GUILIELMO, March(ioni) Brandenb(urgensi) vere a Secretis, ejusdemqve, per varios casus, per tot discrimina rerum, fido comiti, Marito dilectissimo, anno AErae Chr(istianae) MDCXXXVI. 7. Id(us) Sextilis, aetatis XLV. mens(e) 11. conjug(ii) ann(o) XI. mens(e) 6. inexpectata morte sibi erepto, Vidua moestissima, unius ex hoc filiolae mater, monumentum hoc F(ieri) F(ecit)
- B
Plura si voles, paucis, lector, haec lege. /Von Naumburg aus bin ich zur hohen Schul erlesen, /An zweyer Kayser Hoff in G’schäft und Dienst gewesen, /Dem Fürsten war ich lieb, noch lieber meinem Weib, /Am liebsten hatt mich Gott, bey dem ich ewig bleib.b)
- C
De coetero vale, (et)c) M(emento) M(ori)d) / M. E. C. W. F.
Übersetzung:
A Gott, dem dreifach Besten (und) Höchsten, geweiht. Dem Herrn Gottfried Wollweber aus Naumburg, Sohn des Johannes, ein in jeder Hinsicht vortrefflicher Mann, einstmals des durchlauchtigsten Administrators des Erzbistums Magdeburg, Herrn Christian Wilhelm, Markgraf von Brandenburg, wahrhaft Geheimer Rat und desselben in verschiedenen Unglücksfällen (und) so vielen Gefahren treuer Begleiter. Dem teuersten Ehemann, der im 1636. Jahr der christlichen Ära, am 7. Tag vor den Iden des August, im 45. (Jahr und) 11. Monat (seines) Alters, im 11. Jahr (und) 6. Monat (seiner) Ehe ihr durch einen unerwarteten Tod entrissen wurde, ließ die sehr betrübte Witwe und Mutter seines einzigen Töchterleins dieses Grabmal errichten.
B Wenn du mehr willst, Leser, als die wenigen (Worte), so lies dieses. (...)
C Fortan lebe wohl und bedenke, daß du sterben wirst. M. E. C. W. F.
Versmaß: Vier Reimverse (2. bis 5. Zeile von B).
Datum: 1636 August 7.
Textkritischer Apparat
- Ter] Auflösung analog Nr. 301. Auch die Konjektur DEO TRIUNI, dem dreieinigen Gott, möglich.
- Die von Olearius gesetzten Schrägstriche wurden durch Kommata ersetzt.
- et] Olearius: et-Ligatur.
- Memento Mori] Auflösung unsicher.
Anmerkungen
- ADB 4, 1876, S. 164–168 (K. Janicke); siehe auch Einleitung, S. XVIII f.
Nachweise
- MBH Ms 319, 3, o. S.
- Olearius 1674, S. 113 f.
Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 471† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0047102.
Kommentar
Die an den Leser gerichtete Frage Plura si voles (B) gleicht der auf dem Grabmal für Maria Hackelbusch von 1621 (Nr. 416). Die letzte Zeile der Inschrift C ist vielleicht in der Form Monumentum Erigi CW Fecit aufzulösen. Da A bereits einen Stiftervermerk enthält, handelt es sich vermutlich um einen Meistervermerk, der bis auf die Umstellung eines Buchstabens der Inschrift Nr. 481D entspricht. Diese bislang ebenfalls ungedeutete Inschrift ist so eindeutig von den übrigen Inschriften desselben Grabmals abgesetzt, daß ihre Lesung als Meistervermerk naheliegt.
Die zwei Kaiserhöfe, die Inschrift B zufolge der Geheime Rat Gottfried Wollweber (1590–1636) im Auftrag des Administrators Christian Wilhelm von Brandenburg aufgesucht hatte, waren die Höfe Matthias’ (1612–1619) und Ferdinands II. (1619–1637). Ob er Christian Wilhelm, der 1625 beim Anmarsch kaiserlicher Truppen aus seiner Residenz Halle geflüchtet war, auf dessen mehrjähriger, 1631 schließlich in kaiserlicher Gefangenschaft endender Odyssee folgte,1) wie die Formulierung in A per varios casus per tot discrimina rerum anzudeuten scheint, ist nicht bekannt.