Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 416† Stadtgottesacker 1621

Beschreibung

Grabmal aus Stein für Maria Hackelbusch mit Anrede an den Leser, biographischen Angaben, Sterbevermerk und Memento mori, ehemals in der Bogenkammer 4, heute verloren.

Nach Olearius.

Schriftart(en): Kapitalis (?).1)

  1. LECTOR SODES PAUCA SA=/XEA VERBA. / FUI OLIM QVOD ES JAM / ERIS OLIM QVOD SUM JAM2) / SI VIS QVOD JAM ES MISERE / ERIS MECUM OLIM BEATE DU=/CE CHRISTO. FUI MARIA HA=/CKELBUSCH UXOR D(OCTORIS) CARO=/LI BARTH CANCELL(ARII) CUSTRIN(ENSIS) / ANNIS XVII. VIDUA XXIV. VIXI LXVIII. / MENS(ES) IV. D(IES) XIV. PEPERI FILI=/OS V. FILIAS IV. ABII NON / OBII XXI. JANU(ARII) ANNO MDCXXI. / PLURA SI VIS VOLO. / TIME DEUM SPERNE MUN=/DUM SIS PRUDENS INFER=/NUS TE APPETIT ME AP=/PETIIT TE COELUM EXPE=/CTAT ME HABET. / LECTOR SALVE ET / VALE

Übersetzung:

Wenn du willst, Leser, bitte, einige Worte in Stein. Ich war früher, was du jetzt bist. Du wirst künftig sein, was ich jetzt bin. Wenn du es willst, Unglücklicher – das bist du jetzt –, dann wirst du einst, Seliger, unter Christi Führung bei mir sein. Ich war Maria Hackelbusch, 17 Jahre Ehefrau des Doktor Karl Barth, Kanzler in Küstrin, (und) 24 Jahre Witwe. Ich lebte 68 Jahre, 4 Monate (und) 14 Tage. Ich gebar 5 Söhne (und) 4 Töchter, starb nicht, (sondern) ging hinweg am 21. Januar im Jahr 1621. Wenn du mehr (Worte) willst, (dann) will ich (dir sagen): Fürchte Gott, verachte die Welt. Sei klug; dich bedroht die Hölle, die (auch) mich bedroht hat. Dich erwartet der Himmel, mich hat er. Sei gegrüßt, Leser, und lebe wohl.

Kommentar

Die gleichmäßige Gliederung der Schriftzeilen bei Olearius entspricht vermutlich der des Originals.

Die vorliegende Inschrift greift versatzstückhaft auf verschiedene seit dem 16. Jh. verbreitete Sinnsprüche und Devisen zurück. Das Memento mori in der dritten und vierten Zeile der Inschrift hat als Mahnung „der Toten an die Lebenden“ seit dem späten Mittelalter in lateinischer und deutscher Sprache und in vielfach abgewandelter Form weiteste Verbreitung gefunden (vgl. Nr. 479).3) Die Mahnung TIME DEUM findet sich auch in Devisen wieder. Sie wird meist aus 1 Pt 2,17 zitiert,4) fordert aber in anderem biblischen Kontext (Sir 2,7) zu Gottvertrauen auf. Auch die Weltentsagung, SPERNE MUNDUM, ist eine Wendung zeitgenössischer Devisen.5)

Maria Hackelbusch, geboren 1552, war die Gemahlin Dr. Karl Barths (1547–1597), eines Sohnes von Kaspar Barth d. Ä. (s. Nr. 271). Er war Professor für Zivilrecht und 1571 Rektor der Universität Frankfurt (Oder), danach Geheimer Rat Kurfürst Johann Georgs von Brandenburg. Von 1587 bis zu seinem Tod diente er als kurfürstlicher Kanzler für die Neumark in Küstrin. Aus väterlichem Erbe besaß er das Gut Passendorf bei Halle. Maria und Karl pflanzten die Familie Barth in Halle fort.6)

Anmerkungen

  1. Bei Olearius 1674, S. 7 in Kapitälchen gesetzt.
  2. Vgl. Storck 1911, S. 53, 55 (Nr. 14), 56 (Nr. 28), 57 (Nr. 45), 58 (Nr. 62), 59 (Nr. 63, 72) u. ä.
  3. Vgl. DI 1 (Badischer Main-Tauber-Grund), Nr. 272; DI 6 (Stadt Naumburg 1), Nr. 53; DI 33 (Stadt Jena), Nr. 177; DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis), Nr. 477; DI 44 (Lk. Günzburg), Nr. 10; vgl. Anm. 2.
  4. Vgl. Löbe 1883, S. 67.
  5. Vgl. ebd., S. 149.
  6. Dreyhaupt 2, 1750, S. 579 und Beylage B, S. 9 („Geschlechts-Register derer von Barth“).

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 4).
  2. Olearius 1674, S. 7.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 579.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 416† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0041601.