Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 463 Dom 1636

Beschreibung

Grabplatte (oder Epitaph?) aus Sandstein für den Rittmeister Alexander von Gleissenthal, an der südlichen Innenwand aufgerichtet. Umlaufende, erhabene Schriftzeile, darauf eine Grabbezeugung, ein Sterbevermerk und ein Segenswunsch eingehauen. Im reliefierten Binnenfeld ein langhaariger, bärtiger Mann in Rüstung vor einem Rundbogen mit Kämpfern und Basen. Über dem Harnisch ein Spitzenkragen und eine Bauchschärpe. In der linken Armbeuge ein prunkvolles Schwert mit Kette haltend, ergreift die linke Hand den Riemen des Schwertgehänges. Die rechte hält einen Kommandostab. Zwischen den Beinen ein Helm. In den Ecken des Binnenfeldes Vollwappen.

Maße: H.: 185 cm; B.: 97 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. Alhier liget begraben, der WohlEdl Gestreng Veste vnd Manha[f]/fte Alexander von Gleissenthaler auff Libenaw, C[- - -]h:a) zub) Sachs(en) vnder den Löbliehenc) Baudischen Regim/ent [Wo]hlbestalter [Rit]meister,d) welcher den 3 Martij Ann[o] / (16)36 alhier vor Hall von dem feinde geschoss(en) word(en) v(n)d den 6 [.]us:e) in Gott sehlig entschlaffen, desen Seehl Gott gnade

Wappen:
Gleissenthal1)Spiegel2)
Miltitz3)Bünau4)

Kommentar

Die Schriftform ist der der Grabplatte für Christoff aus dem Winckel (Nr. 469) ähnlich, ohne aber signifikante Gemeinsamkeiten aufzuweisen. Gelegentlich wurden auch hier die unteren Schaftenden als spitz auslaufende Dreiecke geformt. Kürzungen sind durch Doppelpunkte und übergeschriebene Striche kenntlich gemacht.

Als Page des Grafen Hermann Otto I. von Limburg-Styrum5) stieß Alexander von Gleissenthal (1605–1636) schon zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges zum Heer und diente mit seinem Herrn den berühmtesten und berüchtigtsten Condottieri der protestantischen Partei Graf Ernst II. von Mansfeld und Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel. In der Schlacht von Fleurus (Belgien) verlor der Siebzehnjährige (!) ein Auge. Nach der Niederlage Ernsts von Mansfeld an der Elbe bei Dessau 1626 begleitete er den fliehenden Söldnerführer bis nach Ungarn und kehrte nach dessen Tod (?) ins Reich zurück. Unter Wolf Heinrich von Baudissin und Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar kämpfte er für die dänische Krone. 1631 ließ er sich als Lieutenant einer kursächsischen Kompanie anwerben, deren Führung man ihm nach sieben Monaten anvertraute.6)

Generallieutenant Graf Wolf Heinrich von Baudissin (1597–1646) diente seit 1635 dem Kurfürsten von Sachsen.7) Im Januar 1636 zog er als Oberbefehlshaber des kursächsischen Heeres gegen Halle, um die unter ihrem Feldmarschall Johan Banér aufmarschierenden Schweden abzuwehren. Die Kampfhandlungen im Raum Halle zogen sich bis Ende März hin.8) Eine Schußverletzung beendete am 3. März die zeittypische Soldatenlaufbahn des Rittmeisters Alexander von Gleissenthal. Er starb am 6. März und wurde am 10. d. M. „nach D. [Andreae] Merckii Leich-Predigt im Dom, dahin der Churfürst von Sachsen sampt den Generalen und Officirern die Leiche begleitet“, beigesetzt.9) Die Anwesenheit Kurfürst Johann Georgs I. in Halle hatte sicherlich andere Gründe als die Beisetzung eines Rittmeisters, verpflichtete aber alle hochrangigen Persönlichkeiten in der Stadt zur Teilnahme an den Beisetzungsfeierlichkeiten.

Textkritischer Apparat

  1. C[- - -]h:] Ergänzung und Auflösung unklar. Entspricht Churf. Durchl. in Nr. 464.
  2. zu] Der erste Buchstabe ragt über das Mittelband der Schriftzeile hinaus.
  3. Löbliehen] Sic! Für Löblichen.
  4. Ritmeister,] Ergänzung unsicher.
  5. [.]us:] Ergänzung unklar.

Anmerkungen

  1. Geviert; alle Plätze geteilt, von wechselnden Farben. Bei Siebmacher VI, 6, Taf. 33; ebd. VI, 11, Taf. 12 geviert, nur 1 und 4 geteilt.
  2. Nach Merck 1636, fol. Diiijv sollte das Wappen der Magdalena von Spiegel auf Hohenprießnitz (Sachsen) stehen; vgl. Siebmacher VI, 6, Taf. 103; Kneschke 8, 1868, S. 561. Tatsächlich findet sich aber das Wappen der westfälischen Familie von Spiegel; vgl. Siebmacher III, 1, Taf. 84; ebd. III, 2, Taf. 434.
  3. Siebmacher II, 3, Taf. 44; ebd. III, 2, Taf. 316; ebd. VI, 6, Taf. 70.
  4. Siebmacher II, 3, Taf. 1, 7; ebd. III, 2, 2, 1, Taf. 27; ebd. III, 2, 2, 2, Taf. 23.
  5. Zu Hermann Otto I. von Limburg-Styrum vgl. Schwennicke NF XVIII, 1998, Taf. 5.
  6. Merck 1636, fol. Diiijr–Eiv. Zur Familie s. Kneschke 3, 1861, S. 544.
  7. Kneschke 1, 1859, S. 226; ADB 2, 1875, S. 136 f. (v. Ahlefeldt); NDB 1, 1971, S. 632 (Franz Michels).
  8. Hertzberg 2, 1891, S. 446–449.
  9. Olearius 1667, S. 398.

Nachweise

  1. Denkmäler 7, 1908, Taf. 7 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 463 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0046300.