Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 85: Halle/Saale (2012)
Nr. 400 Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum 1617 oder danach
Beschreibung
Hauszeichen aus Sandstein mit Hausnamen (A) und Initialen (B), bei Abbruch des Hauses Marktplatz 5 geborgen.1) Hochovale Reliefkartusche mit kräftiger Roll- und Beschlagwerkrahmung; im Binnenfeld ein Baum und drei nackte, spielende bzw. kletternde Kinder mit fellartig behaarten Beinen. Über dem Scheitel des Bildfelds die verschränkten Initialen (B), unter der Kartusche ein Schriftband mit Inschrift A. Beide Inschriften erhaben ausgeführt.
Maße: H.: 66,5 cm; B.: 56 cm; Bu.: 3,5–3,7 cm (A), 9 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
ZVM · DREI · ROVCHEN · KNDRE(N)a)
- B
T Ob)
Textkritischer Apparat
- KNDREN] Sic! Lies KINDERN.
- Das T mittig über das O gelegt, dieses oben und unten überragend.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. MO III 00180; vgl. Neuß 1955, S. 39 f. Das Grundstück Marktplatz 5 ist 1929/30 in der Grundfläche eines Kaufhausneubaus aufgegangen; Dolgner/Dolgner/Kunath 2001, S. 221 f.
- DWB 8, 1893, Sp. 263 f.
- Knauth 1857, S. 705.
- LdK 7, 1996, S. 802 f.
- Schultze-Galléra 1931, S. 28.
- Neuß 1955, S. 41; hier allerdings Tobias „Oesterringk“ geschrieben und als Todesjahr 1652 angegeben. Zu T. Oesterling s. Nr. 509.
Nachweise
- Knauth 1857, S. 705.
- vom Hagen 1, 1867, S. 175 (A).
- Schultze-Galléra 1920, S. 254 (A).
- Schultze-Galléra 1931, S. 28 f.
- Neuß 1955, S. 40.
Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 400 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0040003.
Kommentar
Die Buchstaben zeigen keine eindeutige Trennung von Haar- und Schattenstrichen, aber eine Bogenschwellung. Der obere Schrägschaft des K ist gebogen; Z hat einen Mittelbalken. Die Sporen sind schwach ausgeprägt, die Worttrenner rautenförmig.
ROVCHEN (= „rauchen“ oder „rauhen“) meint, daß die Kinder fellartig behaart sind.2) Vielleicht wurde bei der Wahl des Hausnamens bewußt auf den Namen des 1929 ebenfalls abgebrochenen Nachbarhauses Marktplatz 4 Bezug genommen, das Franz Knauth zufolge „Wilder Mann“ geheißen haben könnte.3) Die Ikonographie des Wilden Mannes, auch der Wilden Frau bzw. die Darstellungsweise der Wilden Leute überhaupt – unbekleidet und kräftig behaart – entspricht durchaus der der ROVCHEN Kinder. Die Wilden Leute erfreuten sich in Literatur und Bildender Kunst seit dem späten Mittelalter großer Beliebtheit;4) der Hausname „Zu den rauhen Kindern“ ist auch in Erfurt belegt.5)
Die Buchstaben T O sind die Initialen von Tobias Oesterling, der das Haus 1617 erworben hatte und bis zu seinem Tod 1647 bewohnte.6) Sein Hauszeichen ist von guter künstlerischer Qualität.