Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 361† Ulrichskirche vor 1610

Beschreibung

Epitaph für Dr. Georg und Regina Laurea und deren gemeinsame Tochter Martha, „schön höltzern geschnitzt, mit Farben und Gold ausgemahlt“, einst neben der Kanzel angebracht und heute verloren. Daran „die Auferweckung Lazari nebst“ zwei Bibelzitaten (A, B). „In der Mitten die Himmelfahrt Jesu Christi, dabey“ zwei weitere Bibelzitate (C, D). „Oben die Zukunft Jesu Christi zum Gericht“ und ein fünftes Bibelzitat (E) „nebst viel andern Figuren, Tugend-Bildern, Zierrath und knienden Personen zu sehen“.1) Der Anbringungsort einer Inschrift mit biographischen Angaben, Sterbe- und Stiftervermerk mit Widmung (F) nicht eindeutig überliefert; vielleicht ein Unterhang. Die Inschrifttafel 1886 noch erhalten,2) zu einem unbekannten Zeitpunkt aber wie die übrigen Teile des Epitaphs verlorengegangen. Schriftform und Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    Joh. 14. Vivo ego.3)

  2. B

    Job. 19. (et)a) in carne mea (et)c.b)4)

  3. C

    Joh. 14. Assumam vos.5)

  4. D

    Act. 1. Sicut vidistis ascendentem.6)

  5. E

    Joh. 3. Sic Deus dil(exit) (et)c.b)7)

  6. F

    D(OMI)N(O) D(OCTORI) GEORGIO LAUREAE Vratislaviensi, Philosopho Eximio (et)a) Doctissimo, Trium Electorum Brandeburg(ensium) D(ominorum)c) D(ominorum) Joachimi II. Johannis Georgii, Joachimi Friderici, (et)a) Sigismundi Archiepiscopi Magdeb(urgensis) qvondam Archiatro, (et)a) Reginae Widemannae Lipsiensi matronae, dilectissimae uxori ejus, nec non Marthae Laureae Conjugi suae dilectissimae, Omnibus ut in vera Filii Dei invocatione sancte, ita in firmissima spe laetae resurrectionis pie defunctis, Balthasar Brunnerus Philos(ophiae) ac Medic(inae) D(octor) Gener (et)a) Maritus suae erga singulos pietatis, gratitudinis, amoris (et)a) memoriae sempiternae monumentum hoc esse volens, moestus P(oni) P(rocuravit)

Übersetzung:

A (...) Ich lebe.

B (...) Und in meinem Fleisch (...).

C (...) Ich werde euch zu mir nehmen.

D (...) Wie ihr den Auferstandenen gesehen habt (...).

E (...) So liebte Gott (...).

F Dem Herrn Doktor Georg Laurea aus Breslau, dem hervorragenden und hochgelehrten Philosophen, einstmals dreier Kurfürsten von Brandenburg (und) Herren, der Herren Joachim II., Johann Georg, Joachim Friedrich und Sigismund, des Erzbischofs von Magdeburg, Leibarzt, und der Hausfrau Regina Widemann aus Leipzig, dessen vielgeliebter Gemahlin, und auch der Martha Laurea, seiner vielgeliebten Ehefrau, und allen, die sowohl in aufrichtiger Anrufung des Gottessohnes selig als auch in festester Hoffnung auf eine fröhliche Auferstehung fromm verstorben sind, hat Balthasar Brunner, Doktor der Philosophie und der Medizin, trauernder Schwiegersohn und Ehemann, ein Denkmal seiner Ehrfurcht, Dankbarkeit Liebe und (seines) immerwährenden Gedächtnisses (jedem) Einzelnen gegenüber schaffen wollend, (dieses) errichten lassen.

Kommentar

Das Grabmal zeigt der Beschreibung des Olearius zufolge den typischen Aufbau eines Epitaphs, läßt aber die Sterbedaten der drei Betrauerten vermissen. Bilder und Inschriften bringen in einem sorgfältig abgestimmten Bild-Text-Programm die lutherische Auferstehungs- und Erlösungshoffnung zum Ausdruck. Das Versprechen eines erneuerten Lebens (A), dessen Einlösung Hiob geglaubt und beschrieben hat (B), bekräftigt Jesus für alle sichtbar mit der Auferweckung des Lazarus (im Bild). In Erwartung seines Opfertodes und seiner Entrückung aus dieser Welt gibt Jesus das Versprechen, zurückzukehren und die Jünger in den Himmel aufzunehmen (C), wo er selbst sein wird. Die Verheißung seiner Wiederkehr wird unmittelbar nach Jesu Himmelfahrt (im Bild) erneuert (D). Sie erfüllt sich im Jüngsten Gericht (im Bild), das dank Jesu Opfertod allen Gläubigen Auferstehung und ewiges Leben beschert (E). Die Bibelzitate, insbesondere C und D, wurden wahrscheinlich aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzt, ohne aber dem Wortlaut der Lutherbibel exakt zu folgen.

Nach der Inschrift war Georg Laurea Leibarzt der brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. (1539–1571), Johann Georg (1571–1598) und Joachim Friedrich (1598–1608) sowie Sigismunds (1552–1566), des letzten in Halle residierenden Erzbischofs von Magdeburg, eines Bruders Johann Georgs. Das Fehlen anderer Nachrichten über das Leben Laureas läßt es zu, die Epitaphinschrift in zweierlei Weise zu interpretieren: Entweder hat der Arzt nach Sigismunds Tod Halle verlassen und ist in den Dienst des Berliner Hofs getreten, oder er war in Halle erst Sigismund und dann Joachim Friedrich zu Diensten, solange dieser Administrator war, und ist dessen Leibarzt geblieben, als dieser 1598 nach Berlin ging, um sein kurfürstliches Erbe anzutreten. Da Laurea 1569 in Halle gewesen sein wird, als er zusammen mit Geschäftspartnern das Saaleschiffahrtsmonopol für 20 Jahre vom Administrator Joachim Friedrich pachtete,8) könnte er stets in Halle ansässig gewesen und von hier aus gegebenenfalls seinen Berliner Verpflichtungen nachgekommen sein. Laurea wird vor dem Tod Joachim Friedrichs 1608 gestorben sein, sonst wäre er sicherlich noch für dessen Söhne, Kurfürst Johann Sigismund (1608–1620) und Administrator Christian Wilhelm (1608–1628), tätig gewesen. Terminus ante quem für den Tod des Arztes ist das Sterbejahr seines Schwiegersohnes Balthasar Brunner 1610 (s. Nr. 362, 364), der das Epitaph setzen ließ. Brunner gedenkt auch seiner Gemahlin Martha, einer Tochter Georg Laureas, die schon vor 1596 gestorben war.9)

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.
  2. etc.] Olearius: et-Ligatur und c.
  3. Dominorum] Olearius: D. D.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 170.
  2. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 204.
  3. Io 14,19.
  4. Ib 19,26.
  5. Wahrscheinlich Rückübersetzung von Jh 14,3.
  6. Vielleicht Rückübersetzung von Apg 1,11.
  7. Io 3,16.
  8. Dreyhaupt 1, 1749, S. 628; Dreyhaupt 2, 1750, S. 657; Friedrich 1865, S. 28.
  9. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, S. 595 f.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 5, o. S. (A–E, F unvollständig).
  2. Olearius 1674, S. 170.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 657 (F).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 361† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0036101.