Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 407† Stadtgottesacker 1619

Beschreibung

Grabmal für Johann Sigismund Evenius in der Nähe der 10. Bogenkammer, heute verschwunden. Weiheformel, Sterbevermerk (A), religiöse Spruchdichtung (B) sowie ein Bibelzitat (C) und die Initialen eines mutmaßlichen Stiftervermerks (D); Schriftform und Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    D(eo) O(ptimo) M(aximo) S(acrum) JOH(ANNES) SIGISMUNDUS EVENIUS, nascitur Halae, 14. Julii, Anni MDCXV, denascitur ibidem, 20. April(is) Anno MDCXIX, aetatis suae annorum 3. septim(anarum) 43. hor(arum) 6.

  2. B

    Als Lazari Gedächtnüß war, /Ward ich gebohren für 4. Jahr, /Bin voller Leids, wie er gewesen /Bis mich GOtt endlich thät erlösen, /In seinen Schoß die Seele nahm /Der Leib allhier zur Ruhe kam, /Wartet biß GOtt an seinen Tag /Beyd einigen wird ohn alle Klag.a)

  3. C

    Sap. IV, 2. Placens DEO (et)c.b)1)

  4. D

    F. D. P. M. P.c)

Übersetzung:

A Gott, dem Besten und Höchsten, geweiht. Johann Sigismund Evenius wurde in Halle am 14. (Tag) des Juli des Jahres 1615 geboren (und) starb ebenda am 20. (Tag) des April im Jahr 1619, seines Alters 3 Jahre, 43 Wochen (und) 6 Stunden.

C (...) Er gefällt Gott. (...)

Versmaß: Acht Reimverse (B).

Kommentar

Johann Sigismund war der älteste Sohn des hallischen Schulrektors Magister Sigismund Evenius. Einer der Taufpaten war der von 1613 bis 1617 amtierende Archidiakon der Marktkirche und nachmalige Wittenberger Theologieprofessor und Generalsuperintendent Dr. Paul Röber,2) ein Bruder des Pfarrers von St. Ulrich, Martin Röber (s. Nr. 456). Inschrift B spielt auf das biblische Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus an (Lk 16,19–31) und gibt zugleich in knapper Form populäre Erlösungsvorstellungen wieder (Zeilen 4 bis 8).3)

Nach Studium (ab 1602) und Universitätsdienst in Wittenberg leitete der Vater Sigismund Evenius von 1613 bis 1622 das hallische Stadtgymnasium. Danach stand er bis zur Zerstörung der Stadt 1631 dem Gymnasium in Magdeburg vor. In den folgenden Jahren führte er ein unstetes Leben, das ihn über mehrere Stationen 1634 nach Weimar führte, wo er 1639 starb. In seinen Hallenser Jahren trat Evenius, einer der bedeutendsten Reformpädagogen seiner Zeit, als produktiver, auch kontroverstheologischer Autor hervor.4)

Textkritischer Apparat

  1. Schrägstriche bei Olearius wurden hier durch Kommata ersetzt.
  2. etc.] Olearius: et-Ligatur und c.
  3. F. D. P. M. P.] Auflösung vielleicht: Filio Desideratissimo Parentes Monumentum Posuerunt; vgl. Nr. 354A, 462C.

Anmerkungen

  1. Sap 4,10. Hier eine alte Verszählung, die sich an der Bibelausgabe Luthers orientiert; vgl. Volz 1972, S. 1707.
  2. Bremer 2001, S. 10 (Anm. 24); zu P. Röber s. Dreyhaupt 2, 1750, S. 700 f.
  3. Vgl. Einleitung, S. XLIII.
  4. Mittag 2, 1747, S. 24–36; Dreyhaupt 2, 1750, S. 197, 756; Eckstein 1850, S. 9–11; Bremer 2001, insbesondere S. 1–12, 121–147.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 3, o. S.
  2. Olearius 1674, S. 107.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 407† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0040702.